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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: TURANDOT

15.04.2012 | KRITIKEN, Oper

München, Bayerische Staatsoper, Giacomo Puccini, „TURANDOT“, 14.4.2012

Revue, Circus? Es gibt viel zu sehen in Münchens „Turandot“, die Carlus Padrissa von La Fura dels Baus im Dezember 2011 inszeniert hat. Doch hat das zu Sehende nicht unbedingt sehr viel mit China zu tun, weder einst noch jetzt. Ein paar Bilder von Shanghai, ab und zu auf Plakaten oder Kostümen (letztere manchmal ziemlich albern, manchmal recht kleidsam: Chu Uroz) chinesische Schriftzeichen und sonst viel Action. Breakdancer, Tai-Chi-Aktivisten,  Kletterkünstler,  Kinder mit Lampen in weißen Kapuzenmänteln, Turandots Thron eine Art Hebebühne, dazu das alles überwachende Auge. Damit man dessen bunte Motive in 3-D sehen kann, wurden Papierbrillen verteilt und mit viel Knistern jeweils auf- und abgesetzt. Muss man nicht haben.

Bei all der Bilder- und Effektfülle bleibt eine einigermaßen schlüssige Personenregie leider auf der Strecke: Die Protagonisten stehen meist an der Rampe bzw. auf ihrem Thron oder sitzen wie Timur im Rollstuhl. Auch die ständigen Projektionen im Hintergrund fand ich weder hilfreich noch das Werk erhellend. Halten wir uns also ans Musikalische und da wurde einiges geboten:

Dan Ettinger dirigierte einen wirklich grandiosen Puccini. Was er und das Bayerische Staatsorchester an Leidenschaft, splendider Fülle und im wunderbaren Kontrast zarter Lyrik im Graben zauberten, verdiente den donnernden Schlussapplaus zu Recht.  Ebenso viele Bravi konnten Kamen Chanev und Eri Nakamura einsammeln: Kamen Chanev für einen wirklich phantastisch gesungenen Calaf, ein dramatischer Tenor, der mühelos heldische Spitzentöne produziert, bewegende Piani singt und der eine wirklich schöne Stimme hat und den ich gern in einer Verdi-Partie wiederhören möchte; Eri Nakamura als hingebungsvolle Liu, deren kultivierter Sopran immer mehr an Fülle gewinnt und die mit inbrünstigem Ausdruck das bewegende Schicksal der kleinen Liu spielte und sang. Leider war Jennifer Wilson mit der Turandot offenbar doch ein wenig überfordert, da wurde forciert, gestemmt und wenig gesungen. Allerdings hat der Regisseur für sie eine sehr anrührende Geste gefunden: Nach dem Tod von Liu legt Turandot dem greisen Timur eine Hand auf die Schulter und zeigt so zum ersten Mal Gefühl, Mitgefühl. Das überzeugte und rührte – und derlei hätte man sich öfter gewünscht, statt der vielen bunten Bilder.

Die übrigen Darsteller waren bewährt und rollendeckend: Fabio Previati (Ping), Kevin Conners (Pang), Emanuele D’Aguanno (Pong), Ulrich Reß (Altoum) und Alexander Tsymbalyuk (Timur). Ein besonderes Lob verdienen noch Chor, Extrachor und Kinderchor für ihren prächtigen Gesang.

Fazit: Wer gerne in den Circus geht, ist mit dieser „Turandot“ sicher gut bedient, wem es um die Oper geht, der muss halt öfter die Augen schließen und sich an der Musik delektieren bzw. das Pausenbüfett genießen, denn bei zwei Unterbrechungen von jeweils 30 Minuten bleibt dafür genug Zeit. Die hier gespielte unvollendete Originalfassung währt nur ganze  105 Minuten und so gibt es „gefühlt“ mehr Pause als Oper.  

Jakobine Kempkens

 

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