Theater Münster 28. April 2015 Schumann – Raritäten Konzertstück für vier Hörner und dramatisches Gedicht „Manfred“
Foto Jürgen Christ/WN
Beliebt war im 19. Jahrhundert das sogenannte „Melodram“, also gesprochene Dichtung unterlegt mit passender Musik. Aufführungen von Werken grösseren Umfangs dieser Gattung sind momentan auch deshalb selten, weil Opernhäusern die Schauspieler und den Schauspielhäusern Sänger, Chor und Orchester fehlen. Nutzen können die Chance Mehr-Spartenhäuser, in denen nur (?) Mitglieder der einzelnen Sparten zusammengeführt werden müssen. Dies zeigte ganz exemplarisch die Aufführung von Robert Schumanns op. 115 „Manfred“ bezeichnet als „dramatisches Gedicht“ auf einen Text von Lord Byron in der Übersetzung von Karl Adolph Suckow im Theater Münster.
Bekanntlich hat auch Tschaikowsky eine viersätzige Sinfonie nach diesem Manfred geschrieben. Romantischer Gefühlswelt war wohl verwandt das Schicksal des tragischen Helden, der seine gestorbene Geliebte – vielleicht Schwester und Geliebte zugleich – im Jenseits sucht, nach kurzem Wiedersehen mit ihr ruhig sterben kann, aber auch im Angesicht des Todes sowohl Drohungen von Geistern als auch die Segnung der Kirche trotzig zurückweist und nur in sich selbst den Maßstab für sein Handeln sieht. „Ich lebte allein ich sterbe allein“ Schauplätze wie Alpengipfel und mittelalterliches Schloss erzeugen dazu passendes schauerromantisches Ambiente.
Einleitend erklang die beliebte und als einziger Teil des „dramatischen Gedichts“ häufig aufgeführte Ouvertüre vom Sinfonieorchester Münster unter der Leitung von Fabrizio Ventura
gespielt mit markanten Anfangsakkorden, geheimnisvoll klingendem langsamen Teil dann gesteigert zu „leidenschaftlichem Tempo“ wie Schumann vorschreibt, um pp überzuleiten zur Handlung.
Die Hauptrollen sind alle für Sprecher bestimmt, am wichtigsten natürlich die des Manfred.. Ihn sprach Dennis Laubenthal sehr textverständlich und emotional mitreissend ohne in übertriebenes Pathos zu verfallen, was bei der uns altertümlich anmutenden Übersetzung, die Schumann verwandte, hätte passieren können. Das galt auch für Aurel Bereuter sowohl als schlichter Gemsjäger, der Manfred vom freiwilligen Sturz ins tiefe Alpental zurückhält, wie auch als mitfühlender Abt, der Manfred zur Reue für sein sündiges Leben auffordert. Während des abschliessenden „Requiem aeternam“ rezitierten beide Silben genau auf von Schumann in der Partitur vermerkten Musikstellen, ein Verfahren, das schon auf Schönberg hinweist. Als Geister gemeinsam und einzeln als Nemesis, Astarte und Alpenfee überzeugten Regine Andratschke, Julia Stefanie Möller und Claudia Hübschmann mit und zu Manfred sprechend in der Dialogregie von Schauspielchef Frank Behnke.
Für die Untermalung und Kommentierung der Handlung ist ein grosser Aufwand musikalischer Mittel erforderlich, so war in Münster ein grosser Teil des Opernensembles eingesetzt. Als Vokalquartett begannen vier Solisten mit einem „Gesang der Geister“, der mit der eigentlichen Handlung in keinem direkten Zusammenhang stand. Vier Bassstimmen sangen solistisch und zusammen im „Geisterbannfluch“ verhalten bis hin zum ppp, passend zum Mond, der anfangs besungen wird.
Gleich zwei Chöre, der Konzertchor Münster in der Einstudierung von Elda Laro und der Philharmonische Chor Münster in der Einstudierung von Martin Henning wurden eingesetzt, um hymnisch den Obergeist Ariman zu besingen, dann „mit Wut“, wie Schumann schreibt, Manfred Furcht vor Ariman einzuflössen.. Dies machten beide Chöre mit Bravour, wenn auch ohne Erfolg bei Manfred.
Ganz auf theatralische Effekte mochte man doch nicht verzichten, Obergeist Arimans Stimme ertönte von oben verstärkt durch Lautsprecher, den Schlußgesang „Requiem aeternam“ sangen die Chöre p aus dem „Off“ von Orgelklängen begleitet.
Musikalisch konnte das Orchester nach der Ouvertüre noch einmal in der Zwischenaktmusik nach der „ersten Abteilung“ – so nannte Schumann die Abschnitte des Stücks – trumpfen. Lautmalerisch silbrig klang die Begleitung des „Gesangs der Geister“ zu Beginn. Solistisch melancholisch klang das Englisch-Horns bei der Begleitung des Dialogs im Hochgebirge, wo der Gemsjäger Manfred vor dem Sprung in die Tiefe zurückhält – fast schon an den Beginn des III. Akts „Tristan“ erinnernd – ein grosses Lob dem Solisten Jan-Stefan Wimmer! Danach bis zum Ende des Stücks verliert der instrumentale Teil immer mehr an Gewicht, mit Ausnahme der Begleitung des Sonnenaufgangs, des letzten, den Manfred erlebt, gar nicht strahlend sondern größtenteils pp.
Für Liebhaber von Schumanns Musik, die einmal ein Werk ausserhalb des gängigen Repertoires erleben wollten, war dies eine hochinteressante Aufführung.
Vor der Pause spielten vier Hornisten aus den Reihen des Orchesters Schumanns auch nicht häufig zu hörendes Konzertstück für vier Hörner und Orchester, wo neben dem virtuosen Schlußsatz vor allem der ganz romantisch-verhaltene Hörnerklang der langsamen „Romanze“ beeindruckte.
Das Publikum im sehr gut besetzten Haus applaudierte nach beiden Teilen des Konzerts länger andauernd, sogar nach „Manfred“ – obwohl Oper, Schauspiel, Sinfonie, von allem etwas, deshalb für Konzertbesucher ungewohnt! „Manfred“ wurde für eine CD-Produktion live aufgenommen, wohl auch, weil Fabrizio Ventura vor mehr als zehn Jahren das gesamte Stück schon einmal in Nürnberg aufgeführt hat.
Sigi Brockmann 30. April 2015