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MÜNSTER: HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN. Premiere

30.08.2015 | Allgemein, Oper

Theater Münster „Hoffmanns Erzählungen“ Premiere am 29. August 2015

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Foto: Oliver Berg

Führt ein Opernhaus  die „phantastische Oper“ „Les Contes d`Hoffmann“ (Hoffmanns Erzählungen) von Jacques Offenbach auf das Libretto von Jules Barbier und Michel Carré nach Erzählungen E.T.A. Hoffmanns auf,  fragt sich  der Opernfreund oft als erstes, welche Szenen aus welcher Fassung in welcher Reihenfolge zu hören und zu sehen sein werden, ist doch Offenbach vor der Uraufführung verstorben  und sind nach seinem Tod etliche Veränderungen und Ergänzungen  vorgenommen worden. So haben sich denn auch für die Aufführung in Münster, mit der am vergangenen Samstag die Spielzeit eröffnet wurde, Hausherr Ulrich Peters als Regisseur und Dirigent Stefan Veselka in nachschöpferischer Tätigkeit eine eigene Fassung zusammengebaut. Inhaltlich folgt diese dem bekannten Handlungsablauf in fünf Akten – Kneipe zu Beginn und Ende, dazwischen Olympia-, Antonia- und Giulietta-Akt. Sie enthält alle bekannten „Highlights“ bis auf  das Septett – eigentlich Sextett mit Chor – im Giulietta–Akt und verwendet das erst 1998 entdeckte Finale des Giulietta-Aktes nach der Ausgabe von M. Kaye und J.-C. Keck. Geendet wird mit der Apotheose von Hoffmann als Dichter und seiner Muse. Auch dank dieses Schlusses gelang es Regisseur Peters, die Oper zu zeigen als Parabel vom Leben des Künstlers, der durch bittere Liebeserlebnisse lernt, daß er auf bürgerliches Leben zu Gunsten der Erfüllung in seiner Kunst verzichten muß. Dies zeigte er  ohne der Handlung fremde oder abwegige eigene Ideen aufzupfropfen, wie man es ja schon erlebt hat, aber auch ohne unerwartete Details.. Mehr noch als gewohnt erschien die Muse in Gestalt von Nicklausse als Drahtzieherin der Handlung, indem sie etwa sogar Bösewicht Lindorf in seinen verschiedenen Gestalten zwecks Frustrierung von Hoffmanns Liebeserlebnissen auf die Bühne zitierte.

Das Bühnenbild von Bernd Franke  zeigte in den Eckszenen die bekannte Kneipe mit dem Chor in korporierten Studenten nachempfundenen Glitzerkostümen (Götz Lanzelot Fischer), wobei auch deren Saufrituale karikiert wurden. Aber immerhin besuchten diese trinkfreudigen Studenten damals noch eine Aufführung von Mozarts „Don Giovanni“, wenn auch nur bis zur Pause!

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Foto: Oliver Berg

Diese Kneipe schob sich dann nach hinten, blieb aber fast immer sichtbar, um ohne lange Umbaupausen  Spielfläche zu schaffen für die drei Frauenakte. Neben wenigen Requisiten sollten Projektionen zwischen einer Treppe links und einem Gemäuer rechts  die Handlung verdeutlichen, etwa Räderwerke im Olympia-Akt, ein Opernhaus zu Ende des Antonia-Aktes oder  Wasser und dann liebende Paare für den Giulietta.Akt..

Für die drei Frauenakte war die Farbe der Kostüme durchweg glitzernd in silbergrau mit roten Akzenten, ebenso waren die Gesichter grellweiß geschminkt mit roten Lippen und Perücken, was ihnen passend ein fratzenhaftes Aussehen verlieh. Hoffmann trug als einziger zunächst heutige Alltagskleidung, paßte sich dann aber den Kostümen der anderen in weiß an, alles nicht sensationell aber passend!

Erfreulich geriet die musikalische Seite der Aufführung. Adrian Xhema brillierte in der grossen Titelpartie mit seinem etwas zum Bariton hin timbrierten Tenor bis zum verklärenden Ende ohne Ermüdungserscheinungen. Er traf die Spitzentöne bei „Klein-Zack“, gestaltete Legatobögen etwa im Duett mit Antonia, oder schnelle Steigerung auf kurzen Tönen etwa in den „Couplets bachiques“ des Giulietta-Aktes, beides  zusammen  in der Romanze im Olympia-Akt. Mit mächtigem Baß  bis in tiefe Töne sang Gregor Dalal seinen Gegenspieler Lindorf in seinen verschiedenen Charakteren. Legato und Steigerung vom pp bis zum ff gelang ihm blendend in der „Diamanten-Arie“  Lisa Wedekind als Muse etwas unverständlich ganz in Rot gekleidet später als Nicklausse im für die Aufführung üblichen weiß, meist mit Baskenmütze, bewältigte die lange Partie wie gewohnt souverän und eindrucksvoll. Das galt besonders für die schnellen Töne des Couplets von der Puppe im Olympia-Akt. Mit Legato-Kantilenen konnte sie glänzen im Antonia-Akt in der Arie vom Ton der Violine und der Liebe. Mit hellem gut fokussiertem Tenor gestaltete Boris Leisenheimer die vier Rollen als ganz grotesk kostümierte Diener. Sängerisch und schauspielerisch machte er aus den zwei  verzweifelt-lustigen Couplets des Frantz im Antonia-Akt ein Kabinettstückchen. Ebenfalls in mehreren Rollen ergänzten Youn-Seong Shim – besonders als Spalanzani  – und Frank Göbel die Riege der Herren. Neben Wirt Luther war Plamen Hidjov auch als Vater Crespel im Rollstuhl zu erleben.

Die drei Damen wurden von verschiedenen Sängerinnen gesungen. Antje Bitterlich spielte den Automaten Olympia perfekt, bewältigte eindrucksvoll die Koloraturen ihrer grossen Arie, auch im Wechsel zwischen f und p und in den Trillern. Sie traf die Spitzentöne, wenn auch etwas gepresst, aber das mußte beim Automaten vielleicht so sein. In Bonn hatte Netta Or alle  drei Damen gesungen, in Münster trat sie als Antonia auf. Beeindrucken konnte ihr Legato, auch im pp, etwa in der Romanze vom „Täubchen“ oder im Duett mit Hoffmann – einem der Höhepunkte des Abends! Im Terzett mit Dr. Miracle und der Stimme der Mutter traf sie den Spitzenton um dann gekonnt mit einem decrescendo-Triller ihr Sängerleben auszuhauchen. Die Stimme der Mutter war hier nicht nur Stimme, sondern auch  Gestalt von Suzanne McLeod, auf dem Bild und in Natur als einzige nicht weiß-rot gekleidet und geschminkt, wohl weil aus der Gruft und einem früheren Leben. aufgestiegen, aber dadurch im Aussehen gar nicht ähnlich ihrer Tochter Antonia.

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Foto: Oliver Berg

Ganz grotesk weiß gekleidet dagegen und geschminkt mit bizarrer roter Perücke sang und spielte Sara Rossi Daldoss die Edelnutte Giulietta,  in dieser Fassung zum Schluß trauernd um den von Hoffmann aus Enttäuschung umgebrachten Diener Pitichinaccio.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten steigerten sich Chor und Extrachor in der Einstudierung von Inna Batyuk  und bewältigten in ihren Glitzergarderoben und Federhüten exakt die Chöre im Olympia-Akt.

Trotz leichten Handicaps durch den verletzten linken Arm leitete Stefan Veselka  überlegen das musikalische Geschehen, wählte teils recht zügige Tempi und ging auf  Sängerinnen und Sängern ein, soweit man das als Zuhörer beurteilen konnte. Auch die  instrumentalen Soli, etwa von Violine, Horn, Flöte, Klarinette und natürlich der Harfe konnten glänzen. Besonderes Lob gebührt den Bläsern in der p-Einleitung des letzten Aktes.

Das Publikum im fast ausverkauften Theater sparte nicht mit Applaus und Bravos besonders für Hoffmann und die anderen mehrfach geforderten Mitwirkenden wie Muse, Lindorf und Diener, natürlich auch für die Sängerinnen der drei Geliebten. Applaus gab es auch für das Orchester und Dirigenten, auch ohne Widerspruch für das Leitungsteam. Angemerkt sei zum Schluß,  daß Ulrich Peters, dessen Vertragsverlängerung als Intendant  bis 2022 gerade unterschrieben wurde, sich diese Oper in seiner Inszenierung zur Feier eines runden Geburtstages ausgesucht hatte.

Sigi Brockmann

  31. August 2015

 

 

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