MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: Im Weißen Rössl – 11. Mai 2019 – Singspiel von Ralph Benatzky u.a.
SING ALONG = Mitwirkung des Publikums. Originalfassung von 1930, Premiere 2012
„Tritt ein – und vergiss deine Sorgen …“, ein unbeschreiblich phänomenales Vergnügen!
Bericht von Tim Theo Tinn
Die leichtere Muse im klassischen Musiktheater ist ein feingeistig zartes Gebilde – bei aller Qualität der Vorlage kann eine Inszenierung daneben gehen, wenn man die Übergangswiderstände zu unserem Zeitalter nicht beachtet. Es darf also weder eine Reminiszenz im Historismus noch eine überzogene Sichtung in eine unpassende Modernität sein. Sensibilität und Empathie sind die Schlüssel (6. Sinn!!!).
Ensemble Gärtnerplatztheater © Thomas Dashuber
Der Sing Along Rössl – Abend im Gärtnerplatz Theater war in jeder Hinsicht so überbordend wunderwebend, dass ich mich beeindruckt mit Demut verneige. Als Rezensent will man ja immer befragen, das tue ich hier nicht, da sich Josef E. Köpplinger und seine Mannschaft mit diesem Erlebnis jeder Befragung entziehen. Ich empfehle folgende Eindrücke, die alle Worte aushebeln:
11 Fotos: Sing Along – IM WEISSEN RÖSSL (hier auch Inhaltsangabe und Besetzung)
https://www.gaertnerplatztheater.de/de/news/sing-along-2018.html
Stückeinführung 11 Min
https://www.youtube.com/watch?v=xpjc8DfLveM
Der inszenierende Intendant hofft in der Einführung auf wunderbaren Slapstick, pointierte Dialoge, effektvolle Tanznummern, schön gesungene Lieder – das Ergebnis hat diese ganzen Hoffnungen noch weit übertroffen. Jeder Superlativ ist zutreffend – das ist ein herzerfrischend überbordender Geniestreich, eine entstaubte, bebend wabernde optisch-akustische Eruption, Sensation mit angetipptem Tiefgang und Wehmut. Im Zusammenspiel mit Sing Along (zum 4. Mal), wird überschäumender Kult geprägt, der der kultigen „Rocky Horror Picture Show“ gleichkommt. Ohnehin ausverkauft, wird das Theater im nächsten Jahr sicher nicht mehr reichen, es sollte ein Open – Air auf dem gesamten Gärtnerplatz sein. Sing Along findet leider nur einmal jährlich statt.
Ohne Profilierungs-Neurose liste ich unvollständig auf: Jodeln, Folklore, Jazzband, Blaskapelle, Zither-Trio, „Lübke“ Englisch einer Reiseleiterin („Equal goes it loose“) artifiziell – satirische Postkarten-Idylle mit Laubsägearbeiten als Sägezahn-Wellen, Bimmelbahn, Spielzeug-Flieger, Schiffsbug, Holzhackerbuam, Schnürlregen aus Gieskannen, Wilderer, finnische Turnertruppe, irische Großfamilie usw.
Sigrid Hauser (Rössl-Wirtin), Angelika Sedlmeier, Statisterie © Christian POGO Zach
Sing Along hat den Abend noch potenziert. Das Publikum war zum Mitsingen und Mitspielen aufgefordert – und damit stand das Haus nahezu Kopf. Im Foyer gabs Schuhplattler, vor dem Theater eine Blaskapelle, das Publikum wurde mit Requisiten und Regieanweisungen ausgestattet und dann gings los. Auf gut bayrisch: „A Hund is er fei scho! Der Herr Intendant“ Die universale Begabung von Josef E. Köpplinger (s. Fotos Sing Along) ließ ihn völlig selbstverständlich zum überragenden Moderator des Abends werden, der mit Akkordeon dem Publikum zunächst Gesangsunterricht und Anweisungen gab. Dann ging es los. Durch den ganzen Abend heizte er zum Agieren gem. Regieanweisung und Mitsingen an. Die Fotos sind zwar von 2018, es hat aber auch 2019 mindestens genauso gebrodelt.
Jeder Zuschauer erhielt diese Requisiten
Der Sing Along Rössl – Abend im Gärtnerplatz Theater war in jeder Hinsicht so überbordend wunderwebend, dass ich mich beeindruckt mit Demut verneige. Damit ist Alles zu Allen und Allem gesagt. Ein singuläres Theater-Ereignis als berückendes Beispiel, wie aus einem wunderbaren Gesamtkunstwerk erfüllende Gefühle, Emotionen erwachsen, ohne sich durch unwirkliche kognitive Zusammenhänge wurschteln zu müssen. Und das mit brillanter Unterhaltung in der leichten Muse.
Tim Theo Tinn 14. Mai 2019
Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). Ist mit Begeisterung für singuläre Aufträge zu haben, nicht für Festengagements.