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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater im Cuvilliestheater: SEMELE von G.F.Händel

27.10.2013 | KRITIKEN, Oper

München, Gärtnerplatztheater im Cuvilliéstheater, Georg Friedrich Händel,  „SEMELE“, NI, 2. Vorstellung, 26.10.2013,

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Jennifer O’Loughlin als Semele. Foto: Thomas Dashuber

Wenn zu Beginn der Chor samt Solisten im Brautgewand aufmarschiert, die zu verheiratenden Damen dies mit finsteren Blicken erdulden, dann ahnt man, dass diese Massenhochzeit unter keinem guten Stern steht. Cadmus, Gründer der Stadt Theben, möchte Juno, der Hüterin des Ehebundes, ein Opfer bringen. Doch ach, Tochter Semele rebelliert und träumt von der großen Liebe. Den ihr zugedachten böotischen Prinzen Athamas will sie auf keinen Fall ehelichen, ihre Schwester Ino nähme den jungen Herrn dafür umso lieber. Göttervater Jupiter, nicht als Kostverächter bekannt und Vater diverser unehelicher Sprösslinge, kann es wieder einmal nicht lassen: Er entführt das Erdenkind Semele in himmlische Sphären und verwöhnt sie mit allem, was eine junge Frau wünscht. Nicht unbemerkt von der zornbebenden Juno, die ob der neuerlichen Untreue ihres Angetrauten auf Rache sinnt. Mit Hilfe von Somnus, dem Gott des Schlafes, und ihrer Botin Iris bringt sie die nach Unsterblichkeit und einen Platz an Jupiters Seite gierende Semele dazu, von Jupiter zu fordern, sich ihr in seiner ganzen göttlichen Pracht zu zeigen. Vergeblich warnt der Gott sie: Wer als Mensch ihn schaut in Göttergestalt, wird vernichtet und muss sterben. Doch Semele bleibt bei ihrem Wunsch – und verglüht.

Karoline Gruber hat die Geschichte ans Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt – in eine Zeit, als der Wille des Einzelnen, noch dazu der einer jungen Frau, nichts galt. Semele darf träumen, darf einmal wirklich lieben, auch wenn dies am Schluss ihr Leben kosten wird.  Zusammen mit Bühnenbildner Roy Spahn und Kostümbildnerin Magali Gerberon erzählt die Regisseurin spannend und unterhaltsam. Schöne, manchmal skurrile Bilder wie eine Ballonfahrt über München, die in ein Insekt sich verwandelnde Götterbotin Iris oder die Gruft des Schlafgottes Somnus, wo Untote und Assistenten mit Scherenhänden agieren, erfreuen oder lassen schmunzeln. Die Regisseurin bleibt wohltuend und stringent beim Erzählen der Geschichte und driftet nicht in billige Gags à la Kindergeburtstag ab.  

Musikalisch bereiteten vor allem Marco Comin mit nur 22 Musikern plus Barocklaute und Cembalo große Freude. Mit temperamentvoller Körpersprache und lebhafter Mimik hat der Chefdirigent sein Orchester in der Hand, hebt den Finger vor heiklen Stellen, geht in die Knie oder lächelt befriedigt über Gelungenes. Und das Orchester folgt ihm willig und präzise. Vor allem atmet Comin mit den Sängern, durchlebt quasi ihre Rollen mit. Der Maestro liebt Barockmusik, wie er in der Stückeinführung gestand, ginge es nach ihm, werde das Publikum diese Musik wie eine Droge lieben….

Herausragend Jennifer O’Loughlin als Sängerin der Titelpartie, mit geläufiger Gurgel erklimmt sie die höchsten Koloraturhöhen und beklagt mit warmem, strahlendem Sopran ihre Sehnsucht nach Liebe; ebenso preiswürdig ihre Widersacherin Juno, die sich bei Adrineh Simonian mit furiosem Mezzo und herrischer Attitüde als die wohl eigentliche Herrin auf dem Olymp zeigt; Ferdinand von Bothmer (Jupiter) klang zunächst etwas angestrengt, trumpfte dann aber in der Schlussszene gewaltig „göttlich“ auf; Countertenor Frangio Fagioli (Athamas) räumte mit seiner Arie reichlich Szenenapplaus ab. Mit profundem Bass fiel noch István Kovács als Schlafgott Somnus auf und mit kernigem Bariton Holger Ohlmann als Cadmus. Elaine Ortiz Arandes als joggende Götterbotin und reizendes Insekt und Ann-Katrin Naidu als unglückliche Schwester Semeles rundeten die durchweg guten Leistungen ab. Bleibt noch der exzellente Chor, stimmstark und fulminant, auch er eine Freude.

Langanhaltender Applaus und viele Bravi für die Sänger und Dirigent Marco Comin.

Jakobine Kempkens

 Wer sich der Droge Barockmusik noch oder noch einmal ergeben will: Der „Stoff“ wird noch bis 7. November vom Gärtnerplatztheater im Cuvilliéstheater verteilt…. 

 

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