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MÜNCHEN: DER KLEINE HARLEKIN von Karlheinz Stockhausen – modernes Musiktheater für Kinder

30.03.2014 | KRITIKEN, Oper

Modernes Musiktheater für Kinder in München: Der kleine Harlekin“ von Karlheinz Stockhausen (Vorstellung: 30. 3.2014)

harlekin
Eine Meisterleistung bot die Klarinettistin Merve Kazokoglu als kleiner Harlekin (Foto: Dimo Dimov)

Im Rennert-Saal der Probebühne der Bayerischen Staatsoper in München kam in einer Gemeinschaftsproduktion mit der Wiener Taschenoper, dem Opernhaus Graz und und dem Natalia-Sats-Musiktheater Moskau eine sehenswerte Produktion eines Werks für Kinder und junggebliebene Erwachsene zur Aufführung: „Der kleine Harlekin“ von Karlheinz Stockhausen.

Bei den meisten Opernbesuchern gilt Karlheinz Stockhausen (1928 – 2007) als Synonym für Neue Musik. Er studierte ab 1947 an der Kölner Musikhochschule Klavier und Komposition sowie Musikwissenschaft und Philosophie an der Universität Köln. Durch die Begegnung mit der Zwölftonmusik und serieller Kompositionsweisen fand er bald seinen eigenen Weg, setzte 1952 seine Studien in Paris bei Messiaen und Milhaud fort und schloss Bekanntschaft mit Boulez. 1963 wurde er Leiter des WDR-Studios für elektronische Musik, von 1971 bis 1977 unterrichtete er an der Kölner Musikhochschule. Er gilt als Vorreiter der musikalischen Avantgarde nach 1945 und setzte neben der Beschäftigung mit elektronischer Musik „für seine mystisch wie kosmisch irrational gelenkten Klangvorstellungen offene, aleatorische und Collagetechniken ein“, wie in „Reclams Opernführer“ treffend formuliert ist.

Stockhausens feste Überzeugung war, dass neben unserer irdischen Welt noch eine andere, kosmische Dimension unser Leben und Wirken bestimmt. Diese Überzeugung manifestiert sich auch in der Oper „Der kleine Harlekin“, in dem vier Werke von Stockhausen Teil der Inszenierung sind: Der kleine Harlekin, Laub und Regen, Drachenkampf und Mission.

Die Handlung in Kurzfassung: Eine junge Klarinettistin spielt zum Tanz auf. Als drei Knaben die Szene betreten, kommt es zum Streit. Es ist die Geschichte eines jungen Mädchens, das sich immer selbstbewusster zeigt, als sie zwischen Gut und Böse hin und hergerissen wird. Sie reift zu einer „Eva“, die zwischen den beiden Widersachern Erzengel Michael und Luzifer steht und schließlich an der Seite Michaels in eine neue Welt entschwebt.

 Der anerkannte Opernregisseur Carlus Padrissa inszenierte mit seiner Künstlergruppe La Fura dels Baus zum ersten Mal ein Werk für Kinder und bot ein furioses Spektakel mit Feuer, Wasser, Pyrotechnik und Raumschiff, wobei ein spektakuläres, utopisch anmutendes Video (Gestaltung: Franc Aleu) das junge und ältere Publikum verzauberte. Es bot neben Phantasiefiguren Himmels- und Meeresszenen mit Vögeln und Fischen, die durch den Raum zu schweben schienen. Der Regisseur setzte die Geschichte über den Reifungsprozess eines jungen Mädchens auf dem schmalen Grat zwischen Traum und Wirklichkeit mit Phantasie und wunderbaren Bildern um.

 Im Mittelpunkt stand die junge Merve Kazokoglu, die als Harlekin mit ihrer Klarinette jung und alt verzauberte, wobei sie über die fast leere Bühne (Schilfgürtel, Feuerstelle und Synthesizer waren die einzigen Requisiten / Gestaltung: Roland Olbeter) tänzelte und auch im Publikumsraum ihre Musikalität – sie blies auch ein Bassetthorn – ausspielte. Eine Bewegungskünstlerin erster Güte! Die weiteren Musiker, die allesamt auch ihre Rollen als Schauspieler glänzend bewältigten, waren Paul Hübner (Trompete), Stephen Menotti (Posaune), Simon Schellnegger (Viola) und Michael Tiefenbacher (Synthesizer), der als einziger auch ein paar Wortfetzen von sich gab. Gesungen wurde in diesem Stück kein einziger Ton.

 Die Musik von Karlheinz Stockhausen ist im Kleinen Harlekin effektvoller Ausdruck turbulenter Gefühlswelten und irrealer Traummomente, die Carlus Padrissa mit seinem Team La Fura dels Baus auf zauberhafte Weise auf die Bühne bannte.

 Lang anhaltender Applaus nach siebzig Minuten, die wie im Flug vergingen – zum Schluss schwebt im Video ein Raumschiff ins Weltall –, und einige schüchterne, aber mehr als verdiente Bravorufe für die Darstellerin der Titelrolle.

 Udo Pacolt

 

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