Copyright: Wilfried Hösl/ Bayerische Staatsoper
München: Bayerische Staatsoper: „MEFISTOFELE“, 06.05.2018:
Die Münchner im Opern-Himmel: Erwin Schrott und Joseph Calleja in „Mefistofele“
Während des sogenannten Faust-Festivals, bei dem zahlreiche Münchner Kulturinstitutionen mehr als 200 Veranstaltungen anbieten, spielte die Bayerische Staatsoper dreimal die Faust-Oper „Mefistofele“ von Arrigo Boito, die 1868 an der Mailänder Scala uraufgeführt worden ist. Der Komponist Boito, der als Librettist auch mit Verdi zusammengearbeitet hat, schrieb sich das Libretto für seine Oper selbst – nach Goethes „Faust“, mit teilweise wörtlichen Übernahmen, aber inhaltlich gekürzt. Erstaunlicherweise ist diese hochromantische, sich an Richard Wagner anlehnende Oper erst am 24. Oktober 2015 in szenischer Version auf die Bühne des Münchner Nationaltheaters gelangt. Der deutsche Theaterregisseur Roland Schwab übernahm die Regie, Omer Meir Wellber leitete das Bayerische Staatsorchester.
Die Handlung, die hierzulande wenigstens in groben Zügen aus dem Schulunterricht bekannt ist, ist in eine unbestimmte Moderne verlegt. In einem riesigen, dunklen Bühnenraum werden mit allen Theatereffekten die Handlungsorte Hölle, Osterfest (hier: Oktoberfest) und andere vergegenwärtigt. Das Überraschendste und Gewöhnungsbedürftige ist, dass der Schluss mit der Helena-Szene und Fausts Tod und Errettung in einem Altersheim spielt: Erlösung durch Vergessen in Demenz!
Erwin Schrott als Mefistofele. Copyright: Wilfried Hösl/Bayerische Staatsoper
Trotz dieses etwas desillusionierenden Endes ist die Inszenierung unterhaltsam und rasant, besonders wenn die beiden Hauptdarsteller in so einer phänomenalen Verfassung sind wie in dieser Vorstellung. Erwin Schrott als Mefistofele beherrschte das Geschehen zu jeder Zeit, auch wenn er gerade nicht im Zentrum stand. Er strahlte eine ungeheure Souveränität und Lockerheit aus bei gleichzeitiger Autorität, Eleganz und großem Machtbewusstsein. Auch stimmlich verstand er es jede Nuance seiner Partie auszudrücken und klang mal machtvoll auftrumpfend, mal verführerisch und einschmeichelnd. Optisch war er in seinem violetten Anzug mit offenem Hemd und Sonnenbrille ein äußerst charismatischer Verführer.Joseph Callejas künstlerische Leistung stand der von Erwin Schrott in nichts nach. Die Mühelosigkeit, mit der er die umfangreiche Partie des Faust singt, ist einzigartig. In allen Lagen ist Callejas Stimme raumfüllend, klangschön und weich fließend. In der Tiefe klingt sie wie Gold, in der Höhe verfügt sie über eine betörende Süße. Die Diminuendi und feinen Piani sind zu Recht weltberühmt, die Phrasierung exemplarisch. Erwin Schrott und Joseph Calleja machten diese Vorstellung zu einem überragenden Erlebnis einem Saisonhöhepunkt. Carmen Giannattasio ist die beste Margherita, die das Münchner Publikum bisher in dieser Produktion gehört hat. Ihr ausdrucksstarker Sopran verfügt sowohl über Flexibilität als auch Dramatik. Margheritas Sterbeszene gelang ihr emotional und ergreifend. Auch Cellia Costea konnte als Helena mit leuchtendem, frei strömenden Mezzosopran überzeugen. Die kleineren Solopartien waren mit Jana Kurucová als Marta, Rachael Wilson als Pantalis und Andrea Borghini als Wagner sehr gut besetzt. Wie auch schon in der Premiere 2015 leitete OmerMeir Wellber das Bayerische Staatsorchester. Die Musiker brachten unter seiner Leitung die verschiedenen Stimmungen und die breitgefächerte Dynamik bestens zum Ausdruck. Auch Chor und Kinderchor der Bayerischen Staatsoper (Einstudierung: Sören Eckhoff und Stellario Fagone) brachten eine beeindruckende Leistung.
Eine denkwürdige Aufführung, die von den anwesenden Opernliebhabern auch mit begeistertem Applaus und vielen Bravi gewürdigt wurde.
Gisela Schmöger