LOHENGRIN, Romantische Oper, 1850, Richard Wagner, Premiere 3. Dez. 2022, Bayerische Staatsoper, Stream,
Von TTT
Was soll man da befragen? Dresscode Turnen, Regenschutz – Langeweile im angeblich Posthumanen! Unausgegorene Szene in nebulösem Anspruch! Inszenierung kläglich, Regie defizitär!
Fotos der Münchner Produktion von Wilfried Hösl
(Inszenierung /Regie = dramaturgische Dichte/optische Bühnenwirksamkeit)
Es war einmal: Brabant, 10 Jhdt., Aue am Ufer der Schelde, unter einer Gerichtseiche: Die junge Elsa von Brabant wird von Friedrich von Telramund des Mordes an ihren Bruder Gottfried angeklagt.
Niemand wagt Elsa vor dem Gericht zu verteidigen; da naht der Gralsritter Lohengrin in einem von einem Schwan gezogenen Nachen.
Im Gotteskampf besiegt Lohengrin Telramund und erklärt Elsa für unschuldig.
Vor dem Palast der Brabanter: Lohengrin gesteht Elsa seine Liebe, doch falls ihr Bund Bestand haben soll, dürfe sie nie nach seinem Namen, seiner Herkunft oder seiner Art zu fragen.
Angestachelt von seiner Gattin Ortrud, schwört Graf Telramund Rache für die erlittene Schmach, er beabsichtigt, Lohengrin der Zauberei anzuklagen.
Ortrud schmeichelt sich bei Elsa ein und nährt in ihr in tückischer Absicht Zweifel an Lohengrins Reinheit.
Im Brautgemach („Hochzeitsmarsch„) gestehen sich Lohengrin und Elsa ihre Liebe.
Von schrecklichen Zweifeln erfasst, stellt Elsa die drei verbotenen Fragen; in dem Augenblick stürmt Telramund herein, Lohengrin tötet ihn.
Bei anbrechendem Tag verkündet Lohengrin vor König und Volk, dass er Gralsritter sei, vom Gral gesandt sei und Lohengrin heiße („Gralserzählung„).
Der Schwan naht, um Lohengrin zum Gral zurückzubringen, doch er verwandelt sich in Elsas Bruder Gottfried, den Ortrud einst verzaubert hatte; Elsa sinkt entseelt zu Boden, ihr Bruder Gottfried übernimmt die Herrschaft in Brabant. (Auszug H. Muslitz. WordPress)
Wagner lies sich überwiegend von Sagen der Brüder Grimm und „Über den Krieg von der Wartburg“ Prosa von C. T. Lucas, 1836 inspirieren. Basis ist die Nebenfigur Lohengrin in Wolfram von Eschenbachs Parzifal.
Und in diesen Tagen in München „forschte Kornél Mundruczó (Regisseur) dem ambivalenten Potential nach, das in dem Entwurf eines dem Normalen überlegenen, mit überirdischen Kräften versehenen Menschen liegt. Für ihn ist Lohengrin „die provokanteste inhumane Figur im gesamten Opernkosmos“. Die Handlung spielt in einer posthumanen Welt (s. untere Bildleiste), in der eine Gruppe von Überlebenden voller Angst und voller Fragen auf Erlösung hofft. Wird sie kommen?“ (Erläuterung Bay. Staatsoper).
Die posthumane Welt spiegelt sich in uniformen Turn- und Regendress Aller (es gibt keine Abstufungen im Kostüm z. B. König und niederes Volk) unserer Zeit und offensichtlich kompletter Zombifizierung des gesamten Chores u.a. in hilflosem stereotypen Manierismus s. u. (unnatürliche, bizarr anmutende, verschnörkelte, stereotype Bewegungsabläufe).
Zur nötigen, hier fehlenden Schlüssigkeit einer Inszenierung s. „ … aktuelle Bedeutung… durch szenische Ansprachen, Inszenierungen. Punkt A
https://onlinemerker.com/ttt-wertewandel-theaterreform-gilts-der-kunst-erneuerung-oder-restauration-teil-4-1/
Kann man einen romantischen Mythos, Mysterium und Geheimnis nicht auch romantischen Mythos, Mysterium und Geheimnis bleiben lassen? – Es gab mal ein Musiktheater der Affekte und Assoziationen (Eisenstein) s. o. Punkt A
„… so klug im Programmheft ausführt, gar nicht zu sehen. … alles ungenau und vor allem undeutlich in der Personenführung (Kritik Kornél Mundruczó, Tannhäuser Hamburg 4/2022). Stimmt immer noch! Und der Schwan fehlte auch!
Die Inszenierung ist für Singende äußerst freundlich. Komplexe Bühnenbilderfahrungen im Musiktheater schufen durchgehend schmale Aktionsräume durch zugebaute Bühne.
Damit kompensiert der Regisseur fehlendes Vermögen großen Chor (Lohengrin ist große Choroper) auf der Bühne bewegen zu müssen.
Auch die Aktionen der Solisten beschränken sich auf wenige Meter jenseits der Rampe. Das ist altbackenes reines Rampentheater/Rampensingerei.
Manierismus in Stichworten: im ersten Akt sitzen oder stehen alle auf 2 Hügeln unter Bäumchen und entwickeln stereotype muntere Bewegungsregie in linkischer Armnutzung. Auf und nieder und dann die Arme und Hände zum Spiele, Statuarisches von Allen alla Marionettentheater – wüste Fingerzeige,weiter alle unisono Hand über den Augen (so hat Columbus mal Amerika entdeckt), „Nie sollst Du mich befragen“ ja was denn: beide Hände aller vor den Mund (Nationalmannschaft lässt grüßen), wenn Lohengrin und Telramund kämpfen (neues Weltkulturerbe: feuerspeiende Handkreissägen) wird das Sweatshirt ausgezogen, ein rotes T-Shirt ist nun da – ja rot ist die Farbe der Gefahr – das darf man nun erfahren und um der Gefahr zu begegnen, wedeln alle mit dem Sweat-Shirt.
In den folgenden Akten ist die Hand dann auch mal vor der Stirn, wird der Arm immer mal munter nach oben gestreckt usw. Das ist also innovative Arm-/Handregie unter Statuarik der Restkörper von Protagonisten. Da ist noch keiner drauf gekommen, in dieser Prägung eine vielstündige Personenregie einzurichten.
Das ist halt der gute Mix, der die Erfolgsspur der Bayerischen Staatsoper in Richtung der Fußball – Nationalmannschaft rückt.
Keine Ausbildung im Musiktheater, wenig Erfahrung im Musiktheater: in 19 Jahren seit 2003 fünf Opern (Wikip. behauptet 4) inszeniert, außer ggf. Hamburg nur an nachrangigen Orten (Honorare hier im unteren 4stelligen Bereich) = gerade gut genug für die Bayerische Staatsoper? Und hier sind die Honorare 6stellig, wer da wohl alles abgreift? Kick back ist in der Industrie gängig (hab auch partizipiert), im Fußball exzessiv, im Theater …?
Beim Theaterzauber der Bayer. Staatsoper entgeht mir so manches. Warum wird Lohengrin nicht vom außerordentlichen GMD Vladimir Jurowski geleitet, sondern vom durchschnittlichen François-Xavier Roth?
Und der vom Intendanten offensichtlich präferierte 1. Gastdirigent Daniele Rustioni wurde zum weltbesten Dirigenten laut „International Opera Awards“ ausgezeichnet, habe ich in diversen Dirigaten bei ihm gar nicht entdeckt.
Orchester und das Dirigat von François-Xavier Roth: außer das z. B. das Blech, aber auch Weiteres immer mal unsauber war, ist der Eindruck zu Tempo und Agogik, Dezibel und Dynamik unärgerlich, verträglich, unauffällig, wenig akzentuiert. Es wird bedient, nicht gestaltet! Begründung s. z. B. TTT’s Kerngedanken zur Musik
https://onlinemerker.com/ttts-kerngedanken-zur-musik-ist-dynamik-einzig-lautstaerke-alias-schalldruck/
Thema wäre auch die fehlende Entdeckung Wagners „Klangfarbenmusik“. Sprengt diesen Rahmen – kann man googeln. Friedrich Nitsche: Musik ist blau, von opiatischer, narkotischer Wirkung – in München nicht.
Kritik zu F.X.Roth, Berliner Philharmoniker 2019: „Feuer bieten die Philharmoniker unter Roth nun tatsächlich, allerdings verbrennen sie sich, um im Bild zu bleiben, daran auch zügig die Finger. Weil Roth zwar zündelt (also Tempo schafft), aber dann eben doch nicht genau genug führt, sodass aus dem ersten Satz unversehens immer wieder die Asche eines wenig durchhörbaren Klanges quillt“. Stimmt auch im Dez. 2022!
Erfreulich wird, wie so oft, gesungen. Phänomene sind Klaus Florian Vogt (Lohengrin) und Johanni von Oostrum (Elsa).
K. F. Vogts Lohengrin begeistert gefühlt seit Jahrzehnten. Ein „weißer Tenor“, ein solcher Lohengrin macht Staunen, da er hörbar unverbraucht eine zarte und doch heldische, aber auch lyrische Stimme durch alle Register schweben lässt – ich kenne nichts Vergleichbares und bin begeistert von einem Ausnahmekünstler.
Im ersten Akt noch nicht im Zenit, war Johanni von Oostrum dann auch etwas ganz Besonderes. Die Synthese aus sensibler Darstellung und Weltklasse – Gesang macht einfach gute Gefühle. Diese sensible Frau verinnerlicht ihre Darstellung der Elsa zum ganzheitlich perfekten Ausdruck in Gesang und Darstellung.
Für diese Künstler versenkt sich dankbares Publikum im auditiven und visuellen Genuss (hübsche Menschen sind es auch).
Auch die restlichen Solisten reüssieren in der Weltklasse. Allerdings habe ich alle bisher erstklassiger gehört, diesmal schränke ich ein.
Die großartige Anja Kampe läßt als Ortud ihren dramatischen Aplomb aufsteigen – steigt gar nicht mehr ab. Bei großer Textverständlichkeit Aller, bleiben bei ihr doch immer mal Vokalverfärbungen einschränkend.
Mika Kares, Johan Reuter, Andre Schuen sind großartige Sänger. Ich erlebe aber tatsächlich etwas Einschränkendes. War es Tagesform, individuelle Partiefragen, die musikalischen Bedingungen? Gesang ist etwas hochsensibles – mglw. hat etwas nicht gestimmt. Bei diesen tiefen Männerstimmen waren die Registerwechsel nicht völlig frei. Da wurde es mal noch oben eng, wurde nach unten gedrückt. Sämtliche Mittellagen sind berückend und sonst hab ich mich mglw. verhört.
Tim Theo Tinn 4.12.2022
TTT ‘s Musiktheaterverständnis vermeidet Reduktion auf heutige Konsens – Realitäten, Trash-Welten, Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände von Ort, Zeit und Handlung. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind. Menschenbilder sind im psychosozialen Sein zu belassen. Musikalisch determinierte Charaktere sind irreversibel.
Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung Feinstoffliches aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem. Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem.. TTT kann man engagieren.