Erwin Schrott, Brian Hymel (in der Premiere). Copyright: Bayerische Staatsoper/ Wilfried Hösl
München: Bayerische Staatsoper: „LES VÊPRES SICILIENNES“, 15.03.2018:
Mit Giuseppe Verdis Grand Opéra „Les Vêpres Siciliennes“ hatte am 11.03. erneut ein Stück an der Bayerischen Staatsoper Premiere, das in München seit langer Zeit nicht mehr gespielt worden war. Nach der letzten Produktion 1969 in der italienischen Fassung kam nun das französische Original zur Aufführung. Für die Regie zeichnet Antú Romero Nunes verantwortlich, der in München vor einigen Jahren bereits Rossinis „Guillaume Tell“ inszeniert hat. Diese Arbeit war nicht bei allen Teilen des Publikums gut angekommen, und so mochte mancher Opernfreund jetzt mit etwas gemischten Gefühlen in die Vorstellung von „Les Vêpres Siciliennes“ gegangen sein – und diese mit ebensolchen wieder verlassen haben. Das Augenmerk von Antú Romero Nunes und seinem Team (Bühne: Matthias Koch, Kostüme: Victoria Behr) lag in erster Linie darauf, eine düstere, hoffnungslose, vom Tod gekennzeichnete Atmosphäre zu schaffen. Dazu wird der schwarze Bühnenraum meist entweder leer gelassen, oder im Hintergrund hängt in verschiedenen Konstellationen eine riesige schwarze Plastikplane. Die Sizilianer haben als Zeichen der lähmenden Wirkung von Besatzung und Unterdrückung Totenkopfmasken auf, die Franzosen sind als traurige Clowns geschminkt. Der Chor bewegt sich oft in Zeitlupentempo oder steht apathisch matt auf der Bühne.
Dieser lähmenden, düsteren Gesamtatmosphäre hat Nunes jedoch die Darstellung der eigentlichen Handlung und die individuelle Charakterisierung der Hauptfiguren geopfert. Die Personenregie ist sehr dürftig, viele für das Verständnis des Dramas wichtige Aktionen finden eher beiläufig am Bühnenrand statt. Die Mimik der Hauptfiguren ist durch die stark geschminkten Gesichter eingeschränkt, so dass sie ihre Emotionen nicht gut ausdrücken können. So entstünde schon nach kurzer Zeit große Langeweile, wären da nicht hervorragende Sänger, die dem Publikum durch ihre musikalische Gestaltungskraft alle Emotionen ihrer Partien nahe bringen konnten. Allen voran Erwin Schrott als fanatischer Aufrührer Procida, der das sizilianische Volk und sich selbst um jeden Preis von der Fremdherrschaft befreien will. Vor allem in seiner großen Arie im zweiten Akt „E toi Palerme“ konnte Schrott dem Publikum mit differenziertem und nuancenreichem Gesang die ganze Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit Procidas nahe bringen. Seine warme, volltönende Stimme klang im Mitleid für die geschundene Heimat und deren Bewohner verinnerlicht und liebevoll, beim Aufruf zum Widerstand und im Hass gegen die Besatzer auftrumpfend, mächtig und bezwingend. Außerdem faszinierte Erwin Schrott durch seine große, natürliche Bühnenpräsenz, auch wenn er sein ganzes schauspielerisches Potential aus den oben genannten Gründen und wegen eines statischen, eine ausdrucksvolle Körpersprache unmöglich machenden Kostüms nicht voll ausschöpfen konnte.
George Petean zeichnete ebenfalls ein packendes musikalisches Rollenportrait des grausamen Gouverneurs Guy de Montfort, der sich bei aller nach außen dargestellter emotionalen Kälte nach der Liebe seines Sohnes Henri sehnt. Mit seinem klaren, kraftvollen, beweglichen Bariton konnte er ebenfalls alle Facetten seiner Partie musikalisch zum Ausdruck bringen und schaffte es in seiner großen Szene zu Beginn des dritten Aktes, für diesen eigentlich so machtbesessenen, kalten Menschen, Sympathien im Publikum zu wecken.
Rachel Willis-Sørensen.
In der Rolle der Herzogin Hélène gab die junge Sopranistin Rachel Willis-Sørensen ihr Hausdebut an der Bayerischen Staatsoper. Nach etwas verhaltenem Beginn beeindruckte sie die Zuschauer mit ihrem hellen und agilen Sopran, der den unterschiedlichen Anforderungen der anspruchsvollen Partie mühelos gerecht wurde. Auch verfügt Rachel Willis-Sørensen über eine starke Persönlichkeit, so dass ihre Bühnenfigur Energie und Entschlossenheit ausstrahlte.
Bryan Hymel, der eigentlich für die Partie des Henri vorgesehen war, konnte krankheitsbedingt schon die Premiere nicht zu Ende singen, und musste auch die zweite Vorstellung absagen. Für ihn sprang der italienische Tenor Leonardo Caimi ein. Sein eigentlich klangschöner, heller, heldischer, in der Höhe manchmal etwas glanzlose Tenor ist für das Münchner Nationaltheater etwas zu klein, so dass er letztlich nicht voll überzeugen konnte, obwohl ihm als Einspringer und damit Retter der Vorstellung natürlich großer Respekt gebührt.
Für Omer Meir Wellber war „Les Vêpres Siciliennes“ bereits die dritte Neuproduktion innerhalb weniger Jahre an der Bayerischen Staatsoper. Er dirigierte das Werk ohne viel Pathos schlank und puristisch. Dies verhinderte zwar einerseits das Abgleiten ins Sentimentale, war andererseits aber auch nicht dazu geeignet, dem Geschehen auf der Bühne mehr emotionale Kraft zu verleihen.
Aufgrund der zum großen Teil hervorragenden Sängerleistungen war es ein lohnender Abend, auch wenn die Inszenierung das Publikum nicht faszinieren konnte. Es ist schon bezeichnend, wenn der stärkste Moment der Regie das Techno-Ballett ist, das anstelle des originalen Balletts zwischen viertem und fünften Akt von der Tanzgruppe Sol Dance Company (Choreographie: Dustin Klein) vorgeführt wurde, also etwas, das eigentlich gar nicht zum Stück gehört. Das Publikum schien am Ende auch etwas ermattet und spendete zwar heftigen, aber nur sehr kurzen Applaus, wodurch die Sängerleistungen nicht ausreichend gewürdigt wurden.
Gisela Schmöger