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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: “Fester Samstag I” – Jedermann-Abend

07.06.2020 | Allgemein, Oper

München: “Fester Samstag I” – Bayerische Staatsoper 06.06.2020 – Jedermann-Abend


Jedermanns Kiste – Blick vom improvisierten Zuschauerraum auf der Bühne in den eigentlichen Zuschauerraum © Susanne Kittel-May

Nach 13 Wochen minus einem Tag heute endlich wieder im Nationaltheater. „Fester Samstag I“ heißt das Programm, eines der Angebote, mit denen die bayerische Staatsoper sich an den Spielbetrieb herantasten will. 50 Personen sind zugelassen; sie werden einzeln in Empfang genommen, müssen die Hände desinfizieren, werden auf einer Liste abgehakt und dann vorbei an den ausgebauten Sitzen der ersten Reihen – Renovierungsarbeiten, erfährt man von einem der vielen Ordner – durch einen verwinkelten Gang auf die Bühne geleitet. Die 50 Stühle, die dort stehen, jeder exakt einen Meter fünfzig von nächsten entfernt, wirken verloren auf der riesigen Bühnenfläche. Man sitzt mit dem Blick zum leeren, noch abgedunkelten Zuschauerraum, der zum Hintergrund für eine kleine Bühne wird, die auf der großen Bühne aufgebaut ist Hier wird später der Hausherr Nikolaus Bachler aus Philipp Roths „Jedermann“ lesen und der Bariton Michael Nagy die „Sechs Monologe aus Jedermann“ von Frank Martin singen. Das Gespenstische an dieser Situation ist nicht die Leere des Zuschauerraums, sondern vielmehr die Lautlosigkeit, mit der sich der improvisierte Zuschauerraum füllt. Das erwartungsvolle Brummen und Summen der Stimmen, die sonst immer das Haus vor dem Beginn einer Aufführung füllen, fehlen heute. Es ist auch schwer mit dem Nachbarn zu tuscheln, wenn der so weit entfernt sitzt. So wartet man also still und geduldig, bis der letzte Besucher auf seinen Platz geleitet wurde.

Dann endlich beginnt die Vorstellung. Zunächst liest Nikolaus Bachler zwei kurze Passagen aus „Jedermann“ von Philip Roth. Danach gibt es eine überraschenderweise szenische Aufführung – ich hatte mit Liederabend-Ambiente gerechnet – der Jedermann-Monologe. Michael Nagy singt und spielt sehr eindrücklich die Wandlung des Jedermann: donnernde Opernstimme, wenn er versucht, sich dem Schicksal entgegenzuwerfen, fahle Töne, wenn er das „Grausen vor dem Tod“ besingt, am Ende dann feierliche Zuversicht. Den Klavierpart gestaltet Sophie Raynaud expressiv mit all seiner plakativen Grellheit und Kantigkeit.

Die sehr gelungene szenische Einrichtung stammt von Andreas Weirich. Wenige Requisiten, aber das ganze Haus spielt mit, inklusive Seiten und Hinterbühne.

Ein intensiver, aber kurzer Abend, nach einer Dreiviertelstunde war alles vorbei. Beim Applaus merkt man, dass sich die Künstler in diese Abstandhalten-Situation noch einfinden müssen. Sie wollen sich an den Händen fassen, was sie nicht dürfen. So machen sie stattdessen ein paar ungelenke Gesten und verbeugen sich einzeln. Der Applaus klingt dünn in dem riesigen Raum.

Susanne Kittel-May

 

 

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