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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: DIE NASE. Erbaulich oder postfaktisches Hansi–Bubi-Theater?

Einlassung von Tim Theo Tinn: 

Erbaulich oder postfaktisches Hansi–Bubi-Theater?                                                            

Ein antiquiertes Wort reflektiert „Die Nase“ an der  Bayr. Staatsoper nicht!

 „Hansi–Bubi“ entstammt der Sittich-Zucht, für schlichte „einfach gestrickte“ Vögel, im Gegensatz zu Schön-Sittichen, die komplexen Kriterien genügen.

 TTT – Schriften zum Musiktheater sind Perspektiven eines qualifizierten Publikums. Ausbildung, über Jahrzehnte Festengagements Regie, Dramaturgie sowie in freier Wirtschaft, Gesangs-, Schauspielausbildung belegen differenzierte Kriterien, bleiben immer mal subjektiv degoutierend oder bejubelnd, sind  i. d. R. faktisch begründet.

Irritierend wurde in einem Forum Opernbesuch mit traumatischen Kriegserlebnissen (lebendig begrabener Mensch) assoziiert. Welches Motiv führt „Normalos“ jenseits solcher Therapienöte ins Theater?

Zunächst ist es Unterhaltung in Erwartung wesentlicher dramatischer auditiv/ visueller Inhalte. In Abgrenzung zu allen anderen Medien muss sich Theater aus Existenznot/-zwang vom seichten schlichten Milieu absentieren. 

Es gibt einem zentralen, allerdings verstaubten anachronistischen Begriff, dessen metaphorischer Sinn mit der Zeit verblasste, vergessen ist.

Singulärer Begriff bündelt Synonyme, Bedeutungen im übertragenen Sinn:

 positiver Einfluss auf das Gemüt/ Andacht/ Versunkenheit/ Freude/ in eine besinnliche Stimmung versetzend/ Ergriffenheit/ Erneuerung/ im Gedenken/ Inbrunst/ Stützung/ Unterhaltung/ Zuwendung/ Zerstreuung/ Besinnung/ sich innerlich erheben lassend/ in eine gute Stimmungslage versetzend/ spirituelle Gedanken weckend/ zufrieden stellend/ befriedigend/ anregend/  Ideen erweckend/ inspirierend/ beglückend/ beseligend/ erfreuend/ erheiternd/ zufrieden stellend/ amüsierend/ aufheiternd/ auf die Beine bringend/ aufmunternd/ belustigend/ Freude machend + spendend/ stärkend/ tröstend/ anregend/ fesselnd/ erregend/ begeisternd/ hinreißend/ mitreißend/ entzückend/ beflügelnd/ befeuernd/ entflammend/ ergötzend usw.

 ERBAUUNG gilt heute als veraltet, überholt, altmodisch, vereinnahmt aber genannte „Vielfarbigkeit“ in der Spiegelung theatralen Erlebens.

 Die Suche nach solcher Erbauung führt viele Menschen. Deren Berücksichtigung dürfte Schlüssel zur Existenz von Theater, größerer Akzeptanz und Öffnung zu allen  Bevölkerungsschichten sein! Warum ständig „nötige“(?) junge Altersstruktur beschworen, z. B. weniger etablierte soziale Struktur ignoriert wird, verwundert.

Bestes Rezept um Interesse zu wecken ist übrigens Qualität ohne jedes Gefasel, in  breitem  hochwertigen Publikumsverständnis, nicht in engen Sichtungen weniger Exegeten (von Verantwortlichen begrüßte Publikum–Buhs ekeln).

 Selbst Zadek sprach vom nötigen „Schuss Entertainment“, Peymann vom Boutiquen -, Design-Theater! Brecht:   falsche Arrangements unter Vernachlässigung der Geschichte …  Stimmungen, welche die Vorgänge oberflächlich, falsch erklären, …  Spannungen, die nicht diejenigen der Geschichte sind (Dramaturgische Schriften 5).

Die Sicht auf gediegene theatrale Erbauung nach TTT wurde im Online-Merker bisher in 6 Dramaturgischen Schriften und bald im 11. Plädoyer für surreale Werkimmanenz ausgebreitet. Literatur-Empfehlungen der letzten Tage, vom Herausgeber sämtlich veröffentlicht, fließen als Teil der Recherche ein.

Im Internet wird der Begriff kaum erläutert:

„Prägend wurde der durch Spencer und Francke verfochtene Erbauungsbegriff: ein moralischer Wert und ein ästhetisches Gefühl. Konsequent beschrieb die Aufklärung erbauen als das (sein) Gemüt erheben, fromme Gedanken wecken (fassen) und zum Guten aufmuntern (ermuntert und gestärkt werden). (Campe, Wörterbuch der deutschen Sprache)“

 „… wenn man eine diesem Ausdruck angemessene Bedeutung sucht, so ist sie wohl nicht anders anzugeben, als dass darunter die moralische Folge aus der Andacht auf das Subject verstanden werde.“ (Kant 1724/1804)                                                                                 

Den deutlichsten Kontext Erbauung : Theater, sowie dessen Wirken liefert D. Glöckner zu Kierkegaards (1813/55) „Studien zur Verbindlichkeit menschlichen Sagens“ „… in den germanischen Sprachen ist die Wurzel von „bauen“ verwandt mit „bin“ als der 1. Person Singular von „sein“. … stehen sowohl das Bauen, Erbauen, Sein in einem wesensmäßigen Zusammenhang, … Bedeutung von „erbauen“ sowohl in unmittelbarem wie übertragenem Sinn …  von „sein“  (Existenz) thematisiert. … signalisiert enge Verbindung von Sprach- und Existenzverständnis, … manifestiert in einem unmittelbaren Sinn das menschliche Sein in produktivem Tun, im Aufbau des eigenen Lebenswerkes, … sozialer Beziehungen. Vermittelt durch den Geist wird dieses unmittelbare Verständnis des Seins dann umgekehrt als ein Wirken von Grund auf reflektiert.“

Max Planck (1858/1947 – Vater der Quantentheorien): „ ….  ist alles in unserer Welt, ist unsere Welt, … alles was wir erschaffen, lieben, hassen und erfahren, … wie Künstler, die ihre innersten Leidenschaften, Ängste, Träume und Sehnsüchte auf einer geheimnisvollen Quantenleinwand … wir sind die Leinwand und die Bilder,  wir sind Farbe und Pinsel! … sind das Gefäß, in dem alles existiert, das Bindeglied zwischen unseren inneren und äußeren Welten!“

Bewertet man die aktuelle Inszenierung „Die Nase“ an der Bayr. Staatsoper (Stream) gem. gediegener Bedeutung zum humanen Sein und unmittelbarem Verständnis eines Wirkens von Grund auf (also mit der Frage nach kreatürlich Erbaulichem, sinnlichem Erleben) s. o., bleibt wenig Substanz aber öde Trivialität in überlebter Konfektion/Konvention ca. 40jähriger „Regietheatertraditionen“. Erbaut mit Bezug auf vertiefenden Sinn menschlichen Seins wurde wenig. Das Bühnengeschehen irrlichtert irritierend, ignoriert irrationale ideale Ideen der Vorlage.

Komponiert wurde eine Allegorie über Identität und Anpassung als Fabel, in der gesellschaftliche Reputation durch angepasstes Sein die Harmonie in einer Gesellschaft bestimmt (altes Sozial-Theorem: Anpassung bedeutet Gratifikationsoptimierung!).

„Ein Mann von Reputation wacht eines Morgens auf und bemerkt: Die Nase ist weg. Sie taucht in gebackenem Brot auf, spaziert überlebensgroß durch die Straßen und Parks von Petersburg, verursacht Menschenaufläufe und wird schließlich so lange geprügelt, bis sie wieder so klein ist wie zuvor. Aber der Versuch sie wieder an Ort und Stelle zu befestigen, scheitert. Irgendwann ist sie aber wieder da und der Herr  kann als Mitglied der anständigen Gesellschaft sein kleines Leben weiterleben.“ (/www.universaledition.com/)

Da verselbstständigt sich also ein Individuum, verlässt Konformität, entfaltet sich und wird retour zu „Normalität“, Normen und Gleichmacherei gebracht.

Es gibt keinen autokratischen Terror, kein totalitäres System, kein Nasenabschneiden! Die anonyme Gesellschaft aller Nasenträger schafft die Zwänge, als Perpetuum Mobile revolvierend seine eigene Konsens – Realität! Das sind wir alle, das ist (noch?) ein Spiegel der Menschheit (s. Spiegel-Neuronen).

Oder? Da gibt es auf der Bühne der Bay. Staatsoper das Gewirke einer staatseigenen aggressiven Exekutive, gemäß Uniformaufdruck deutsche Polizei, nach Uniformschnitt US – Schergen, die aber erstaunlicherweise in Petersburg als wild gewordener Haufen beliebigen Leuten Nasen und sonstige Extremitäten  abschneiden.

Alle (bis auf einen, dem laut Text als einzigem die Nase abhanden gekommen sein soll. Der trägt das Riechorgan prominent und dominant mitten im Gesicht. Oh Zauber postfaktischen Gedankenguts!) tragen undefinierbare Gesichtsbeschädigungen (tatsächlich miserable Masken), vielfaches Gebaumel im Gesicht, das sich nicht eindeutig als Pimmelchen, Wurmfortsätze oder auch Vielnasigkeit darstellt.

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 Viel Gebaumel im Gesicht –  Foto: Staatsoper/Winfried Hösl

Was will uns hier eine künstlerische Institution sagen? = Aufpassen, wir schneiden alle Pimmelchen ab? Wir sind nämlich ein totalitäres Regime? – oder so???  Wäre schade, man nutzt den so gern – soll das Eintrübung, eine universale  Daseinsbeeinträchtigung ausdrücken?

Ganz erstaunlich wird dieses alberne Gewirke von weiten Teilen der Rezensionäre*innen ernsthaft als Anklage gegen totalitäres Gehabe im Putin-Land, als Regime-Kritik hochlobend ausformuliert, gem. Verbalem bzw. affektiver Laune des Inszenators Kirill Serebennikow, nicht aus Erkenntnissen der Bühnenwirklichkeit mit unschlüssiger szenischer Drollerie, sondern aus werblich Verbalem, um geneigten „Vehrungsmicheln“ Aussagen zu suggerieren – sehen kann man diese postfaktischen Deutungen nicht.

Postfaktisch ist ein Kunstwort, orientiert am englischen Begriff Post Truth, übersetzt  ungefähr „Jenseits der Wahrheit oder veraltete, überlebte Wahrheiten“. 

Gemäß gestriger Literaturempfehlung „ Musiktheater in der Krise“   https://d-nb.info/102046688X/34  (intellektuell desolate Umstände, tiefe kulturpolitische Degeneration, Verantwortungslosigkeit, Dekonstruktionsprozess) macht sich also auch das Feuilleton schuldig. Aufgewecktem Publikum entgehen Diskrepanzen postfaktischer Rezensionen zu eigenem Erleben auf Dauer nicht.

Die Aufführung ist mehrgründig postfaktisch. Der Rahmen einer ca. 40 jährigen „Regietheater“ – Tradition entspricht nicht der behaupteten Modernität, ebenso wenig die Titulierung des Regisseurs als verfolgtem Regimekritiker (s. https://onlinemerker.com/fakten-zum-regisseur-kirill-serebrennikow-vom-april-2021-auszug-aus-plaedoyer-zur-kraft-werkimmanenter-surrealer-inszenierungen-teil-9/ )

So sind auch Ausstattung, Kostüme und Masken zu werten!

Die behaupteten heutigen Wirklichkeiten in Russland sind infantile naive Gewaltphantasien, überholte historische Klischees, kein Realismus s. „Demokratie vs. Diktatur – Comeback der Autokraten“
https://www.cicero.de/aussenpolitik/comeback-der-autokraten/51314 )

Will man dem „beißenden“ heutigen Autokratismus von z. B. Putin auf die Spur kommen, muss man sich an aktuelle Wirklichkeiten z. B. gem. Bericht halten. Nase abschneiden veralbert. Unwahre Klischees führen Uninformierte mglw. in die Irre (s. Realitätsbetrachtung in diversen Rezensionen – die nehmen Naseabschneiden „für bare Münze“!)

Schade, dass eine Erstaufführung in München postfaktisch aufbereitet wird. Bei erster Begegnung wäre eine annähernde Werkimmanenz erfreulich. Deshalb hier: https://wiki.edu.vn/wiki3/2020/11/27/die-nase-oper-wikipedia/

So gründet der neue Intendant Serge Dorny also postfaktisches Theater, wozu auch die Sicht auf weitere Neuinszenierungen Anlass gibt. Ein Höhepunkt steht sicher mit einer Operetteninszenierung durch Christoph Marthaler an. Versteht S. Dorny so Anpassung am Zeitgeist gegenwärtiger Theaterkultur oder zukunftsweisende Doktrin?

Wie so oft entstehen Fragezeichen, nichts Erbauliches, schon gar keine Meta – Erbauung! Kunst?– aber auch keine Rätsel, die könnte man beantworten!

Jede unangenehme Wahrheit braucht jemanden der sie ausspricht!

Die neue Pressearbeit der Bay. Staatsoper trägt beabsichtigte Früchte durch handverlesene Auswahl von Rezensenten!

 

Mail am 29.9.21, 15 Uhr an den online-Merker

„Serge Dorny, Staatsintendant der Bayerischen Staatsoper, freut sich, Sie zur ersten Opernpremiere der neuen Spielzeit 2021/22 einladen zu dürfen.
 Sollten Sie an der Premiere selbst verhindert sein, freuen wir uns über Ihre Anfrage für eine Pressekarte zu einer der Folgevorstellungen …“

Antwort um 17.40 Uhr:

Sehr geehrter Herr Tinn,

vielen Dank für Ihr Interesse an der Premiere von DIE NASE.

Unser Kontingent für Medienvertreter:innen ist leider begrenzt.

Wir nehmen Sie sehr gerne auf die Warteliste und melden uns wieder bei Ihnen,

wenn wir Ihnen eine Pressekarte zur Verfügung stellen können.

 Liebe Grüße aus der Bayerischen Staatsoper,

Michael Wuerges

Obwohl keine Vorstellung ausverkauft ist, ignoriert man mich weiterhin. Ich bin bekannt nicht postfaktisch zu schreiben, habe durchaus in letzter Zeit mindestens 10 recht positive Eindrücke  zu Vorstellungen der Bay. Staatsoper verfasst. Z. B. Wozzeck – exemplarische Inszenierung  https://onlinemerker.com/muenchen-bayerische-staatsoper-wozzeck-exemplarische-inszenierung-an-der-bayerischen-staatsoper/

Damit wird übrigens das deutsche Presserecht ignoriert. Als Inhaber eines Presseausweises bin ich als Pressevertreter nach § 4 LPG legitimiert. Die Bayr. Staatsoper ist rechtlich als öffentlich rechtliche Körperschaft ausgewiesen, unterliegt der rechtlichen (im Grundgesetz fußend) Pflicht „der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte“ zu geben, und zwar gem. LPG § 4.3 in Gleichbehandlung aller Presse- und Medienunternehmen.

Zu überlegen ist, ob mit gerichtlicher Untersuchung oder dem zuständigen Minister Übereinkunft gefunden werden sollte. Die Situation erscheint rechtswidrig.

Wesentlich ist auch zu hinterfragen, ob der Gegenstand einer Arbeitsleistung (Rezension) von mind. 3 bis 8 Stunden erkauft werden soll oder die klare Absicht akzeptiert werden soll, nur geneigte Pressestimmen auszuwählen.

An dieser Stelle wäre normalerweise noch detailliert auf die ausgezeichnete Leistung des GMD Vladimir Jurowski als Dirigent und viele gute Sänger einzugehen, aufgrund der mir auferlegten Unfreundlichkeiten wird das verhindert.

Ich bleibe durchaus bei meiner Stream – Empfehlung aufgrund des guten musikalischen Rahmens. Die gesamte Realisierung bleibt ein Klotz für innovative Musik – Theater – Kultur.

Tim Theo Tinn, 30. Okt. 2021

TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt keine Reduktion auf heutige Konsens – Realitäten, Yellow -Press (Revolverpresse) – Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zuzulassen. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind.

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT kann man engagieren.

 

 

 

 

 

 

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