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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: „DER ROSENKAVALIER“, Premiere der Neuinszenierung von Barrie Kosky (Stream)

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Marlies Petersen, Galeano Salas. Copyright: Wilfried Hösl/ Bayerische Staatsoper

München: Bayerische Staatsoper: „DER ROSENKAVALIER“, Premiere der Neuinszenierung von Barrie Kosky, 21.03.21:

Eine Neuinszenierung von Richard Strauss‘ „Rosenkavalier“ in München nach nahezu 50 Jahren der beliebten und weithin bekannten Otto-Schenk-Produktion – für die hiesigen Opernliebhaber eigentlich eine Sensation. Wie schade, dass die Premiere aufgrund der andauernden Corona-Pandemie nur im Fernsehen oder im Internet zu verfolgen war. Was für ein spannender Opernabend wäre es geworden, wenn man wirklich hätte ins Theater gehen, die ganze Atmosphäre auf sich wirken lassen und sich mit Gleichgesinnten vor Ort austauschen können. Aber es ist, wie es ist. Immerhin musste die Premiere nicht ganz abgesagt werden, sondern konnte live ausgestrahlt werden. Im Vorfeld hatte Regisseur Barrie Kosky in zahlreichen Interviews und in der online übertragenen Einführungsmatinee davon gesprochen, eine zeitgemäße Neuinterpretation des Stücks zeigen zu wollen, die die komödiantischen Elemente und die dem Stück immanente Leichtigkeit betonen würde. Die der Handlung ebenfalls innewohnende Melancholie solle lediglich – wie ein Schatten die Sonne –  das Leben der handelnden Personen, insbesondere der Marschallin, nur kurz verdunkeln. Tatsächlich sah der Zuschauer aber weniger eine Neuinterpretation als eine reine Neubebilderung des Stückes: Keine Rokoko-Bühnenbilder und –kostüme mehr, stattdessen ein eher dezentes Bühnenbild und elegante, oft im Stil der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts gehaltene Kostüme (Bühne: Rufus Didwiszus, Kostüme: Victoria Behr). Der erste Akt war in einem Phantasieraum mit großen, dunklen Pflanzen und einer großen Wanduhr angelegt, im zweiten Akt wähnte man sich in einem Museum. Ziemlich im Dunkeln sah man eine Unmenge von Ölgemälden an der Wand hängen. Opulente Hingucker waren der Sänger (Galeano Salas) mit einigen Begleitern in Kostümen im Stile Farinellis und die silberne, der Hochzeitskutsche Ludwigs II. nachempfundene Kutsche, aus der Octavian zur Rosenüberreichung stieg. Bei der Charakterisierung der Hauptfiguren, sah man mit einer Ausnahme jedoch nicht wirklich etwas Neues. Die Marschallin war eine selbstbewusste, attraktive, lebensfrohe Frau, die die Affäre mit Oktavian genießt, aber gleichzeitig weiß, dass sie ihn nicht für immer an sich binden kann. Marlies Petersen verlieh der Figur Gefühlstiefe, Klugheit und Lebensweisheit, gleichzeitig aber auch Verliebtheit, Witz und Temperament. Sie sang die Partie sehr souverän mit ihrem sehr hell und frisch klingenden Sopran. Eine Nuance mehr Pathos und Tiefgründigkeit hätte dem Beginn des Schlussterzetts aus meiner Sicht gut getan. Katharina Konradi gab als Sophie ihr Rollen- und Hausdebut an der Bayerischen Staatsoper. Sie meisterte die Partie problemlos und überzeugte durch ihre jugendliche Frische sowie ihre angenehm klingende, elegant geführte Stimme. Von der in der Vorberichterstattung auf Arte angekündigten neuen Interpretation einer gewitzten, emanzipierten jungen Frau, die weiß, wie sie ihre Ziele erreicht, war allerdings nicht viel zu sehen. Aber das war vielleicht auch nicht so verkehrt. Für Ensemblemitglied Samantha Hankey war der Octavian ebenfalls ein Rollendebut. Sie spielte als Octavian einen temperament- und liebevollen jungen Mann, und war als Mariandl eine sehr verführerische Frau, die den Baron Ochs mit Leichtigkeit um den Finger wickelte. Hankey sang ihre Partie ebenfalls tadellos mit ihrem eher hell gefärbten Mezzosopran. Dass alle drei Sängerinnen der weiblichen Hauptpartien über eher helle und leichte Stimmen verfügen und sich somit nicht wirklich stark voneinander unterschieden, war für mich ein kleines Manko. Sehr seltsam war die Auffassung Barrie Koskys und Christof Fischessers von der Partie des Ochs. Kosky wollte ihn wohl als eigentlich netten und umgänglichen Zeitgenossen darstellen, der aus Ungeschicklichkeit von einem Fettnäpfchen ins andere tappt. Diese Auffassung verfehlt aus meiner Sicht den Kern des Charakters völlig und macht die Handlung nicht wirklich verständlicher. Warum sollte sich Sophie so sehr gegen die Heirat mit einem netten, gut aussehenden und auch nicht wirklich alten Mannes wehren? Gerade die Tatsache, dass Ochs eben der „aufgeblasene, schlechte Kerl“ ist, als den ihn die Marschallin bezeichnet, ist doch eigentlich die Triebfeder für die Entwicklung der Handlung. Fehlt sie, wird dem Publikum ein großer Teil der Möglichkeit genommen, sich mit den anderen Figuren zu identifizieren. Christof Fischesser bemühte sich nach Kräften, die Vorgaben des Regisseurs umzusetzen, es gelang ihm aber nicht wirklich. Er lächelte alle an und winkte ihnen verschmitzt zu. Einen Sinn konnte man hinter diesen Aktionen allerdings nicht erkennen. Ein darstellerisch unglücklicher Auftritt. Schade, denn stimmlich konnte Christof Fischesser mit seinem kraftvollen, aber nie protzig, sondern elegant geführten Bass voll überzeugen. Johanes Martin Kränzle war als herrlich schrulliger Faninal eine Luxusbesetzung. Die Sänger der kleineren Partien, wie Daniela Köhler als Leitmetzerin, Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Valzacchi und Ursula Hesse von den Steinen als Annina machten ihre Sache allesamt sehr gut.

Barrie Koskys fabelhafter Münchner „Rosenkavalier“ - WELT
Samantha Hankey, Katharina Konradi. Foto: Wilfried Hösl/ Bayerische Staatsoper

Es war sehr schade, dass man das erste Operndirigat von Vladimir Jurowski als designiertem Generalmusikdirektor nicht live im Theater erleben konnte. Im Live-Stream verliert die musikalische Gestaltung doch etwas an Intensität. Die reduzierte Orchesterbesetzung der aufgeführten musikalischen Bearbeitung von Eberhard Kloke trug sicherlich auch einen Teil dazu bei. Jurowski und das Bayerische Staatsorchester machten das Beste aus der Situation und musizierten mit großer Klangtransparenz. Hie und da hätte man vielleicht ein wenig mehr Pathos und Opulenz erwartet. Zu der Inszenierung passte der musikalisch eher nüchterne Ansatz aber recht gut.

Insgesamt wird sich die Inszenierung wohl gut im Repertoire der Bayerischen Staatsoper behaupten, ohne ein wirklich großer Wurf zu sein.

Gisela Schmöger

 

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