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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: DER FEURIGE ENGEL von S. Prokofjew

07.12.2015 | Allgemein, Oper

München: Bayerische Staatsoper: „DER FEURIGE ENGEL“ Münchner Erstaufführung, 06.12.2015

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Kevin Conners (Mephisto) und Ewgeny Nikitin (Ruprecht). Foto: Wilfried Hösl/Bayerische Staatsoper

Nach „Mefistofele“ (Premiere am 24.10.2015) war auch die zweite Premiere der Bayerischen Staatsoper in der Saison 2015/2016 am 29.11. eine Münchner Erstaufführung. „Der feurige Engel“ von Sergej Prokofjew ist überhaupt eine selten gespielte Oper. Komponiert in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde sie erst 1954 in Paris konzertant und 1955 am Teatro La Fenice in Venedig szenisch uraufgeführt. In Russland war „Der feurige Engel“ erst 1991 am Mariinsky-Theater St. Petersburg erstmals zu sehen. Prokofjew selbst hat sein Werk nie auf der Bühne erlebt. Die Oper hat insofern eine besondere Beziehung zu Bayern als Prokofjew große Teile der Komposition während seines mehrmonatigen Aufenthalts in Ettal komponierte und sich zum Teil auch von der dortigen Benediktinerabtei und den Oberammergauer Passionsspielen inspirieren ließ. Das Libretto des „feurigen Engels“ basiert auf einem Roman von Waleri Brjussow. Es spielt ursprünglich in der frühen Neuzeit und handelt von der jungen Frau Renata, der in ihrer Kindheit ein Engel erschienen ist, der ihr zum treusten und besten Gefährten wurde, bis sie ihn als junge Frau bat, sich mit ihr auch körperlich zu vereinigen. Empört über diesen Wunsch entfernt sich der Engel und wird seitdem von Renata gesucht. Ruprecht, ein dem Okkultistischen eigentlich abgeneigter Edelmann, verliebt sich in Renata, sucht mit ihr fortan den Engel und taucht mit ihr in die Welt des Übersinnlichen ein. Am Ende wird Renata von der Inquisition als Hexe verbrannt.

Regisseur Barrie Kosky verlegt die Handlung in die Gegenwart in ein luxuriöses Hotelzimmer (Bühne: Rebecca Ringst, Kostüme: Klaus Bruns). In der dem Alltag entrückten Atmosphäre dieses Hotels treffen sich der weit gereiste, welterfahrene Ruprecht und die verzweifelte, von Ängsten und Wahnvorstellungen geplagte Renata. Ruprecht verfällt Renata und beide beginnen eine zügellose, überwältigende erotische Beziehung, die beide auch immer wieder in übernatürliche Zustände, alptraumhafte Phantasien und auch religiöse Ekstase führt. Kosky inszeniert das Stück als bilderstarke Revue mit tätowierten Männern in Abendkleidern, Männern in Strapsen und einem ausgeflippten Nonnenchor in Jesusmaske. Dazwischen immer wieder die „Realität“ des Hotelzimmers. Die Inszenierung ist zwar abwechslungsreich und auch durchaus überraschend. Begeisterung oder Faszination kommt –zumindest in der Vorstellung am 06.12. – kaum auf. Vielleicht hat man solche Bilder eben doch schon zu oft gesehen.

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Svetlana Sozdateleva (Renata) und Ewgeny Nikitin (Ruprecht). Foto: Wilfried Hösl /Bayerische Staatsoper

Fasziniert war man jedoch von der musikalischen und darstellerischen Leistung der beiden Hauptdarsteller Svetlana Sozdateleva als Renata und Evgeny Nikitin als Ruprecht. Beide stehen die gesamte Spieldauer über auf der Bühne und liefern beeindruckende Portraits ihrer jeweiligen Charaktere. Dabei verlieren sie in keinem Moment an Intensität oder Ausdrucksstärke. Beide bewältigen ihre anstrengenden Partien auch musikalisch souverän. Evgeny Nikitins kräftiger, aber dennoch immer nobel und fein klingender Bariton hatte keine Mühe, sich gegenüber den Klangwogen aus dem Orchester zu behaupten. Auch Svetlana Sozdatelevas voluminöse, angenehm timbrierte Stimme geht nie in der Musik unter, was bei der exzessiven, klanggewaltigen, scharf rhythmischen Komposition Prokofjews nicht einfach zu bewerkstelligen ist. Dirigent Vladimir Jurowski und das Bayerische Staatsorchester kosteten alle in der Musik liegenden Emotionen – von sehnsuchtsvoll bis wild dämonisch – voll aus und bereitetem dem Publikum ein wahres akustisches Feuerwerk.

Das Libretto rückt die beiden Hauptfiguren Renata und Ruprecht derart ins Zentrum, dass die übrigen Solopartien etwas Mühe haben, im Gedächtnis zu bleiben. Dennoch hatten auch Goran Jurić als Inquisitor, Okka von der Damerau als Äbtissin, Vladimir Galouzine als Agrippa, Elena Manistina als Wahrsagerin, Igor Tsarkov als Faust und natürlich Publikumsliebling Kevin Conners als Mephisto ihren Anteil am Gelingen der Vorstellung.

Am Ende Jubel für Sozdateleva, Nikitin und Jurowsky, ansonsten eher verhaltener Applaus eines Publikums, dem Stück und Inszenierung letztlich doch wohl eher fremd geblieben sind.

Gisela Schmöger

 

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