2x Mozart in München – TITUS (26.2.2014) im Nationaltheater und ENTFÜHRUNG (27.2.2014) im Cuvilliéstheater
Das Leben und das Werk von Wolfgang Amadeus Mozart sind auf das Engste mit München verbunden. Führte ihn doch bereits den sechsjährigen Knaben eine Konzertreise in die bayrische Metropole. Zwei seiner großen Opern sind eng mit der Stadt verbunden – 1775 erlebte „La finta giardiniera“ hier die Uraufführung und 1781 wurde „Idomeneo“ im Cuvilliéstheater erstmalig zur Aufführung gebracht. Bis heute zählt Mozart neben Richard Wagner und Richard Strauss zu den musikalischen „Säulenheiligen“.
Kein Wunder also, wenn kürzlich innerhalb weniger Tage zwei seiner Opern Premiere hatten. „Die Entführung aus dem Serail“ am 30.Jänner im Rokoko-Ambiente des Cuvilliéstheater (als Ausweichbühne des Gärtnerplatztheater) und „La clemenza di Tito“ am 10.Februar im benachbarten Nationaltheater.
Zunächst also „Titus“. Regisseur Jan Bosse versucht eine Verbindung von Politik im kaiserlichen Rom, der Entstehungszeit und der Gegenwart. Zur optischen Umsetzung dieser Idee baute Stéphane Laimé ein Bühnenbild, das das Logenrund des Nationaltheaters spiegelt und eine an vergangene Samstagabendshows des deutschen Fernsehens erinnernde Treppe in die Bühnenmitte stellt. Auch die Kostüme von Victoria Behr spiegeln das Regiekonzept – Togen, prunkvolle Roben im Stil des Rokoko, eine smokingähnliche Gewandung für Sesto. Warum Sesto aber nach seiner Verurteilung in Bermudashorts und mit langen Haaren (und geänderter Haarfarbe – vorher kurzhaarig und dunkel) und Annio mit gekürzten Haaren auftreten, wissen bloß die Regiegötter. Die Personenregie schwankt zwischen Statik und Leistungssport (Treppe rauf und Treppe runter). Manche Einfälle unterstreichen den Inhalt (etwa beim Brand des Kapitols und der deshalb verwüsteten Bühne samt Asche im hochgefahrenen Orchestergraben) andere verstören eher (warum erscheint das Orchester nach der Pause erst verspätet und Annio muss sich am Cembalo selbst begleiten). Auch, dass die begleitenden Musiker mit Bassettklarinette und Bassetthorn Teil der Szene werden eröffnet mehr Fragen als Antworten.
Kirill Petrenko hat nach der „Frau ohne Schatten“ mit dem „Titus“ seine zweite Premiere übernommen. So unbestritten der Erfolg bei Strauss war, so zwiespältig blieb für mich der Eindruck bei Mozart in der Übertragung der Premiere – und bestätigt sich in der gesehenen Aufführung. Er lässt den Boden des Orchestergrabens sehr hoch fahren; das Orchester spielt dennoch nicht auf Originalinstrumenten. Der so entstehende Klang befriedigt (zumindest mich) nicht wirklich. Was mich aber wirklich stört, ist die häufige Brechung des Klangflusses durch überlange Generalpausen (von der Behinderung des Stückes durch den zweimaligen – instrumenteabhängigen – Einzug des Orchesters im 2.Akt will ich gar nicht reden). Spannung kommt so kaum auf. Schade, ich habe mir von Münchens GMD mehr erwartet.
Aus den Solisten ragt für mich Tara Erraught als Sesto heraus. Anfänglich etwas vorsichtig (und in der Szene mit Servilia von dieser stimmlich auch nicht leicht unterscheidbar) erntet sie nach „Parto, parto“ berechtigte Beifallsstürme und beweist in der Szene mit Titus im 2.Akt, welch Talent sie ist. Die junge Sängerin sollte aber vorsichtig sein, dass sie sich nicht selbst überfordert. Angela Brewer als Annio singt und spielt überzeugend, wenngleich sie in ihrem Kostüm und dieser Maske nicht wirklich männlich wirkt. Und auch Hanna-Elisabeth Müller braucht als Servilia den Vergleich mit prominenten Vorgängerinnen in dieser Partie nicht zu scheuen. Die Stimme von Tareq Nazami, optisch für mich eine Mischung aus Taliban und Pope, klingt mir nicht dunkel genug. Was überaus positiv auffällt: diese vier jungen Sänger kommen alle aus dem Opernstudio der Bayrischen Staatsoper. Toby Spence habe ich vom letzten Beethovenfest in Bonn in sehr guter Erinnerung; seine bei der Premiere unüberhörbare Indisposition hat sich zwar gebessert, trübt aber vor allem in den höheren Lagen das Hörerlebnis seines Titus doch merklich. Die für mich größte Enttäuschung bot Kristine Opolais als Vitellia mit scharfen Höhen und flackernder Stimme. Insgesamt also ein etwas zwiespältiger Eindruck eines durch eine überlange Pause auf mehr als drei Stunden gedehnten Abend.
Tags darauf die „Entführung aus dem Serail“ im vom Gärtnerplatztheater bespielten Cuvelliestheater in einer Inszenierung von Stephanie Mohr, die hier ihr Debut als Opernregisseurin gibt. Wie so viele aktuelle Regisseure verinszeniert auch sie bereits die Ouvertüre, vertraut nicht der Musik. Das Logenrund des Theaters setzt sich im Bühnenbild (Miriam Busch) fort, es gibt bunte Tapeten, den Bühnenhintergrund bildet eine goldene Spiegelwand, die später bei Bedarf hochgezogen und durch ein schwarzes Zelt im Bühnenzentrum ersetzt wird. Bunte Lampions schweben vom Schnürboden, barocke Sessel werden herabgelassen (auf denen dann Osmin oder der Bassa auf halber Bühnenhöhe sitzen). Dazu gesellen sich Versatzstücke (etwa ein Spielautomat (?)), deren stückbezogenen Sinn ich nicht entschlüsseln kann, eine (stumme) Figur wird eingefügt, Bassa Selim rezitiert Gedichte. Uneinheitlich auch die Kostüme von Alfred Mayerhofer. Bunt mit gelben Schuhen und gleichzeitig die Mode der Entstehungszeit zitierend ist der Chor gewandet, Konstanze und Blonde wechseln zwischen Rokoko (im inszenierten Vorspiel und bei der Flucht) und zeitgemäßer Kleidung (bei Bassa Selim) , Belmonte und Pedrillo bleiben in „historischer“ Kleidung, der Bassa trägt dunklen Anzug, Osmin bleibt zeitlos. So gut die Regisseurin auch das Beziehungsgeflecht zwischen den einzelnen Personen herausarbeitet, einzelne Szenen wirken doch (zu) plakativ. Etwa dann, wenn der Bassa oder Konstanze mit einem Revolver hantieren.
Gesungen wird zumeist sehr gut, wobei die Krone den beiden Damen gebührt. Jennifer O´Loughlin, in diesem Haus zuletzt als Semele überaus erfolgreich, ist eine ausgezeichnete Konstanze mit sicheren Koloraturen in der Martern-Arie und ausdrucksstark in Traurigkeit und Leid. Csilla Csövari singt und spielt als Blonde überzeugend ein liebenswertes Biest; von ihr würde ich gerne mehr hören. Unausgeglichen die beiden Tenöre. Dean Power darf als Belmonte die so oft gestrichene Baumeister Arie singen, vermittelt aber vor allem in den höheren Lagen den Eindruck einer Indisposition. Ein spiel- wie singfreudiger Pedrillo ist Daniel Prohaska. Die Entdeckung des Abends (neben Csilla Csövari) war für mich Patrick Simper als Osmin; ein dunkler Bass, dem auch die Tiefen der Partie keine Schwierigkeiten bereiten. Von der Regie deutlich aufgewertet – nicht zuletzt durch das Rezitieren von Gedichten von Michel Houllebecq, ist die Rolle des Bassa Selim, der Raphael von Bergen Konturen verleiht.
Marco Comin, der mich weder in „Don Pasquale“ noch in „Semele“ wirklich begeistert hat, leitet Chor und Orchester aufmerksam und ist den Sängern ein einfühlsamer Begleiter. Das fiktive Duell mit Petrenko gewinnt bei Mozart klar er. Jubel im ausverkauften Haus, der sich noch steigert, als Josef E. Köpplinger auf offener Bühne dem langjährigen Intendanten Prof. Klaus Schultz die Ehrenmitgliedschaft des Gärtnerplatztheaters überreicht.
Michael Koling