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MOSKAU: SIEGFRIED und GÖTTERDÄMMERUNG

Gastspiel der Sofia Oper und Ballett am Bolschoi-Theater

23.05.2018 | Allgemein, Oper


Bolschoi bei Nacht. Foto: Klaus Billand

MOSKAU: SIEGFRIED und GÖTTERDÄMMERUNG als Gastspiel der Sofia Oper und Ballett am Bolschoi-Theater am 21. und 23. Mai 2018

 Nach der überaus erfolgreichen Entwicklung des ersten „Ring des Nibelungen“ in Bulgarien und mehrfacher Aufführungen der Tetralogie von Richard Wagner an der Sofia Oper und Ballett seit ihrer Entstehung 2010/11, sowie im Festspielhaus Füssen 2015, gastierte das Haus im Mai mit immerhin sechs Werken am Bolschoi-Theater in Moskau. Selbst der Generaldirektor des Bolschoi, Vladimir Urin, kann sich nicht erinnern, das im 21. Jahrhundert eine ausländische Opernkompagnie ein solch großes Repertoire an sein Haus gebracht hat. Die Sofia Oper und Ballett spielte hier Richard Wagners „Ring des Nibelungen“, „Yana’s Nine Brothers“ von Lyubomir Pipkov (Besprechung der Sofia-Premiere erfolgte an dieser Stelle) und das Ballett „Le Corsaire“ von Adolphe Adam.


Wotan und Mime. Foto: Svetoslav Nikolov

 Das Moskauer Opernpublikum war begeistert von Plamen Kartaloffs an dieser Stelle schon mehrfach besprochener „Ring“-Produktion, sowie der großartigen Leistung des Orchesters der Sofia Oper und Ballett unter der Wagner-erfahrenen Leitung von Erich Wächter, sowie den weitestgehend guten Leistungen der komplett bulgarischen Sängerbesetzung. Wegen einer Verpflichtung zu einem Besuch der Philip Glass Oper „Satyagraha“ in St. Petersburg konnte ich nur „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ am Bolschoi erleben.

 Man konnte dem Orchester regelrecht anmerken, mit welchem Vergnügen es in einem Graben mit immerhin 90 Musikern spielen konnte, der in etwa jenem der Wiener Staatsoper entspricht. Man konnte hier, der Größe des Hauses entsprechend, mit 14 ersten und 12 zweiten Violinen, acht Celli, sechs Kontrabässen, drei Oboen, und einer ebenfalls guten Besetzung in den Bratschen und den übrigen Bläsergruppen spielen. Zu Hause muss man sich sogar mit weniger MusikerInnen recht zusammen drängen. Wunderbar der Streicherklang und das Blech, welches makellos spielte, eingeschlossen die stets fehlerlos erklingenden Hornrufe Siegfrieds. Die großen Orchesterzwischenspiele im 3. Aufzug des „Siegfried“ sowie der „Götterdämmerung“, hier insbesondere „Siegfrieds Reinfahrt“, der Trauermarsch und das Finale, aber auch der mit warmen Holzbläserakkorden beeindruckende Auftakt zum Prolog wurden unter Wächters ruhiger Stabführung zu musikalischen Höhepunkten der beiden Abende. Leider war auch hier der Pauker wieder zu laut, wie in Sofia. Es könnte mit einer Positionierung des Schlagwerks weiter hinten, wie ich es gerade hier beim „Ring“ im Odenser Odeon erlebe, wahrscheinlich viel gewonnen werden.


Alberich. Foto: Svetoslav Nikolov

Plamen Kartaloffs
Inszenierung hatte mit den Bühnenbildern von Nikolay Panayotov, der auch in den Aufführungen war, sowie dessen fantasievollen Kostümen und den facettenreichen Multimedia-Projektionen von Vera Petrova sowie dem effektvollen Lichtdesign von Andrej Hajdinjak mit der viel größeren Bühne einen auch größeren Spielraum. Das wirkte sich nicht nur optisch, sondern auch auf die Bewegungsmöglichkeiten der DarstellerInnen positiv aus. Insbesondere Kostadin Andreev machte als Siegfried davon ausreichend Gebrauch. Er konnte damit der Figur noch mehr Lebhaftigkeit und Jungburschenart verleihen, als ohnehin schon durch sein Temperament gegeben ist. Er war ein in der Tat unermüdlicher Siegfried und sang die Rolle mit besserem Deutsch als zuvor und mit großer Emphase bis zum Schluss voll durch. Im Waldweben ließ er auch sehr schöne Lyrik und gute Piani hören. Seiner Interpretation der Rolle kommt zugute, dass sein heldischer Tenor eine bemerkenswerte baritonale Grundierung aufweist. Szenisch und dramaturgisch sehr wirkungsvoll waren insbesondre in der „Walküre“ die Vergangenheits-Zitate durch das Erscheinen von Sieglinde, z.B. wenn Siegfried beim Waldweben an seine Mutter denkt. Radostina Nikolaeva war insbesondere in den Spitzentönen eine überzeugende, eher lyrische Brünnhilde, die mit der hohen Tessitura dieser Partie gut zurecht kam. Krasimir Dinev war ein nicht wie in Wien als Depp gezeichneter Mime. Er verfolgt hier nachdrücklich sein Ziel, ist aber stimmlich noch nicht allen Herausforderungen der langen Rolle gewachsen. Unglaublich, wie Dinev das von ihm verlangte Bewegungspensum auf der Bühne absolviert – das allein fordert schon Anerkennung. Biser Georgiev war ein finsterer Alberich, der sich starke Szenen  mit Wotan und Mime lieferte mit einem ausdrucksstarken Bassbariton. In der „Götterdämmerung“ war die Bedrohung durch ihn ständig gegeben, da er immer wieder stumm auf die Bühne trat und die Vorgänge in den entscheidenden Momenten beobachtete.


Siegfried – nach dem Drachenkampf. Foto: Svetoslav Nikolov

 Nikolai Petrov gab einen guten Wanderer in den ersten beiden Aufzügen mit einem wohlklingenden bassbaritonalen Timbre, hatte aber stimmliche Probleme vor dem 3. Aufzug. So sprang der  bewährte Martin Tsonev für ihn ein und sang und spielte einen fulminanten Wanderer, der die Szene mit Erda besonders spannend und intensiv gestaltete. Petar Buchkov sang einen imposant verstärkten klangvollen Fafner, und Milena Gyurova zwitscherte akrobatisch und charmant im Hintergrund als Waldvogel. Blagovesta Mekki-Tsvetkova arbeitete sich eher darstellerisch interessant durch die Rolle der Erda.

 

 In der „Götterdämmerung“ sang und spielte die weitgehend bewährte Sofioter Besetzung bis auf Radostina Nikolaeva, die als „Götterdämmerung“-Brünnhilde ihr Rollendebut gab. Mit ihrem hellen, lyrisch dramatischen Sopran meisterte sie auch die Spitzentöne dieser Partie bestens. Nur zum Beispiel seien die hohen Cs genannt, die sie mit Leichtigkeit und lang anhaltend schmetterte. Ihre Stimme hat ein schönes Timbre. Es scheint aber so, dass in der Mittellage noch Entwicklungsmöglichkeiten für diese ja auch tiefer liegende Brünnhilde gegeben sind. Ich denke, dass Nikolaeva mit diesem schweren Fach doch noch etwas vorsichtig sein sollte. Sie wird in der Zukunft sicher eine gute Brünnhilde werden können. Eine beeindruckende, lyrisch angelegte Isolde ist sie ja schon. Martin Iliev war wieder der „Götterdämmerung“-Siegfried und stellte einen von Beginn an tragisch wirkenden Helden dar, der sein Schicksal schon vorausahnen lässt. Iliev besticht mit einer guten Rollenauffassung und verfügt als heldischer und auch so aussehender Siegfried mit viril und abgedunkelt timbriertem Heldentenor, der sich mit etwas verbesserter Technik noch weiter entwickeln kann. Angel Christov als Hagen gibt der Rolle wie Biser Georgiev dem Alberich eine finstere Note. Sie sind beide wirklich die Vertreter der Nacht gegen den Lichthelden Siegfried – starke Kontrahenten! „Störrisch und kalt stockt’s in mir…“ ist hier optisch nachvollziehbar. Tsvetana Bandalovska ist eine starke Gutrune, sowohl was ihren Sopran angeht wie auch ihre Persönlichkeit in dieser undankbaren Rolle. Atanas Mladenov war ein jugendlicher Gunther mit kultiviertem Bariton. Nur bei der Waltraute von Tsveta Sarambelieva sind stimmlich einige Anstriche zu machen. Darstellerisch war sie jedoch gut, ebenso wie als Erste Norn. Milena Gyurova, Ina Petrova und Elena Marinova waren wieder exzellent und reizend agierende sowie auch singende Rheintöchter. Ina Petrova sang auch die Zweite Norn, und Flora Tarpomanova konnte als Dritte überzeugen. Die von Violeta Dimitrova einstudierten Chöre hatten auf dieser Bühne nun endlich mehr Platz und konnten sich somit besser darstellen. Sie sangen mit viel Elan und guter Abstimmung in den einzelnen Gruppen. Die Mannen konnten hier ihre dräuenden fledermausartigen Wimpel gut zur Geltung bringen. 

Mit dieser Präsentation an einem der bedeutendsten Opernhäuser der Welt hat der Sofioter „Ring“ von Plamen Kartaloff einen großen Höhepunkt seiner Aufführungsgeschichte erreicht. Hier wurde seit Jahrzehnten kein „Ring“ mehr aufgeführt. Die Sofia Oper und Ballett hat damit einen bemerkenswerten Beitrag zur Bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft im 1. Halbjahr 2018 in Russland geleistet.

 

Klaus Billand

 

 

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