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MÖRBISCH: DIE FLEDERMAUS

28.07.2012 | KRITIKEN, Oper

Mörbisch Seebühne: „DIE FLEDERMAUS“ – 26.7.2012

Mit einem „Paukenschlag“, einer opulenten Inszenierung der bekanntesten und beliebtesten Johann-Strauß-Operette, die der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs als „kleine“, heitere Oper alle Ehre macht, verabschiedet sich nun Harald Serafin in dieser, seiner letzten Saison nach 20 überaus erfolgreichen Jahren als Intendant der, von ihm mit viel Liebe zur Operette ins Leben gerufenen Seefestspiele am Neusiedler See. Allein seine „Ansprache“ vor der Aufführung ist jedes Mal ein kleines „Highlight“. Mit der „Bündelung“ aller erfolgsbewährten Mittel wurde noch einmal alles aufgeboten, was die Operette so anziehend macht und an Möglichkeiten zur Verfügung steht.

Helmuth Lohner zauberte mit vielen Reminiszenzen an frühere Operettenherrlichkeit und auch Zugeständnissen an die jetzt üblichen, modernen Elemente eine Inszenierung, die den Erwartungen der Besucher, den konservativen und den modernen, in jeder Hinsicht entspricht und ihre Wirkung nicht verfehlt. Durch Verschiebungen und Drehungen der Wände und Dekorationsmodule auf offener Bühne entstehen immer wieder neue, abwechslungsreiche, optisch sehr wirksame Bühnenbilder, die durch entsprechende Beleuchtungseffekte, bis hin zur (Rotlicht )Beleuchtung bei Orlofskys zweideutigem Fest einen gewissen Zauber ausstrahlen. Es geht also auch heute noch!

Mittig an eine große (Schloß-)Mauer, auf der ein Graffiti mit Herz und Fledermaus prangt, angefügt, liegt die „Insel der seligen“ Oberschicht, die sich noch bürgerliches Leben, wenn auch mit doppelbödiger Moral, leisten können, zunächst das großzügige Palais des Herrn von Eisenstein mit der optisch wirksamen Freitreppe (Bühnenbild und Kostüme: Amra Bergman-Buchbinder), später Orlofskys Ball-Interieur mit überdimensionalem, abgestürztem Prismen-Kronleuchter, der den Untergang der k. u. k. Monarchie andeutet, und schließlich das geräumige, wenn auch sehr heruntergekommene Gefängnis.

Schon während der Ouvertüre wird ein großer Schneemann, der die Jahreszeit, in der die Bälle stattfinden, andeutet, auf die Bühne geschoben und dann ein Denkmal des Brückenheiligen Johann Nepomuk, der seine Verschwiegenheit in Liebesangelegenheiten mit dem Leben büßen musste. Dazwischen und darum herum tobt ein Großaufgebot an Komparsen in opulent farbenfreudigen, gut abgestimmten Kostümen, die die Vorgeschichte mit dem zum Gespött der Menge nach einem Kostümball im betrunkenen Zustand sitzen gelassenen Notar Dr. Falke zeigen, dessen vergnügliche Rache den Inhalt dieser Operette bestimmt.

Nicht ohne Grund wird die „Fledermaus“ oft auch in großen Opernhäusern gespielt, denn die meisten Protagonisten haben anspruchsvolle Gesangspartien zu bewältigen, die nur in adäquater Interpretation ihre volle Wirkung erreichen. Hier gab es gleich mehrere Sängerinnen und Sänger, die durch sehr gute Gesangsleistungen und Spielfreude überzeugen konnten. Elisabeth Flechl bot eine würdige Rosalinde mit schöner Stimme und gutem, nicht überzogenem Spiel, Daniela Fally eine eher derbe Adele mit leicht ordinärem, volkstümlichem Anflug, aber ebenfalls guter Stimme. Zu ihnen gesellte sich Daniela Lehner als in ihrer Rolle überzeugende Ida.

Einer fiel jedoch „aus dem Rahmen“ bzw. dem guten Ensemble heraus. Angus Wood sang als Sänger Alfred so „nebenbei“ alle möglichen bekannten und beliebten Opernarien mit ihren Spitzentönen an – so “schräg“, dass er fast wie eine Karikatur auf einen Opernsänger wirkte – arme Rosalinde.

Jörg Schneider verkörperte hingegen einen idealen Gabriel von Eisenstein, der musikalisch wie schauspielerisch keine Wünsche offen ließ. Allein wie er die Balance zwischen der Verkleidung als sich ständig verhaspelnder Dr. Blind und nonchalantem Eisenstein schaffte, war ein Kabinettstück besonderer Art. Der eigentliche Dr. Blind (Gernot Heinrich) blieb hingegen ziemlich blass. Eher unauffällig agierte auch Daniel Serafin als sehr jugendlicher Dr. Falke.

Mit schöner Stimme und hingeworfenen russischen Sprach-Brocken für Touristen mit „kleinen“ Russisch-Kenntnissen hielt Katerina Hebelkova während der Gesellschaft als Dandy Prinz Orlofsky zwischen eleganter Tradition und heutigem verschwenderischem und gelangweiltem Neureichentum „die Fäden in der Hand“ und die Spannung am Laufen.

Neben der Regie ließ es sich Hellmuth Lohner nicht nehmen, als Gefängnisdiener Frosch sein Können zu zeigen. Er hatte längere Passagen zu sprechen und zu spielen, aber bei Lohner ist das kein Nachteil. Bei seinen umfänglichen kabarettistischen Szenen mit den althergebrachten Wortspielen ließ er nach alter Theatersitte mit Anspielungen auf die gegenwärtige politische Situation die Aufmerksamkeit nie sinken, hatte die Lacher auf seiner Seite und begeisterte das Publikum mit seiner Darstellung. Er ist eben ein schauspielerisches „Ur-Talent“.

Gleichfalls in Doppelfunktion agiert Harald Serafin als Gefängnisdirektor Frank. Er ist so von der Operette fasziniert, dass er es sich nicht nehmen lässt, immer noch und immer wieder selbst mitzuwirken, auch wenn man sich jetzt mehr auf sein Spiel konzentrieren muss, mit dem er seinen Gesang völlig zu kompensieren vermag.

Dass man bei der, durch „Einschübe“ von sehr aufwendigen, ganz synchronen Balletteinlagen (Choreografie: Giorgio Madia) und zusätzlichen Strauß-Kompositionen auf 3,5 Std. „erweiterten“ „Fledermaus“ nie irgendwelche „Längen“ empfindet, ist neben den guten Einzelleistungen vor allem auch dem Festival Orchester Mörbisch unter dem sehr engagierten Dirigat von Manfred Mayrhofer zu danken, der das richtige Gespür für den Fortgang der Handlung und hohe musikalische Qualität hat. Er stellte immer wieder die Verbindung zwischen den einzelnen Auftritten und Szenen und nach manch platter Sprecheinlage und vordergründig aufgesetztem Spiel auch wieder das entsprechende Niveau her und hielt die gesamte Aufführung fest zusammen.

Glücklicherweise wurde der lange, aber schöne Operettenabend „Mit Donner und Blitz“ nur musikalisch „heimgesucht“. Der Wettergott hatte ein Einsehen. Er begnügte sich mit einem heftigen Gewitter vor der Vorstellung, dann verzogen sich die Regenwolken „und es blitzten Sterne“ während der Aufführung.

Die Operette ist nicht „tot“, wie oft behauptet. Sie kann sooo lebendig sein, wie die Mörbischer Seefestspiele beweisen. Sie bieten nicht nur einen guten Kunstgenuss, sondern immer auch Entspannung in schöner, natürlicher Atmosphäre, denn die Natur spielt immer mit und bietet eine einmalig schöne Kulisse.

Ingrid Gerk

 

 

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