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Monica Klaus: SOPHIE VON ERLACH

Renate Wagner (13. Oktober 2021)

13.10.2021 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

buch erlach, sophie von elach

Monica Klaus 
SOPHIE VON ERLACH
Eine Schweizerin und Preußin
264 Seiten, Böhlau Verlag, 2021 

Die Schweiz und Preußen – das sind zwei Begriffe, die man nicht unbedingt nebeneinander denken würde. Aber tatsächlich hatte Preußen auch noch nach dem Wiener Kongreß einige Besitzungen am Bodensee, und die Hohenzollern holten sich die Erzieher ihrer Kinder gerne aus  der Schweiz. So wie Sophie von May, später verheiratete von Erlach (1819-1911), die zur Betreuung der Prinzessin Luise (1838-1929) nach Berlin kam.

Der Name Sophie von Erlach ist heute vergessen, bekannt geblieben ist allerdings ihr Enkel, der Romanist Ernst Robert Curtius. Sein Nachlaß befindet sich in der Universität Bonn, zusammen mit zahlreichen Dokumenten zu seiner Familiengeschichte. So, wie seine Großmutter Erzieherin der Prinzessin Luise war, so war sein Großvater Ernst Curtius (1814-1896) Erzieher von deren Bruder Friedrich (1831-1888). Die Kinder der beiden Erzieher haben später geheiratet.

Monica Klaus, Bibliothekarin an der Universitäts- und Landesbibliothek in Bonn, hat aufgrund dieser Unterlagen, die auch zahllose Briefe zwischen den Erziehern und ihren Schützlingen enthalten, eine Biographie von Sophie von Erlach geschrieben, ein in vieler Hinsicht besonders interessantes Frauenschicksal der Epoche.

Sophie von May, die in der Schweiz zweisprachig aufwuchs, ihre Talente als Malerin nie ausbilden durfte und geschätzte „Hobbymalerin“ blieb, hat stets gegen das Schicksal der Frauen ihrer Zeit aufbegehrt, das diese zwang, auf einen Ehemann  zu warten. Dennoch hat sie, obwohl damals schon mit dem Schweizer Grafen Robert von Erlach-Hindelbank verlobt, das Angebot (das über viele Beziehungen kam) angenommen, in Berlin Erzieherin der Prinzessin Luise zu werden.

Diese und ihr älterer Bruder Friedrich waren Enkel der legendären „Königin Luise“ einerseits, der nicht minder legendären russischen Großfürstin Maria Pawlowna Romanowa, die durch Ehe Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach war. Luises  Vater war der spätere preußische König Wilhelm, der dann der erste deutsche Kaiser wurde. Luise wurde später durch Ehe Großherzogin von Baden und hat von ihrer Erzieherin, der geliebten „Selli“ (die auch von Prinz Friedrich besonders geschätzt wurde) sicher viele emanzipatorische Ideen mitbekommen. So hat sie später in ihrer Eigenschaft als Großherzogin von Baden vor allem für die Erziehung junger Mädchen gesorgt und auch für ihr Land das „Rote Kreuz“ etabliert.

Was Friedrich betrifft, so wurde er jener tragische Kaiser Friedrich III., der aufgrund seiner Kehlkopfkrebs-Erkrankung nur 99 Tage regierte und dessen Sohn dann der allgemein weniger geliebte  Kaiser Wilhelm II. war. Sophie von Erlach war zwar nur von 1846 bis 1851 am preußischen Hof, war aber damals Augenzeugin der dramatischen Ereignisse um die revolutionären Bewegungen von 1848 und wie sie die königliche Familie betrafen.

Die kurze Zeit mit „Selli“ waren entscheidende Jahre für die junge Luise, und die Verbindung mit dem preußischen und dann badenischen Häusern blieb lebenslang so eng, als wäre Sophie von Erlach ein Mitglied der Familie. Das Buch zitiert die Briefe nicht so ausführlich, wie man es erwartet hätte – vermutlich steht der Briefwechsel-Band noch aus. (Bedauerlich übrigens auch die Entscheidung, keine Bilder zu zeigen, weil man sie ohnedies im Internet finde, nimmt das dem Buch doch ein wenig an möglicher Farbigkeit, hätte man die Personen bildlich vorgestellt bekommen).

Sophie verließ den Hof auch, um 1853 ihren Verloben zu heiraten, und das Schicksal ihres Mannes, mit dem sie nicht sehr glücklich wurde, ist ein interessanter Beitrag zur Schweizer Geschichte, wo man den eigenen Adel gar nicht so sehr schätzte und seiner Mittel beraubte. Tatsächlich war  Robert von Erlach-Hindelbank zu seiner Entrüstung lebenslang gezwungen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wozu er keinerlei Begabung zeigte (ebenso wenig wie Sophies Bruder Heinrich von May, der in Buenos Aires hoch verschuldet starb). Es war also kein luxuriöses Adelsleben, das sie führte, im Gegenteil.

Das Buch zeichnet neben den Schicksalen der Hohenzollern und der Familie Curtius, die sich immer in die Ereignisse hineinweben, Sophies Lebenslauf nach, der von familiären Ereignissen geprägt war. Bis zum Tod des Gatten 1884 in Freiburg war sie gezwungen, immer wieder den Wohnsitz zu wechseln, wo immer er eine neue Stellung fand (u.a. wurde er in Kriegszeiten Vertreter für Waffen).

Ihr einziger Sohn starb 17jährig an Typhus, große Sorgen bereitete die älteste Tochter Ada, die zwar eine begabte Malerin war (und die, im Gegensatz zur Mutter, Kunst  auch studieren durfte), aber immer kränkelte. Die jüngste Tochter Gerda lebte mit der Mutter und später, nach dem Tod ihrer Schwester Luise bei deren Witwer Friedrich Curtius.

Sophie von Erlach, die ihr Leben immer bereichernd für andere und im Grunde nie für sich geführt hatte, starb umgeben von ihrer Familie am 31. Dezember 1911 in Straßburg. Das Heranwachsen ihres begabten, 1886 geborenen Enkels Ernst Robert Curtius (der die Vornamen seiner beiden Großväter trug) hatte sie bis zu seiner Promotion noch mit Freude erlebt.

Renate Wagner

 

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