„MIT DIR KEINE OPER ZU LANG“
Hugo von Hofmannsthal / Richard Strauss / Alfred Roller Breifwechsel
Hsg. Christiane Mühlegger-Henhapel, Ursula Renner
464 Seiten, Verlag Benevento, 2021
Er sei, so lautet die Bitte, in ihrem Bunde der Dritte. Wer Hofmannsthal & Strauss sagt, fügt wie automatisch den Namen Max Reinhardt hinzu, mit ihm haben sie schließlich die Salzburger Festspiele begründet, da er sich als Regisseur ihrer „Rosenkavalier“-Uraufführung in Dresden so bewährt hatte.
Aber es gibt einen Mann, der für den Textdichter und en Komponisten noch ebenso wichtig war, sogar wichtiger vielleicht: der Ausstatter Alfred Roller, der mit den beiden über Jahrzehnte immer wieder zusammen traf. Den Briefwechsel Hofmannsthal / Strauss gibt es längst. Nun wird das Kapitel künstlerischer Zusammenarbeit durch die Briefe, die beide mit Alfred Roller wechselten, ergänzt.
Ein großartiges Stück Arbeit der beiden Herausgeberinnen Christiane Mühlegger-Henhapel und Ursula Renner, zumal der Band auch so ansprechend und in der Gestaltung übersichtlich geworden ist, wie man es selten erlebt (und es sich doch immer wünscht).
Dass Alfred Roller trotz seiner immensen Bedeutung vor allem in der Theatergeschichte nicht als erster Name „leuchtet“, liegt an dessen persönlicher Zurückhaltung. Es war nie seine Art, sich in den Vordergrund zu drängen. Geboren 1864 in Brünn, Sohn eines Graphikers, wollte er in Wien Jura studieren, schwenkte aber zur Kunst – und das so umfassend, wie sie in der damaligen Zeit begriffen wurde. Handwerklich rundum ausgebildet, konnte er als Maler. Zeichner, Gebrauchsgraphiker ebenso arbeiten wie szenisch, hatte er doch auch den Umgang mit Raum und Licht gelernt. Bei den Secessionisten nahm er eine geachtete Stellung ein, gestaltete für die große Beethoven-Ausstellung 1908 ein Mosaik, bei den Festlichkeiten dirigierte Gustav Mahler, er und Roller lernten sich kennen – und ein Stück legendärer Zusammenarbeit der Operngeschichte begann.
Roller war auch ein anerkannter Lehrer, und man kommt im informativen Vorwort des Buches nicht darum herum, bei jener Stelle zu stutzen, wo ein junger Mann namens Adolf Hitler ihm seine Werke vorlegen wollte, Roller ihn freundlich dazu einlud, Hitler aber sich aus Respekt nicht dazu entschließen konnte, sich mit dem Mann zu konfrontieren, den er so bewunderte – denn damals schon war Roller unabdingbarer Mitarbeiter in Gustav Mahlers Hofoper. Seine Ausstattungen erst vollendeten dessen Opernreform, dessen neuen Opernstil… Freilich, wenn der junge Adolf Hitler am Ende doch hätte Kunst studieren dürfen – dann hätte er als „Führer“ Roller nicht Jahrzehnte später (1934) nach Bayreuth holen können und darauf bestehen, dass er den „Parsifal“ ausstattete… Was würden heutige Regisseure und Ausstatter zu Rollers Forderung sagen: „Die Vision des Bühnenbilds musste ausschließlich aus der Musik empfangen sein.“
Roller arbeitete auch fürs Theater, zuerst trat Hugo von Hofmannsthal an ihn heran, wobei auch der Regisseur Max Reinhardt mitwirkte, später stieß Richard Strauss zu dieser singulären künstlerischen Arbeitsgemeinschaft.
Hofmannsthal, der Jüngste unter ihnen, starb 1929 als erster, Roller und Strauss waren fast gleichaltrig, Strauss ein paar Monate älter, und er wurde auch der Älteste unter ihnen, Roller starb 1935, Strauss 1949, und so verwundert es nicht, dass das letzte von 205 Briefdokumenten ein Schreiben von Richard Strauss an Joseph Gregor ist, das zu einer Hymne der Erinnerung an Alfred Roller wird, Bewunderung für einen Mann, dessen Wissen, Können und Loyalität ganz besonders waren.
1904 begann die Korrespondenz mit der Frage Hofmannsthals an Alfred Roller, ob er sich vorstellen könnte, ein kleines Ballett für Dresden auszustatten. In der Folge bleiben es Arbeitsjournale, von gegenseitigem Respekt getragen, ungemein praxisbezogen, aber ganz selten „privat“. Die Hofmannsthal-Briefe enden 1929 mit Kondolenzschreiben von sowohl Roller wie Richard Strauss an die Witwe Gerty von Hofmannsthal. Strauss und Roller, die während der Direktionszeit Strauss / Schalk an der Wiener Oper eng zusammen gearbeitet hatten, blieben noch bis 1933 in Kontakt, der Rest sind Kondolenzen und der erwähnte Nachruf, nach dem Joseph Gregor gefragt hatte. Der weitere Briefwechsel der drei gilt der Theaterarbeit und ist auch bildmäßig herausragend dokumentiert, mit Schriftstücken, Theaterzetteln, Aufführungsfotos, Bühnengrundrisse, Arbeitszeichnungen, vor allem aber Roller’schen Bühnenbild- und Kostümentwürfen für die großen Zusammenarbeiten: Hofmannsthals „Ödipus und die Sphinx“, f Strauss / Hofmannsthals „Elektra“, „Der Rosenkavalier“ (diese Figurinen sind ja legendär), Hofmannsthals „Jedermann“, Strauss / Hofmannsthals „Die Frau ohne Schatten“ und „Josephslegende“, Hofmannsthals „Salzburger Großes Welttheater“. Darüber hinaus gibt es weitere Roller-Entwürfe für Opern.
Die Briefe, von den Autorinnen aus dem im Wiener Theatermuseum gelagerten Roller-Nachlass geholt, sind vorwiegend zwischen den drei Männern gewechselt. Briefe Rollers an seine Frau, die auch die Arbeit betreffen, legen aber immer wieder Zeugnis dafür ab, welch ungemein liebender Gatte und Vater seiner beiden Söhne er war. Hervorragend und Leser-freundlich die Gestaltung, jeder Brief vom nächsten abgehoben, jeder Brief gleich an seinem Ende mit den Anmerkungen in gleich großer Schrift versehen (man kennt die Mühseligkeit, für Anmerkungen immer ans Ende des Buches blättern zu müssen und dann mit winzigem Schriftgrad konfrontiert zu sein) – man kann als Leser nur dankbar sein.
Geradezu ein Wunschtraum für jeden Theater-Fan ist die dreispaltige Synopsis, die von den Autorinnen am Ende erstellt wurde – Hofmannsthal, Strauss, Roller von Jahr zu Jahr in ihrer Lebens- und Arbeits-Biographie, neben einander gestellt, jede Zusammenarbeit leicht aufzuspüren, weil auch noch extra kenntlich gemacht. Darüber hinaus bedeutet das für jeden einzelnen von ihnen einen dankenswerten tabellarisch-biographischen Anhang.
„Theater ist eben Zusammenarbeit“, stellte Hofmannsthal fest, und dafür hat man hier nun ein singuläres Dokument vor sich. Natürlich setzt ein Buch wie dieses spezielles Interesse voraus. Aber für wen Theatergeschichte ein Thema ist, der kann und soll daran nicht vorbei gehen.
Renate Wagner