Milano Teatro alla Scala DAS RHEINGOLD 24.6.2013 –
Foto: Teatro alla Scala
Seit dem 7. Juni diesen Jahres ist der Mailänder Ring nun komplett. Mezzo TV übertrug die Premiere live. Die zweite Serie des Rings wurde dann zwischen 24. und 29. Juni gezeigt und der Berichterstatter wohnte ihr von der ersten Galerie mit Kaufkarte für den gesamten Zyklus um 420 Euro bei. Der Zyklus war nicht restlos ausverkauft, aber sehr gut besucht, denn nur wenige freie Plätze in den Palchi waren zu erkennen. Aber Achtung: In Mailand kann man sich nicht etwa auf einen freien, besseren Platz setzen, denn alle Abgäng zu den Logenrängen sind bis zum Ende der Vorstellung für die beiden Galerien geschlossen und werden mit Argusaugen von den PlatzanweiserInnen bewacht.
Riccardo Muti hatte in den neunziger Jahren lediglich die Walküre und die Götterdämmerung an der Skala gezeigt. Der letzte komplette Ring wurde an der Mailänder Scala im Jahr 1963 unter André Cluytens (1905-1967). Der jetzige Ring wurde mit der Berliner Staatsoper Unter den Linden und dem Toneelhuis und Eastman in Antwerpen koproduziert.
Der gegenwärtige Zyklus wurde mit dem Rheingold am 16. Mai 2010 eröffnet. Stephane Lisser hatte gleich zu Beginn seiner Amtszeit an der Scala die Idee, den gesamten Ring unter der musikalischen Leitung von Daniel Barenboim bis zum Jubiläumsjahr 2013 zu produzieren.
Der belgische Regisseur Guy Cassiers und sein Team von Antwerpens Toneelhuis konnten für die szenische Realisierung gewonnen werden. Während man in Wien den gegenwärtigen Zyklus mit der Walküre begann und erst als Abschluss das Rheingold brachte, ging man in Mailand chronologisch vor.
Enrico Bagnoli, der auch für die Lichtregie verantwortlich zeichnete, entwarf ein Bühnenbild, das aus einem flachen Wasserbecken bestand, in dem sich die Rheintöchter und Alberich spritzend herum tummelten. Was macht man aber mit einem Wasserbecken in den drei verbleibenden Szenen. Nun, Bagnoli lässt schachbrettartig Steine emporfahren und während sich dann später die Götter und das übrige Personal der Oper auf diesen Stegen bewegen, tanzen sieben Tänzer des Eastman Balletts zur Choreographie von Sidi Larbi Cherkaoui in den verbleibenden Wasserzonen. Sie verdoppeln einerseits die Sänger, markieren dann an anderer Stelle den Wurm, in den sich Alberich verwandelt oder verhüllen ihn als Kröte und beleben dann als interaktive Brücke die musikalischen Übergänge zwischen den einzelnen Bildern.
Aus dem flachen Wasserbecken kann sich naturgemäß auch nur mehr Gold in der äußeren Form von flachen Platten dem Betrachter bieten. Und während Freia auf einer Art von flachem Schanktisch liegt, stapeln dann Donner und Froh diese Goldplatten vor ihr auf. Ein funkelnder Glitzerhandschuh à la Michael Jackson diente dem Nibelungen Alberich zuletzt noch als Ring. Die beiden Riesen erschienen wie Mafiosi in schwarzen Anzügen gekleidet.
Ein Relief, das den „Tempel der menschlichen Leidenschaften“ des belgischen Bildhauers Jef Lambeaux (1852-1908) darstellt und sich im Original im Parc du Cinquentenaire in Brüssel befindet, wird schließlich sichtbar und symbolisiert die Götterburg Walhalla.
Tim van Steenbergen entwarf Kostüme, die als noble Abendroben angesehen werden können und mit dem Geschehen eigentlich nichts zu tun haben. Arjen Klerex und Kurt D’Haeseler belebten den kargen Hintergrund mit wenig aussagekräftigen Videos.
Positiv fiel mir das Orchester der Mailänder Scala auf, das unter Maestro Barenboim besten Wagner präsentierte. Da war bereits der Beginn des Rheins, der noch ein kleines Rinnsal ist, bis zum Anwachsen zum mächtigen Strom, ein berauschendes Klangerlebnis, welches dann in seiner Gesamtheit auch vom Publikum, das den Dirigenten offenbar in sein Herz geschlossen hatte, mit zahlreichen Bravirufen goutiert wurde.
Johannes Martin Kränzle war ein wortdeutlicher intensiver Alberich mit geradezu boshaft dämonischen Auswüchsen, zunächst im Rheingold, dann noch im Siegfried und der Götterdämmerung. Sein Gegenspieler, der Lichtalbe Wotan, wurde hingegen von drei verschiedenen Sängern interpretiert. Den noch jungen Göttervater verkörperte der 1960 geborene deutsche Heldenbariton Michael Volle, der sich seine Kräfte hörbar gut einteilte, um in den dramatischen Konfliktszenen voll aufzudrehen und sich in den eher kontemplativen Szenen ein wenig zurück zu nehmen.
Peter Bronder war sowohl im Rheingold als auch im Siegfried ein durchschlagender Mime, der überzeugend den aufgeriebenen Charakter des im Schatten seines Bruders und von diesem gequälten und völlig unterdrückten Zwerges darstellte.
Iain Paterson und Alexander Tsymbalyuk verkörperten das Riesenbrüderpaar Fasolt und Fafner in Mafiosianzügen mit durchdringender Stimme, Letzterer auch im Siegfried.
Ekaterina Gubanova gefiel im Rheingold als noch liebende Gattin Fricka, die sich dann in der Walküre zur geifernden eifersüchtigen Xanthippe entwickelt, um am Ende ihres Auftrittes überzeugend die Resignation der betrogenen Hüterin der Ehe eindrücklich vorzuführen.
Anna Samuil als Freia, die die jugendspendenden Hesperiden für die Götter züchtet, überzeugte vor allem durch ihr blendendes Aussehen, stimmlich war sie unangenehm schrill. Auch in der Götterdämmerung war ihre Leistung als dritte Norn und als Gutrune wenig besser.
Die Erda der Anna Larsson hörte sich im Rheingold noch stellenweise etwas angestrengt an, im Siegfried waren dafür keinerlei hörbaren Abstriche zu verzeichnen.
Die kleineren Götter Donner und Froh wurden stimmlich gut und darstellerisch engagiert von Jan Buchwald und Marius Vlad interpretiert.
Das Terzett der Rheintöchter wurde im Rheingold und in der Götterdämmerung harmonisch von Aga Mikolai / Woglinde, Maria Gortsevskaya / Wellgunde und Anna Lapkovskaja / Flosshilde dargeboten.
Wenn auch der Beginn des Zyklus noch keine Aussage über den möglichen Ansatz eines Konzeptes des belgischen Regieteams zulässt, so fiel jedenfalls der Schlussapplaus enthusiastisch vor allem für Maestro Barenboim aus.
Harald Lacina