Milan Turković
PAUSENTÖNE
124 Seiten, Verlag Der Apfel, 2022
Wenn man immer schon gerne geschrieben hat – und Milan Turković, einst im Hauptberuf berühmter Fagottist, bringt es auf ein gutes halbes Dutzend Bücher -, dann läuft der Schock des März 2020, als Corona und der Lockdown plötzlich über die Menschen hereinbrachen, vielleicht auch darauf hinaus, sich über mancherlei den Kopf zu zerbrechen und es nieder zu schreiben. So kam es zu dem Bändchen „Pausentöne“, das unter dem Motto der Nestroy’sche Erkenntnis „Ja, die Zeit ändert viel!“ stehen könnte.
Turković sinniert viel darüber, was erst die Pandemie und nun, viel schlimmer, der Krieg für uns bedeuten. Er schwenkt dennoch in die Vergangenheit, und der nunmehr bald 83jährige erzählt etwa von seinen Erfahrungen des Reisens mit Orchestern (als Fagottist war er bei vielen Institutionen teils Mitglied, teils Gast), was auf jeden Fall eine besondere Sache ist (immer mit der Sorge um das mitreisende Instrument).
Vor Jahrzehnten haben sich – „Ja, die Zeit ändert viel!“ – Musiker, wenn sie an das Teatro Colon in Buenos Aires gingen, gerne zur Überfahrt wochenlang auf ein Schiff gesetzt, um noch einmal Zeit für ausführliches Partiturstudium zu haben. Heute kann das Hin- und Herhetzen zwischen den Kontinenten gar nicht schnell genug gehen…
Auch Persönliches spielt da herein: Turković, nach dem Tod seines aristokratisch-kroatischen Vaters von der Wiener Mutter nach Österreich gebracht, wurde als junger Musiker gewarnt, an einem Gastspiel in Tito-Jugoslawien teilzunehmen. Obwohl längst Österreicher, hätte man ihn noch als Kroaten betrachtet und wegen nicht geleisteten Militärdienstes dort einbehalten…
Im übrigen ist das Buch ein Sammelsurium aller Art, Nachdenken eines klugen Mannes über den Zeitgeist, wobei er über vieles nur den Kopf schütteln kann. Welche Art von Irrtum, Schlamperei oder einfach Unbildung, die er auf den Kulturseiten der Zeitungen so reichlich findet, steckt dahinter, wenn aus Georg Philipp Telemann ein Herr „Telekom“ wird?
Wenn es um das Genre Oper geht, dann setzt sich Milan Turković mutig und gerne den symbolischen Steinigungen aus, wenn er offen meint, dass man Werke so erzählen sollte, wie ihre Schöpfer sie gemeint haben, Neuerfindungen fragwürdig seien und er Nikolaus Harnoncourt zitiert, mit dem er viel zusammen gearbeitet hat: „Kunst kann auch missbraucht werden.“ Hier wird er sicherlich einige Anhänger haben, die seine Reflexionen „zum Tag“ auch in anderer Hinsicht interessant finden werden.
Am Ende philosophiert Turković über die reale Seite des Büchermachens – die Mühe, dass aus einem Manuskript auch ein gedrucktes Buch wird, das man im Laden kaufen kann. Er erinnert sich dabei – „Ja, die Zeit ändert viel!“ – an das Glück, das er hatte, bei seinen ersten Schreibversuchen dem Verlags-Tausendsassa Leo Mazakarini vorgestellt zu werden (wer je in längst vergangenen Zeiten in Wien mit Verlagen zu tun hatte, kannte ihn). Da war noch Ermutigung, Unterstützung, aktive Teilhabe. Dann wurde es schon schwieriger.
Echt schwierig ist es in jedem Fall, einen „wissenden“ Lektor zu finden, der Fehler findet und nicht selbst welche macht, noch schwieriger, ein gewissenhaftes Register erstellt zu bekommen (in diesem Buch hat man sich gleich gar nicht die Mühe gemacht), und als Autor jammert er, wie schier unmöglich es ist, gegen Druckfehler anzukämpfen… (Knurriger Kommentar des Verlegers: Wenn die Autoren nur fehlerfreie Manuskripte lieferten!)
Turković ist in seinem Autorenleben von Verlag zu Verlag gezogen, nun ist er – „Ja, die Zeit ändert viel!“ – in den definitiv mageren Zeiten gelandet, wo sein Buch aus Ersparnisgründen mit kleinem Druck nur noch wie eine schmale, weiche Broschüre wirkt, in der nicht wirklich angenehm zu lesen ist. Der Inhalt hätte etwas mehr Aufwand, eine bessere Präsentation verdient.
Renate Wagner