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Michaela Lindinger: WALLIS SIMPSON

Ganz und gar unromantisch

27.10.2024 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Michaela Lindinger: 
WALLIS SIMPSON
Verhinderte Queen – Aufsteigerin – Meistgehasste Frau der Welt
254 Seiten, Molden Verlag, 2024

Ganz und gar unromantisch

Gäbe es mittlerweile nicht Meghan Markle, so könnte Wallis Simpson für sich beanspruchen, Englands bestgehasste Frau aller Zeiten zu sein. Für diesen Titel haben die Damen etwas gemeinsam – beide sind geschiedene Amerikanerinnen, und beide haben ein Mitglied der Royals aus der königlichen Familie heraus geholt. Wobei der Fall Simpson noch weit schlimmer war: Ihretwegen legte ein König die Krone nieder, eine ungeheure Pflichtverletzung seinem Volk gegenüber.

In der immer interessanten Serie des Molden Verlags, die sich „Reihenweise kluge Frauen“ nennt, ist nun diese Wallis Simpson (1896-1986) an der Reihe – denn auch negativer Ruhm bleibt bestehen. Im Gegensatz zu anderen, kurzfristig berühmten Frauen kennt man ihren Namen noch immer. . Interessant sind auch die Bilder des Buches, die zeigen, dass Wallis alles andere als eine landläufige Schönheit war, absolut kein verführerischer Typ, weit eher herb und distanziert wirkend. Steif und wie vertrocknet wirken sie und Edward oft auf gemeinsamen Fotos.

Umso mehr möchte man erfahren, worin die Anziehungskraft der Frau bestand, die aus König Edward VIII (1894-1972) den Herzog von Windsor machte, mit dem sie von 1937, als sie ihn ein Jahr nach seiner Abdankung heiraten konnte, bis zu seinem Tod 1972 als „Ausgestoßene“ ein Exil-Leben fern von England führte. Sie überlebte ihn um 14 Jahre und bewahrte bis ins hohe Alter ihre hochmütig wirkende Attitüde. Von romantischer Liebe, die hinter einer solchen Beziehung stecken könnte, ist allerdings nie die Rede – und darum ging es wohl auch nicht.

Autorin Michaela Lindinger beginnt ihr Buch im Österreich des Jahres 1936, wo Edward und Wallis getrennt auf ihre Scheidung von ihrem zweiten Mann warteten. Der kürzlich abgedankte Ex-König war, wie man zuletzt  auch in einem Buch über die Rothschilds nachlesen konnte, in Schloss Enzesfeld der Bankiersfamilie kein einfacher und auch ein teurer Gast, denn er telefonierte endlos mit Wallis in Frankreich, wobei er sich über die enormen Kosten für die Gastgeber nicht den Kopf zerbrach. Hier benützt die Autorin die Gelegenheit, den eigenbrödlerischen, exzentrischen und egoistischen Charakter Edwards zu zeichnen.

Wir mögen es heute romantisch finden, dass ein König „für die Frau, die ich liebe“ auf den Thron verzichtet, die Briten sahen das 1935 anders. Man konzentrierte sich darauf, Wallis Warfield aus Baltimore zu hassen. Zwei Ehemänner hatte sie bereits, als sie Edward kennen lernte: Zuerst den amerikanischen Marine-Offizier Earl Winfried Spencer. Dann, nach der Scheidung, den reichen Anglo-Amerikaner Ernest Simpson, mit dem sie nach London ging und in der High Society verkehrte. Beide Männer waren „gute Partien“, worauf es ihr angekommen war, aber nichts im Vergleich zum Prinzen von Wales, den sie 1934 – immerhin schon 38 Jahre alt– kennen lernte.

Ein lockeres Verhältnis mit der verheirateten Amerikanerin hätte man vielleicht toleriert, aber als Edward seinem verstorbenen Vater 1936 auf den Thron folgte und die ungeheure Forderung erhob, die Amerikanerin zu heiraten, war die Hölle los – überall. In der Familie, im Parlament, beim Volk, in den Medien. Dass Edward in den krisenhaften Zeiten, da Nazi-Deutschland immer mächtiger wurde und eine kriegerische Konfrontation nicht unwahrscheinlich war, seinen „Posten“ verlassen würde – wer hätte es gedacht. Verziehen hat man es ihm nie.

Als „Herzog von Windsor“ persona non grata, war er Jahre später nicht eingeladen zur Krönung seiner Nichte, Elizabeth II. Schon davor immer wieder Objekt der Skandalpresse, nicht zuletzt durch seine Sympathien für Nazi-Deutschland (von Hitler wurde das Ehepaar in Ehren empfangen). Edward war für die britische Regierung eine große Belastung. Im Krieg „verbannte“ man ihn geradezu auf die Bahamas, nachher vazierte das Herzogspaar durch Europa und die USA.

Und Wallis? Den Titel „Königliche Hoheit“, den Edward für sie so dringend wünschte, erhielt sie nie, von den Royals, besonders der Schwiegermutter, wurde sie heftig abgelehnt. . Aber Wallis hat – immerhin mit Schmuck von Millionenwert behängt – viel erreicht: Reichtum, ein Jet-Set-Leben, das sie von einer Party zur nächsten führte, weltweite Berühmtheit (wenn auch von der fragwürdigen Art). So, wie man Meghan Markle nachsagt, sich Harry aus Berechnung geangelt zu haben, so scheint es auch bei Wallis der Fall gewesen zu sein.

Und da ist auch noch die Frage der Sexualität, über die so viel spekuliert wurde. Edwards Bisexualität hat Wallis immer akzeptiert. Vielleicht, weil bei ihr  hormonell nicht alles klar war? Zu allem, was man den Windsors nachsagte (sie haben vielleicht nicht für Deutschland spioniert, aber wohl doch Wissen weitergegeben), kommt auch dies.

Kurz, mehr als um „Liebe“ im konventionellen Sinn  ging es bei diesem Paar um Verstrickungen der seltsamen Art. Wallis wurde zwar nicht Königliche Hoheit, aber eine Königin der Regenbogenpresse. Als Amerikanerin war ihr das vielleicht sogar lieber… Schillernd und rätselhaft wie eh und je ist man ihr auch in diesem Buch begegnet.

Renate Wagner

 

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