Michaela Lindinger:
ELISABETH PETZNEK
ROTE ERZHERZOGIN – SPIRITISTIN – SKANDALPRINZESSIN
304 Seiten, Molden Vrlag, 2021
Sie wurde nach ihrer Großmutter benannt, nach Kaiserin Elisabeth, deren unkonventioneller Lebenswandel den Wiener Hof über Jahrzehnte erschütterte. Aber das war kein Vergleich mit der Exzentrik, die ihre Enkelin die meiste Zeit ihres Lebens zeigte. Sie sollte als Tochter des Kronprinzen Rudolf, als Enkelin von Kaiser Franz Joseph, auf Wunsch des Kaisers in eine allererste Stellung des Kaiserhauses hineinwachsen, gewissermaßen als Erste Dame der Monarchie nach dem Tod der Großmutter. Aber sie war von Anfang an eine Rebellin, ebenso wenig zu bändigen wie einst ihr Vater. Begraben wurde sie 80jährig als Witwe eines Politikers der Wiener Sozialdemokratie…
So, wie ihre Mutter sie einst enterbt hatte, enterbte sie ihre Kinder aus der „adeligen“ Ehe mit dem Fürsten Windisch-Graetz. Sie war gerne die „Rote Erzherzogin“, aber sie hielt an ihrem hochgeborenen Lebensstil bis zum Ende fest. Eine schlechtweg wirre Persönlichkeit, die Mitwelt und Nachwelt fasziniert.
Michaela Lindinger hat sich nach Hedy Lamarr auch hier ein böses Mädchen für ihre Biographie vorgenommen, wobei man bei den Habsburgern weit ausschweifen kann. Schon bei der schlechten Ehe der Eltern, Kronprinz Rudolf und die belgische Prinzessin Stephanie, die über die Köpfe der beiden arrangiert wurde und wegen Verschiedenheit der Charaktere nicht klappen konnte. Die Enttäuschung über die Geburt einer Tochter hat Kronprinz Rudolf bald überwunden und liebte seine kleine „Erzsi“ leidenschaftlich, was sie lebenslang erwiderte. Dabei stand sie 1889 als Fünfjährige vor dem aufgebahrten Vater, die Wahrheit über seinen Selbstmord verbarg man vor ihr.
Dass ihre Mutter nach elfjähriger Witwenschaft 1900 den ungarischen Grafen Elemér Lónyay heiratete, hat sie ihr nie verziehen. Die beiden Frauen haben sich zutiefst gehasst. Abgesehen davon, dass Elisabeth überhaupt keine liebenswürdige Person war…
Ein größeres Kapitel widmet die Autorin die Verwicklung der Erzherzogin in spiritistische Kreise, was damals hoch in Mode war, wenngleich sie, als Tochter eines kritischen, hoch intelligenten Vaters, immer versuchte, die Geschehnisse bei okkulten Sitzungen mit dem Verstand zu erklären. Dennoch geriet sie ganz in den Bann dieser esoterischen Bewegung.
Erzsi setzte sich rebellisch in der Wahl ihres Ehemannes durch, denn die Familie Windisch-Graetz war zwar bedeutend, aber für Franz Joseph nicht gut genug. Aber die junge Erzherzogin setzte ihren Willen durch, heiratete Otto Fürst Windisch-Graetz 19jährig und bekam in den nächsten Jahren in schneller Abfolge drei Söhne und eine Tochter. Aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Moderne auch in den Köpfen eingezogen, Frauen forderten sexuelle Selbstermächtigung (diese Freiheit war davor ausschließlich den Männern zugestand), und bald umgab sie das Hautgout eines skandalösen Lebens. Als Franz Joseph 1916 starb, verlor Erzsi den Mann, der doch immer hinter ihr gestanden hatte.
Ihr Schicksal erzählt dann von den rasanten Veränderungen, die die Zeitläufte allen Menschen auferlegten. Die Fürstin Windisch-Graetz wurde nach dem Ersten Weltkrieg, als der Adel in Österreich abgeschafft wurde, zur Frau Windisch-Graetz, und nach der Scheidung 1924 der ein schlimmer Rosenkrieg voran ging, konnte sie nicht mehr den Titel einer Erzherzogin beanspruchen.
Dennoch ist nichts in ihrem Leben mit dem für alle Welt schockhaften Entschluß zu vergleichen, dass sie sich 1925 den Sozialdemokraten anschloß. Sie glaubte an die republikanischen Errungenschaften für die Frau, aber ganz „echt“ war die „Erzsi von der roten Nelke“ ihr Leben lang nicht, auch nicht, als sie 1948 Leopold Petznek heiratete, den die Nazis während des Krieges ins Konzentrationslager gesteckt hatten. Sie spielte ihren Habsburgischen Status durchaus aus, lebte in seiner prächtigen Villa in der Linzer Straße, ließ sich aber gleichzeitig gewissermaßen als berühmte Renegatin feiern… Nach Petzneks Tod (1956) waren Hunde die einzigen Gefährten der alten Frau.
Sie vermachte ihren ganzen Besitz der Stadt Wien . ihren Kindern, deren Frauen, ihren Enkelkindern hatte sie in störrischer, unversöhnlicher Abneigung den Rücken gekehrt.
Die Biographie führt durch die Achterbahnfahrt eines Lebens zwischen Kaiserzeit und sechziger Jahren, geschildert an einer Frau, die trotz ihrer Rebellion zwischen den Zeiten stecken geblieben war.
Renate Wagner