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Michaela Lindinger: DIE DUNKLE KAISERIN

Die seltsame Frau

12.01.2025 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Michaela Lindinger
DIE DUNKLE KAISERIN
ELISABETHS SPÄTE JAHRE
264 Seiten, Amalthea Verlag, 2025

Die seltsame Frau

Eine Wittelsbacher Prinzessin aus Bayern wurde zur Ikone des Hauses Habsburg. Weit mehr noch als Maria Theresia lockt man mit der schönen „Sisi“ die Touristen nach Wien und Ischl und überhaupt nach Österreich.

Dabei geht es natürlich in erster Linie  um ihre Schönheit – die hinreißende junge Frau in weißen Stickereien und Tüll  mit den Sternen im Haar, wenn sie echt sein soll, die süße Romy Schneider, wenn man sich seine Information aus dem Kino holt.

Zweifellos ist das Thema von Kaiserin Elisabeth von Österreich ausgeschöpft, für alle, die es gewissermaßen  historisch solide wissen wollen, gibt es unzählige Biographien. Darüber hinaus aber auch Studien zu Einzelaspekten, von ihrer Kleidung bis zu ihren Dichtungen, von ihren Reisen bis zu ihren Beziehungen, von ihren Spleens bis zu ihren (oft bemerkenswerten) Strategien….

Seltsamerweise scheint der Reiz ungebrochen, ebenso wie das Interesse, also kann der Amalthea Verlag nach etwas mehr als einem Jahrzehnt auch ein Buch über die späten Jahre der Kaiserin neu auflegen, weil man ja auf ein neues Leserpublikum trifft. Autorin Michaela Lindinger hat sich mit vielen historischen Frauenbiographien einen Namen gemacht, die Habsburger waren auch für sie ergiebig.

Zum Thema Elisabeth blättert die Autorin nun viele Einzelaspekte ihres Altersdaseins auf. Elisabeth in Bayern (wie ihr Titel lautete, da sie aus einer Nebenlinie des Hauses stammte) kam am Weihnachtstag des Jahres 1837 zur Welt, sie war 15, als ihr Cousin Kaiser Franz Joseph von Österreich sich so hemmungslos in sie verliebte, dass er sich erstmals seiner allmächtigen Mutter entgegen stellte und das halbe Kind heiratete. Sie hatte es am Wiener Hof sehr schwer, aber als sie nach zwei Töchtern 1858 endlich den Sohn geboren hatte, den man dynastisch von ihr verlangte, wendete sie selbst das Blatt.

Sie hat sich ihre Selbstständigkeit, ihre Abwendung vom Wiener Hof und dem Kaiserhaus, die Freiheit ihrer Lebensführung hart und klug erarbeitet, nicht zuletzt dank ihrer Schönheit, die sie strategisch einsetzte und  für sie zu einem Zentrum ihrer Existenz wurde – die mit Gewalt erhungerte überschlanke Linie (sie litt immer wieder an einem Hungerödem), das bis zu den Hüften hängende Haar, sie galt als schönste Frau Europas und legte auch Wert darauf. Der Gatte war dieser Frau hilflos ergeben und erfüllte alle ihre Wünsche und Forderungen. 

Aber trotz allem, was sie sich auferlegte (Spazierexzesse, Turngeräte), das Alter machte auch vor ihr nicht Halt. Und da beginnt nun die „dunkle“ Geschichte des Buches. Denn dann wollte die Kaiserin eigentlich nicht mehr gesehen werden – so wie Garbo, könnte man sagen, die auch nicht wünschte, dass ihr „altes“ Gesicht die ikonenhaften Bilder ihrer Glanzzeit überdeckte.

Autorin Michaela Lindinger sagt von sich, die Kaiserin halte sie seit Jahren „in Trab“, ist doch der „Sisi“-Boom in Filmen und Fernsehserien ungebrochen. In ihrem Hauptberuf Kuratorin im Wien Museum, ist Michaela Lindinger sowohl für die Porträtsammlung wie für die Hermesvilla zuständig und musste unzählige Anfragen beantworten, was dann auch immer wieder neue Erkenntnisse brachte (ungeachtet dessen, was diese Filme und Serien dann an Albernheiten behaupten… auch „Corsage“, worauf alle Beteiligten so stolz sind).

Die Autorin setzt nun in Einzelkapiteln ein Bild der älteren Frau zusammen, die man ja doch nicht anders als „seltsam“ nennen kann. Sie ist  mit besonderen Maßstäben zu messen, was sie sich natürlich nur leisten konnte, da sie durch die grenzenlose Großzügigkeit ihres Gatten sozusagen überprivilegiert war, sowohl in der Freiheit der Lebensgestaltung wie auch in dem schier endlosen finanziellen Rahmen, der ihr zur Verfügung stand.

Intellektuell müsste man Elisabeth angesichts ihrer eher mühseligen , oft wehleidigen Gedichte für ein schlichtes Gemüt halten, aber diese Frau hat immerhin Ungarisch weitgehend perfekt und auch Altgriechisch gelernt, kann also nicht dumm gewesen sein. Je älter sie wurde, umso mehr entfloh sie der Wirklichkeit durch Spintisierereien, sah sich selbst als Feenkönigin Titania (die mit den Todesgöttinnen Diana / Artemis verbunden ist), vertiefte sich in griechische Götter und Helden und führte seltsame Gespräche mit Heinrich Heine, ihrem dichterischen Vorbild  – ein bißchen Borderline für unseren Begriff. Fasziniert vom Morbiden, von Totenbeschwörungen, Leichenhäusern und Irrenhäusern, sich daneben politisch „demokratisch“ bekennend und ihren imperialen Stil wohl nie hinterfragend, meist depressiv und wohl für ihre Umwelt nicht leicht zu ertragen – seltsam, wie gesagt.  

Da Michaela Lindinger schon von Berufs wegen die Hermesvilla gewissermaßen auswendig kennt, befassen sich einige Kapitel des Buchs mit diesem Gebäude, das Kaiser Franz Joseph nur für seine Frau im großen Areal des Lainzer Tiergartens errichten ließ, abgeschieden genug vom Wiener Hof, den sie hasste, , mit der Möglichkeit, exzessiv zu reiten und spazieren zu gehen (das Jagen, das dort auch möglich wäre, hatte die Kaiserin stets abgelehnt). Der Kaiser hoffte, sie so mehr in Wien fest zu halten – vergeblich, wie man weiß. Elisabeth ließ zwar die Hermes-Statue vor dem Bau errichten (und nannte die Villa nach ihm), aber letztendlich folgte sie ihren griechischen Helden lieber nach Korfu, wo das Achilleion Achill und anderen huldigt… Hier wollte Elisabeth übrigens laut ihrem Testament begraben sein, ein Wunsch, den ihr die Familie Habsburg natürlich nicht erfüllen konnte.

Letztendlich resümiert die Autorin, die wahre Sisi werde wohl immer ein Mythos bleiben. Die Mischung aus Fakten und Sagen über sie werden zu einem unendlichen Märchen für Erwachsene. Nun, es gibt wohl keine bessere Voraussetzung dafür, dass es grenzenlos weitere Bücher und Filme über sie geben wird – auf der Suche nach einer Frau, die sich ja doch nicht erhaschen lässt.

Renate Wagner

 

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