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MICHAEL SCHADE – damit der magische Wald der Künste weiterlebt

12.05.2018 | Allgemein, Sänger

 DAMIT DER MAGISCHE WALD DER KÜNSTE WEITERLEBT

Gespräch mit Michael Schade über die Wiener Staatsoper, die Barocktage in Melk, glückhafte Projekte & die Arbeit mit hoffnungsvollem Nachwuchs

11.5. 2018 – Karl Masek


Michael Schade (Selfie)

Kammersänger Michael Schade, sie sind jetzt mitten in der Probenarbeit für die bevorstehende Vorstellungsserie „Capriccio“ (17./20./24./27.5.), bei der Sie, wie schon in der Premiere, wieder den Flamand singen. Die letzte Vorstellung dieser Inszenierung von Marco Arturo Marelli war im Juni 2013, Premiere war vor ziemlich genau 10 Jahren: Ist das bloß eine Wiederaufnahme oder doch eine Neueinstudierung?

Ich glaube schon, dass in der Aera Dominique Meyer sehr intensiv an der Musik gearbeitet wird, wir haben mehr Bühnenproben, als man sonst oft bei Wiederaufnahmen hätte. Es ist auf jeden Fall eine musikalische Neueinstudierung. Allein dadurch, dass die ‚Gräfin‘ neu ist, weil die Premierenbesetzung Renée Fleming die Rolle nicht mehr singt. Das ist jetzt die Anna Gabler, und die macht das ganz toll. Und sonst ist es durch Adrian Eröd, durch Angelika Kirchschlager, durch Markus Eiche, durch Wolfgang Bankl,… ein Wiedertreffen sehr guter Freunde und ein Wiedertreffen mit großer Musik. Die Marelli-Inszenierung ist eine der schönsten, die ich kenne, und ich freue mich sehr darauf …

… und es gibt auch Orchesterproben? …

… ja, eine davon geht  heute, gleich nach diesem Gespräch, los!


Michael Schade als „Flamand“. Copyright: Michael Pöhn

Sie haben schon angedeutet, Capriccio ist ein besonders feines Werk, ist es auch ein Werk der ‚Inneren Emigration‘ des Richard Strauss in einer besonders schlimmen Zeit? Sehen sie das auch so?

Ich sehe das ganz genau so wie sie. Und auch für den Opernliebhaber, der den Rosenkavalier mag, all die Auseinandersetzung mit ‚Schönheit und Wahrheit‘. Das Drama einer ‚Arabella‘. Für Strauss ist das alles ja nicht nur eine Spielerei, es spricht auch ein bisschen Wehmut, gerade aus Capriccio. Wie wenn sie in ein Museum gehen und sehen alles, was z.B. seit 1918 nicht mehr war. Der ganze Impressionismus, der Jugendstil, …, das Ableben dieser Zeit – und der Strauss hat ja buchstäblich gesehen, wie seine Welt zusammenbricht. München, Dresden,…. Und natürlich hat er sich dieser Welt entzogen, versucht, dieser Welt zu entkommen, sich eine eigene Welt zu schaffen, wie ein Maler eine Winterszene malt, wenn es in seinem Atelier 45° hat … Also, ich verstehe das!

Sie haben an der Wiener Staatsoper ja bisher 4 Rollen von Richard Strauss gesungen – den Matteo, den Barbier aus der Schweigsamen Frau, den Leukippos in der Daphne – und eben den Flamand. Ich gehe nach ihren bisherigen Aussagen über Richard Strauss fast davon aus, dass sie dem Klischee, Strauss habe die Tenöre nicht gemocht, nicht zustimmen …

… ich unterstreiche dieses Klischee überhaupt nicht! Natürlich, diese Rollen sind irrsinnig schwer zu singen! Auch der Flamand, der ja der lyrischste von diesen Rollen ist. Aber der hat’s auch in sich! Das is‘ net ohne! Das Duett mit der Gräfin, und das herrliche Sonett, das er singt, aber teilweise ist das die schönste Musik, die man singen kann! Also schon von daher kann ich mir nicht vorstellen, dass er die Tenöre gehasst haben kann. Was er macht (wie Mozart) ist, dass der Tenor auf der ‚Messerkante der Emotion‘ lebt! Die Liebe ist etwas, das schnell kippt; und auch bei Mozart kann die Stimme bei Un‘ aura amorosa oder Dalla sua pace leicht kippen.

Ihre Überzeugung ist, Strauss-Sänger müssen unbedingt von Mozart her kommen? Und es gibt ja ganz viele Beispiele: die Schwarzkopf, Lisa della Casa, Gundula Janowitz; Dermota, Fritz Wunderlich – und Michael Schade …

…Danke!

Gehen wir in die unmittelbare Zukunft. Was ihnen auch besonders wichtig ist: die künstlerische Leitung der Internationalen Barocktage in Melk, schon seit 2014 – und kürzlich wurde der Vertrag – zum zweiten Mal übrigens – bis 2022 verlängert! Das heurige Motto (von 17.- 21.5.) lautet: „Il Suoni dell‘ Universo“ (Die Schöpfung und ihre Naturgewalten). Wie ist man auf dieses Motto gekommen?

Ich bin immer schon ein Freund des Globalen gewesen. Je mehr man in der ‚Großen Welt’ und in verschiedenen Sprachen groß wird, desto bewusster wird einem, wie klein wir alle sind. Und wie wichtig es ist, die Dinge von innen hinauszutragen, die Frage, warum wir hier auf dieser Erde sind, kann mit Kunst am besten ausgedrückt werden, in dem Sinne, dass wir etwas kreieren, was auch Menschen nach uns sehen und hören wollen…, und wir in Melk haben das große Glück, dass wir diesem Bau (und dem Gedanken der Benediktiner) vieles verdanken: Melk ist Festung und Universität. Universales Denken ist hier. Weltoffenheit. Wir haben das Glück, dass die Welt zu uns kommt in Melk … und wir machen Sachen, wie:  durch die Stürme bis nach Argentinien zu reisen und von dort Musik kommen zu lassen, die dann wieder bis zum spanischen Hof reicht… und wir sind, ganz nach Harnoncourts Worten, eine Entdeckergemeinschaft, und die Barockmusik ist auch heute noch ein bodenloses Fass, es gibt  unendlich viel Neues zu entdecken!… Und wir gehen zurück bis zum Urknall und der Beschreibung des Chaos,… und es gibt sogar ein Konzert, zugleich mit der Diskussion einer Biochemikerin und eines Theologen, zur Thematik. Und die Benediktiner begrüßen diese Auseinandersetzung, diese verschiedenen Meinungen, die Diskussionen…, und an vier, fünf  Tagen gibt es vom Vormittag bis Mitternacht Programme, Events – und viele unseres Publikums bleiben die ganze Zeit da!

Kann man auch schon für 2019 etwas verraten?

Heuer sind es 40 Jahre, dass es die Internationalen Barocktage gibt. Motto verrate ich noch nicht – aber wir werden uns nicht im Geringsten zurücklehnen nach dem Jubiläum. Der Concentus Musicus wird z.B. weitere umfangreiche Aufgaben haben – mit unserem großartigen Stefan Gottfried und einem noch nicht genannten großen Dirigenten „von außerhalb“. Wir haben freche, große, neue Pläne und wollen pushen und  „im Großen dramatisch“ denken!

Arbeit mit Studierenden / Musikhochschule „Cosi fan tutte“ / Wie kam es dazu?:

Ausgangspunkt war ein Gespräch mit dem Vizerektor. der Musik-Uni. Es wäre toll, wenn man Austausch hätte mit denen, die auf der Bühne stehen. Wobei zu betonen ist, dass die Zusammenarbeit mit den dortigen Professoren äußerst wichtig ist. Besonders zu betonen ist dabei: Natürlich habe ich Mozart nicht „erfunden“, möchte aber gerne wertvolle Erfahrungen meiner Arbeit mit Muti, Harnoncourt,… weitergeben. Und die Schönbrunner Arbeit steht im Zusammenhang mit dem Gesangsinstitut der MDW unter Margit Klaushofer. Zusätzlich etwas zum Normalunterricht, das eine Spezialfunktion hat mit dem Gedanken, das Schönbrunner Schlosstheater im Sommer wieder verstärkt zu bespielen. Vom 12. bis 15.7. gibt es dort vier halbszenische Vorstellungen der „Cosi“ mit 2 verschiedenen Besetzungen. Wohin das genau führt, wissen wir noch nicht. Ich bin einfach der Meinung, dass es unsere Verantwortung ist, dem jungen hochtalentierten Nachwuchs zu helfen. Mir wurde so viel geholfen – daher habe ich schon immer gerne versucht, etwas weiterzugeben. Ob Young Singers Project in Salzburg, das ich mit Jürgen Flimm damals initiiert habe, ob der Schmelzer-Barockwettbewerb in Melk – das alles bringt den Jungen sehr viel. Und dazu beizutragen, dass der „magische Wald der Künste“ weiter lebt – und nicht eines Tages keine Nahrung mehr hat…

Geht es in letzter Zeit mehr von der Oper weg in Richtung künstlerischer Leitung; in Richtung Nachwuchsarbeit, in Richtung Oratorium, Konzert, Lied?

(Lacht): Ich würde fast drauf antworten wollen: Schön, wenn‘s so wäre – aber das ist nicht so und war auch nie so. Ich habe das große Glück gehabt, 26 Jahre an der Wiener Staatsoper singen zu dürfen – und das geht auch weiter (im letzten Jahr der Direktion Meyer, und auch mit dem Team um  Bogdan Roščić bin ich in guten Gesprächen, nur darf ich da auch noch nichts verraten!)… ich hab immer Phasen gehabt, wo ich sechs, sieben Monate gar keine Oper gemacht habe. Jedes Jahr, in dem  ich den Beruf  mache, desto mehr liebe ich ihn. Und ich habe den Vorteil, dass ich seit 6, 7 Jahren weiß, w a s ich bin …, ein „Operntier“, Zwischenfachtenor, der von Mozart kommt, der sich allerdings nicht dauernd fragt, wann kommt jetzt endlich der Lohengrin. Ein „Kultur-Mitdenker“ und leidenschaftlicher Gestalter. Es geht mir so gut, dass ich in meinem Alter machen kann, was  ich will, kann und darf. Von Monteverdi bis zum lyrischen Wagner. Ja, ein Erik kommt demnächst. Stolzing in Glyndebourne war unglaublich toll. Aber es muss so sein, dass die Stimme von der Bühne „getragen“ wird. Sonst haut es auf die Stimme, wenn die Bühne „offen“ ist. Offene Bühnen sind eine große Gefahr Und leider durch die vielen Videoproduktionen, die immer mehr im Trend sind. Nach den intensiven Endproben wird die Stimme irre müde. Ich habe sogar einmal die Konsequenzen ziehen und weitere Vorstellungen absagen müssen. Und ich wollte nicht der nächste Sänger sein, der „auf dem Operationstisch landet“! Gut, in Toronto kommt neu der Aegisth, wieder der Leukippos, auch Peter Grimes kommt (aber nicht in Wien), ich möchte weitere Opern- und Jugendprojekte durchführen – eines in der Aufarbeitung des frühen Todes meines Bruders (mit 54 Jahren).

Ich bedanke mich für ein intensives, sehr freimütiges Gespräch mit einem Sänger, der große Begeisterung für alles , was er tut, ausstrahlt, wünsche Ihnen alles Gute für all die kommenden Projekte – und uns MUSIKfreunden viele weitere Begegnungen in der Oper und allem, „was künstlerisch kreiert wird, was andere sehen und hören wollen!“

 

 

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