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METZINGEN/ Kelternspiele: PICKNICK IM PIJAMA – brennend aktuelles Vergnügen

25.07.2013 | KRITIKEN, Oper

Metzinger Kelternspiele „PICKNICK IM PYJAMA“ 24.7. 2013 (Premiere 18.7.) – Brennend aktuelles Vergnügen


Die Liebe siegt: Martina Auer (Babe) und Fabian Brändle (Sid) mit Tanzensemble Copyright: Katrin Kipp

Bei den nun schon traditionellen Musical-Produktionen auf dem historischen Metzinger Kelternplatz ist eine neuem Aera angebrochen. Dr. Horst Laubner, der Begründer der Spiele und alserfahrener Pädagoge mit Herz und Seele eine Institution, hat sich altersbedingtzurück gezogen und am Regiepult einer jüngeren Generation Platz gemacht. Für den bislang als profilierter Schauspieler hervor getretenen Christian Wißler bedeutete die Übernahme der Regie völliges Neuland. Unter tatkräftiger Mitarbeit und Beratungder Hauptdarstellerin Martina Auer ist ihm mit der deutschen Version deserfolgreichen Broadway-Musicals „Pajama Game“ von 1954, das später in der  Verfilmung mit Doris Day gar zu einem Kultstreifen wurde, ein hoch beachtliches Debut gelungen.

Speziell beim Musical, wo Musik, Spiel, Tanz und Dialoge so fließend temporeich mit einander verbunden sein sollten,
bedeutet dies ein großes Kompliment. Nur anfangs brauchte die Inszenierung imschnelle Verwandlungen zulassenden Bühnenraum seiner Frau Barbara Wißler ein bisschen Zeit in Gang zu kommen, aber kaum war
 auch beim Publikum der Damm abwartender Zurückhaltung gebrochen, entwickelteder Ablauf einen regelrechten Sog, in dem alle Komponenten Schlag auf Schlag ineinander griffen und die Akteure selbst noch anspornten.

Die brennende Aktualität des Stoffes, zumal in einer vom Textilgewerbe geprägten Stadt wie Metzingen, triumphierte denn auch über so manche Flachheit, die einige kritische Stimmen in Vergangenheit und Gegenwart darin auszumachen meinten.

Die Geschichte ist schnell erzählt: zwischen der Liebe von Sid Sorokin, des neuen Betriebsdirektors einer Fabrikation fürNachtwäsche und Babe Williams, der Leiterin der Beschwerdekommission seitens der Gewerkschaft steht der Kampf der Belegschaft um eine Lohnerhöhung von 7 ½ Cent pro Stunde. Fast scheint die Liaison daran zu zerbrechen, doch die mittels Hochprozentigem gelockerte Zunge der leicht verführbaren Chefsekretärin Gladys Hotchkiss bringt die längst in die Betriebskosten einberechnete Lohnerhöhung ans Licht und den Firmeninhaber Myron Hasler unter dem Druck weg brechender Aufträge zur Beigabe.

Wie damit dennoch 2 ½ Stunden ohne Durststrecken ausgefüllt werden können, zeigte die Aufführung in der deutschen Übersetzung von Günter Neumann und Helmut Zander auf sehr unterhaltsame und bisweilen doch auch nachdenklich machende Weise. Der Wechsel von Intim- und Ensemble-Szenen, zwischen Fabrikationshalle, Büro, Privatküche, Nachtbar und Picknickplatz trägt genauso dazu bei wie einerseits die animierende, von Swing-Rhythmen dominierte Musik von Richard Adler und Jerry Ross, und andererseits die teils professionelle, teils gekonnt amateurhafte Ausfüllung Sud sucei durch die Darsteller.

An der Spitze des Ensembles standen erwartungsgemäß die beiden langjährigen Publikumsfavoriten Martina Auer und Fabian Brändle, die – es muss wieder einmal gesagt sein – auch weiterhin eine sichere Bank für den Erfolg der Produktionen sind. Auer kann als Babe Williams  zwischen funktionsverpflichtender Härte und liebesbedingt verführerischer Sinnlichkeitmit ausdrucks-flexibler Stimme alle Seiten dieser Figur mit bewundernswerter
Beweglichkeit beleuchten. Im Prinzip steht sie sich ebenso selbst im Wege wieBrändle als Sid Sorokin in der Gleichzeitigkeit von herzvoller Attraktivität und beruflicher Interessens-Wahrnehmung. Deshalb flüchtet dieser Sid auch gerne in die Welt der Träume, wohin er auch das Publikum dank seiner lückenlosen Verschmelzung von vokaler Wärme und Emotionalität sowie tänzerischerLeichtigkeit zu entführen vermag. Die technisch optimal sitzende Stimme hat noch an Farben und Tragfähigkeit hinzugewonnen.

Es gibt allerdings noch weitere Glanzlichter zu erwähnen. Nicht nur, weil sie in „Steam Heat“ und dem berühmten
  aufgrundwihres          schauspielerischenTalents, mit dem sie die übersnnte Gladys mit riesiger Brillein meist schiefer Beinstellung, leicht lispelnder Sprache und einer Raffinesse aus Pflichtergebenheit und Verführungsbereitschaft als köstlich schrägen Typ zeichnet, darf Kerstin Motz getrost als Entdeckung für das Ensemble bezeichnet werden.

Auch Michael Essig als linkisch steifer Fertigungsleiter Vernon Hines, der seine Alkoholsucht und Eifersucht in Messerwurf-Aktionen auslebt, setzt ebenso hinreißende Pointen wie Benn Kobler alshinter jedem Rockzipfel her rennender Betriebsratsvorsitzender Prez und die ausder hauptsächlich weiblichen Belegschaft herausragende Susanne Kohler mit viel Sprachwitz oder Konrad Kramer  als Firmenchef mit urtümlich schwäbischem Unternehmergeist.

Andrea Königs fein charakterisierte Sekretärin Mabel lässt bedauern, dass ihre Rolle nicht umfangreicher ist, Reinhard Glatzels sprachlich eloquenter Vertreter Max hätte auch eine größere Aufgabe verdient gehabt.

Die von Katja Privitera erarbeitete Choreographie wurde von einer Tanzgruppe schmissig umgesetzt und teils als Verlängerung in die Gruppenszenen bei der Fabrikation und beim Picknick-Ausflug auch vom gemischten Chor stimmig aufgegriffen.

Viel Vorarbeit hatte der musikalische Leiter Stephen Blaich geleistet, musste erdoch die wohl existierende kammermusikalischere Orchesterbesetzung nochbearbeiten und der gespielten Fassung anpassen. Als Dirigent hatte er dasEnsemble wie schon bei vorherigen Produktionen bestens im Griff, steuerte dieMusiker mit Animo und leichter Hand sicher durch die verschiedenen Rhythmen.

Das professionelle Orchester sicherte demganzen Unternehmen wie auch den einzelnen Solisten und dem Chor als Vereinigungeine hilfreiche Basis, die jeder Musiknummer ein klar umrissenes Klangbild gab.

Nach der finalen Nachtmodenschau, bei der das Hauptpaar sich einen Schlafanzug teilte, und einer Kissenschlacht, an der sich schließlich auch der Firmenchef beteiligen musste, feierte ein bestens gestimmtes Publikum alle Beteiligten mit begeisterten Zurufen.                                                                                                                                                        

Udo Klebes

 

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