Meiningen: „TRISTAN UND ISOLDE“ 03.05.2013
Man muss am Inszenierungs-Dilettantismus Land auf, Land ab nun wirklich nicht verzweifeln, denn es gibt sie noch die echten Könner, wie jetzt am Südthüringischen Staatstheater. Bedarf es als Garanten einer gelungenen Produktion eigentlich sehr wenig, lediglich eines guten Regisseurs (Gerd Heinz) mit Kenntnis der Materie sowie einer sparsamen Bühnendeko (Rudolf Rischer), authentischen, kleidsamen Kostümen (Gera Graf) und fertig ist die ästhetische, sehenswerte Inszenierung von Richard Wagners genialem Liebesepos „Tristan und Isolde“. Wurde die Szene von Kollegin Kerstin Voigt bereits so liebevoll und detailliert geschildert, auch mich faszinierten die großartigen, optischen Eindrücke besonders im zweiten und dritten Aufzug und fasste den Entschluss: hier bin ich nicht zum letzten Mal – trotz langer Anreise!
Pardon meine Damen, verdienterweise gebe ich heute den Herren den Vorzug meines Berichts: allen voran die musikalische Leitung durch GMD Philippe Bach, der versierte Dirigent inspirierte die Meininger Hofkapelle zu hervorragenden Orchesterleistungen!
Farbenprächtig erblühte bereits das erste Vorspiel, bei Bach dominierten im Verlauf meist ruhige Tempi in der allmählichen überschäumenden Ekstase des zweiten Aufzugs, nie störten ausufernde, orchestrale Eruptionen, stets in formidabler Intonationssicherheit erfreuten die Blechbläser, bestens disponiert harmonisierten Streicher- und Holzsegmente, sorgten für jenen suggestiven, magischen Klangrausch der Partitur. Zudem spiegelte sich die hohe Qualität des Instrumentariums in den leisen Passagen wider, so auch die umschmeichelnde Begleitung des Englischhornsolo (mit den deplatzierten Klappergeräuschen aus dem Foyer) im dritten Aufzug.
Als Tristan erlebte man einen optisch wirkungsvollen, großen Sänger, liebevoll im Umgang mit der Partnerin steigerte sich Hans-Georg Priese intensiv in die Fieberträume, verlieh seinem dunkeltimbrierten Heldentenor farbenreiche Individualität, lotete die Partie in vokaler Konsequenz und feinen deklamatorischen Nuancen bestens aus. Die Stimme klang stets präsent, sehr kultiviert in den Piani, von charakteristischem Schmelz, lediglich im dritten, kräftezehrenden Finalakt stellten sich kleine Höhenprobleme ein, welche allerdings in Anbetracht der qualitativen Gesamtleistung keineswegs ins Gewicht fielen. In vokaler Markanz und Ausdruckskraft beeindruckte mit klangschönem Kavaliersbariton Dae-Hee Shin als darstellerisch nobler Kurwenal und bewältigte die Partie selbst in den dynamischen Regungen mit souverän, technisch einwandfreier Versiertheit. Ohne Larmoyanz auf das musikalische Ebenmaß, seiner sonoren Baßstimme bedacht sang Ernst Garstenauer einen eindringlichen, respektablen König Marke.
Bettine Kampp konnte den Rezensenten lediglich als darstellerisch dezent agierende, hoheitsvolle und wandlungsfähige sowie optisch jungmädchenhafte, grazile Isolde überzeugen, vokal blieben dagegen viele Wünsche offen. Ihrem zum Klirrfaktor neigenden Sopran fehlte es an Wärme, weichen Bögen, der breiten Höhenöffnung, zudem irritierte mich die seltsame Intonation und sehr mangelhafte Artikulation der Sängerin, mir schien die Partie kam zu früh und Frau Kampp sollte nochmals gründlich Partitur und Textbuch studieren. Anna Maria Dur sang die warnenden Brangäne-Rufe sehr kultiviert mit breitem Atem, doch neigte ihre ansprechende Mezzostimme zu störendem Vibrato und unangenehmen Höhenschärfen. Klare tenorale Konturen schenkte Rodrigo Porras Garulo dem jungen Seemann und Hirten, angenehm klang die Stimme des Steuermann (Lars Kretzer), weniger schön dagegen der in der Rolle unsympathische Melot (Stan Meus), adäquat entfaltete sich der von Sierd Quarré bestens einstudierte Herren- und Extrachor. Das während der Aufführung sehr unruhig trippelnde Publikum bedankte sich mit Bravos und sehr lang anhaltendem Beifall.
Gerhard Hoffmann