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Maximilian I. (1459-1519)

06.01.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

buch maximilian i~1

Per tot discrimina rerum
Maximilian I. (1459-1519)
Herausgegeben von Markus Debertol, Markus Gneiß, Julia Hörmann-Thurn und Taxis, Manfred Hollegger, Heinz Noflatscher, Andreas Zajic  Unter Mitarbeit von Sonja Dünnebeil
560 Seiten, Böhlau Verlag, 2022

Kaiser Maximilian I. ist eine der funkelndsten und, in der Beurteilung der Nachwelt, weitgehend positivsten Gestalten des Hauses Habsburg. Tatsächlich war seine Leistung für die Familie elementar – in drei Generationen (er selbst, sein Sohn, seine Enkel) konnte er, von den vergleichsweise bescheidenen österreichischen Erblanden ausgehend, ein gewaltiges Reich zusammen-„heiraten“, was als ziemlich singulär in der Geschichte gilt, wo Macht meist durch Krieg akkumuliert wurde.

Als Maximilian jung war, konnte er sich noch als (mittelalterlicher) „Ritter“ fühlen, dem es später auch gelang, seinem Vater 1508 als Kaiser des Heiligen Römischen Reichs nachzufolgen und damit zumindest für kurze Zeit die prestigeträchtigste Stellung seiner Zeit einzunehmen, Nur zwei Jahre nach seinem Tod jedoch sollte Luther vor Maximilians Enkel Karl stehen und das Reich der Christenheit in seiner gewohnten Form zusammen brechen.

Vieles andere hat sich in den kaum 60 Jahren seiner Lebenszeit geändert – die „Renaissance“ schuf ein differenzierteres, schwierigeres Weltbild. ,Das halbe Jahrtausend, das uns von Maximilian trennt, ist das Zeitalter der Zeitenwende zwischen Mittelalter und Neuzeit, für das gerade er steht wie wenige andere..

Maximilians Leben ist in vieler Hinsicht immer wieder beleuchtet worden, es gibt zahlreiche Biographien und Bildbände über ihn, weil (dank seiner eigenen Anstrengungen) viel spektakuläres Bildmaterial existiert. Was nicht bedeutet, dass zu Einzelthemen nicht noch neue Forschungsergebnisse vorgelegt werden konnten.

2019 jährte sich sein Todestag zum 500. Male. Zu diesem Anlass wurde eine Tagung einberufen, zu der man internationale Fachleute einlud, zu mehreren Schwerpunkt-Themenkreisen Spezialuntersuchungen zu Maximilian anzustellen (ein Beitrag auf Englisch, einer auf Französisch wurden nicht übersetzt).

In einem relativ kurzen Zeitraum (wenn man bedenkt, wie lange es oft dauert, bis die Ergebnisse von Symposien veröffentlicht werden) liegt das wissenschaftliche Ergebnis nun in einem prächtigen, großformatigen, mit 128 meist farbigen Abbildungen angereicherten Band vor, der vom Land Tirol gesponsert wurde (das Maximilian viel verdankt und vice versa – nur dass Tirol als Spezialaspekt in dem Buch nicht vorkommt…).

Die Hauptkapitel, zu denen es jeweils mehrere Artikel gibt, befassen sich mit: Herrschen in einer Brückenzeit / Umfeld und Netzwerke / Bildende Kunst und Memoria / Literatur und Propaganda / Vergnügen am Hof / Staatliche Verdichtung / Maximilian und Europa / Das Heilige Römische Reich und die Erbländer. Unter diesen Themenkomplexen kann vieles aufgearbeitet werden, ohne dass man Vollständigkeit anstrebte.

Der selbst gewählte Wahlspruch von Maximilian lautete „Per tot discrimina rerum“, was so viel bedeutet wie „Durch so viele Gefahren“, und man hat diesen Satz als Motto des Buches gewählt, was auch bedeutet, dass es hier keinesfalls um die Verherrlichung dieser Persönlichkeit geht. Er hatte wahrlich mit vielen Schwierigkeiten  zu kämpfen – etwa jener Geldnot, die gleich im ersten biographischen Beitrag angesprochen wird, weil sie auch so viele Entscheidungen des Fürsten beeinflusste, der selten konnte, was er wollte. Und dennoch so viel erreicht hat – wobei viele Interpretationen (wie immer) im Auge des Betrachters liegen.

Gezeichnet wird das Europa seiner Zeit, wird sein Vater Friedrich III., der als Erster die Kaiserwürde des Heiligen Römischen Reichs gewann, die dann bis auf wenige Ausnahmen bis zum Ende im „Besitz“ der Familie blieb. Elementar wichtig ist der Personenkreis, mit dem sich ein Mächtiger umgibt, desgleichen die sozialen Strukturen und Veränderungen, mit denen man konfrontiert ist.

Dass die Wissenschaft von heute Begriffe anwendet, die es zu Maximilians Zeiten nicht gab, versteht sich von selbst – wobei es „Netzwerke“, wie immer man sie nannte, stets gegeben hat und unabdingbar waren in der politischen Welt. Das in der biographischen Literatur so beliebte Kapitel „Maximilian und die Frauen“, hier auch im Hinblick auf die Narrative behandelt, zeigt deutlich, dass eine glückliche erste Ehe mit Maria von Burgund keinesfalls aus der Gefühlskomponente heraus geschlossen wurde. Auch bei Gattin Nr. 2 standen finanzielle Erwägungen im Vordergrund, wobei die Autorin (Christina Antenhofer) aus weiblicher Sicht nicht darüber hinweg sehen kann, wie oberflächlich Maximilian in seinem Verhalten Bianca Maria Sforza gegenüber war, die er überhaupt nie in sein Leben einbezog.

Da waren andere Dinge wichtiger, etwa der mächtige Orden vom Goldenen Vlies (zu dem Maximilian ein spannungsgeladenes Verhältnis hatte und zu dem die beeindruckende Liste der Mitglieder zu seiner Zeit geliefert wird) oder der St. Georgs-Ritterorden – und natürlich auch die Stellung der Juden in seiner Welt (wozu auch die jüdisch-stämmigen Leibärzte zählen – eine Profession, die man den sonst in ihrem erlaubten Wirkungskreis so eingeschränkten Juden neben den Geldgeschäften zubilligte).

Wenn es um Maximilian und die Künste geht, steht da nicht nur Albrecht Dürer im Vordergrund, sondern vor allem die Frage, wie sehr Maximilian die Künste – und da vor  allem die Bildnisse seiner Person und Familie – zu Propaganda-Zwecken einsetzte. Dass er die Wichtigkeit dessen, was man als „Medienarbeit“ bezeichnet, als einer der Ersten begriffen hat – sorge dafür, dass Du so dargestellt wirst, wie Du gesehen und erinnert werden willst -, wurde oft festgestellt. Seine Auftragswerke hatten das Ziel, seine „Triumphe“ darzustellen, in die Welt zu schicken und für die Nachwelt zu bewahren. Es ist ihm, wie man weiß, auch geglückt. Und auch sein gewaltiges Grabmal in Innsbruck dient bis heute diesem Zweck – ungeachtet der Tatsache, dass er nicht darin beigesetzt ist…

Auch die Literatur von und rund um Maximilian steht im Zeichen seiner Eigen-Propaganda, nicht nur selbst verfasste Werke, auch Flugblätter und Zeitschriften kündeten von ihm. Korrekturen etwa an dem Druck seines „Theuerdank“ zeigen, wie intensiv sich der Kaiser damit befasste, jedes Detail im Auge zu behalten.

In der Welt der Künste schließlich spielte die Musik für Maximilian (wie für viele seiner hochmusikalischen Nachkommen) eine besondere Rolle, nicht nur als Repräsentation, sondern auch als Privatvergnügen. Aufschlussreich ist eine Darstellung der Tanzformen seiner Zeit.

Ein weiterer Schwerpunkt wird dem Motto “staatlicher Verdichtung“ gesetzt, was Themen wie Finanzgebarung (unendlich wichtig für einen Mann, der nie reich war), Rechtswesen und Archivwesen umfasst. Maximilian und Europa wirft den Blick auf Spanien, das er über die Heirat seines einzigen Sohnes für seinen Enkel (und ein paar Generationen von dessen Nachkommen) sichern konnte, auf seine Italienpolitik (in zweiter Ehe heiratete er eine Frau aus einem Mailänder Fürstengeschlecht),  auf Nord- und Osteuropa , wobei er erfolgreich auf Diplomatie setzte, und auf die  Schweiz.

Der letzte Schwerpunkt schließlich gilt dem Heiligen Römischen Reich sowie den Erblanden, wobei Oberösterreich, die Erwerbung der Grafschaft Görz, Innerösterreich (Steiermark, Kärnten, Krain) sowie das historische Erzherzogtum Österreich im Zentrum einzelner Artikel stehen. Am Ende des Buches stehen die Welser Adelsfamilie Pohlheim sowie Wels selbst, die Stadt, in der er gestorben ist – die letzte Abbildung zeigt das berühmte Totenbildnis Maximilians…

Es ist ein Werk, an dem Geschichtsinteressierte viel zu lesen haben und aus dem viel zu lernen ist. Wer sein Interesse auf die Person des Herrschers selbst konzentriert, wird viele bisher nicht angedachte Aspekte finden, die das Bild des Faszinosum Maximilian anreichern.

Renate Wagner

 

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