Maurice Ravel:
Klavierwerke
Ragna Schirmer
belvedere CD
Musik zum biographischen Puppentheaterstück „Konzert für eine Taube Seele“
Die Entstehung dieses durchaus gelungenen Albums ist auf eine Produktion des Puppentheaters Halle zurückzuführen. Regisseur und Autor Christoph Werner entwickelte ein dramatisch-musikalisches Stück für Puppen und Schauspieler, in dem Spuren zum geheimnisvollen Leben des frz. Komponisten Ravel gelegt werden. Die Pianistin Rangs Schirmer interpretierte dabei nicht nur die Zyklen „Miroirs“ (1905) und „Gaspard de la nuit“ (1908), sondern hatte auch eine szenische Rolle inne.
Ragna Schirmer über das Stück: „Die Theaterbühne wird durch einen diagonalen Spiegel geteilt, der je nach Lichteinfall transparent und undurchdringbar ist. Hinter dem Spiegel steht der Flügel. So trennen sich Innen- und Außenwelt, so ist es möglich, verbale biographische Szenen und nonverbale musikalische nebeneinander zu stellen. Die lebensecht wirkenden Puppen intensivieren das Erleben. Während Ravel immer kränker wird, vermengen sich Ebenen des Innen und Außen, verschwimmen geradezu. Durch Videoproduktionen, unter anderem eines Zeichentrickfilms über den ersten Weltkrieg, wird die Inszenierung zum Strudel, Verzweiflung und Hoffnung steigern sich zum Wahn. So vollzieht der Zuschauer den Leidensweg Ravels mit.“
Tatsächlich ist das Leben Ravels überaus zwänglich, von Musik bis Ordnungsfanatismus, Einsamkeit, Krankheit und Schicksalsschlägen durchdrungen bis zum Exzess. Nach dem traumatischen ersten Weltkrieg, während dessen er seine Mutter verliert, beginnen Ravel Krankheitssymptome zu plagen: Kopfschmerzen, Gedächtnislücken, motorische Ausfälle. Die sogenannte „Seelentaubheit“, eine seltene neuropsychologische Krankheit mit schweren Erkenntnisstörungen, nimmt Ravel alles. 1937 unterzieht sich Ravel einer Gehirnoperation, an der er stirbt.
Die nicht nur seinem schöpferischen Genie, sondern der ganzen tragischen Person Ravels gewidmete CD geht unter die Haut. Die Musik Ravels ersteht in ihrem Flirren, Gleißen und wie Wasser perlenden Duktus, in ihrem Lichtspiel einem kunstvoll und pedantisch geschliffenen Diamanten nicht unähnlich, als Spiegel einer leidenden Seele. Dabei strebt der Klang wie bunt aufsprossende Blumen einem imaginären Himmel zu. Musik als Befreiung und Gefängnis zugleich. An all dem lässt Ragna Schirmer den Hörer mit ihrem hoch imaginativen Spiel teilhaben, das die impressionistischen Klänge mit Konkretem anreichert. Feenreiche durchschreiten, dem Flüchtigen den Ewigkeitskuss schenken, Geschichten erzählen, die in ihrer Ambivalenz unser Sein spiegeln, reflektieren hohes Künstlertum. Und die Puppe sieht jeden mit ihren großen grünen Augen intensiv forschend und voller Mitleid an. Uns alle, die wir wie Ravel Musik als (wichtigen Teil) der „Liebe des Lebens“ begreifen.
Der Film zum Theaterstück „Konzert für eine taube Seele“ eröffnet neue Blicke auf die geheimnisvolle Biographie des Komponisten. Die DVD dazu ist ebenfalls bei belvedere erhältlich.
Dr. Ingobert Waltenberger