Marisa Altmann- Althausen
„Fricka – das ist Butterlage!“
Marisa Altmann-Althausen, hier als „Ortrud“ die entweihten Götter besingend. Foto: Karin Meier
Die Mezzosopranistin, die dieses Credo ablegt, ist Tirolerin aus Kufstein. In Innsbruck hat sie Jus und Gesang zu studieren begonnen, in Wien und München letzteres fortgesetzt. Als Gewinnerin des Benjamino Gigli-Wettbewerbs in Sirmione und Semi-Finalistin beim Belvedere-Wettbewerb stieg sie unmittelbar in erste Fest-Engagements in Hagen im Ruhrgebiet, wo sie als Amneris debutierte, und dann in Kassel ein, wo sie sich unter Roberto Paternostro alle „Ring“-Rollen ihres Fachs ersang. Meisterklassen bei Birgit Nilsson haben ihr endgültig den richtigen Weg gewiesen. Auftritten in Krefeld, Düsseldorf und Pilsen folgten Engagements an die Bayerischen Staatsoper und ans Liceu Barcelona, nach New York und Tokyo…
Derzeit lebt sie in Wien, wo sich in letzter Zeit eine vielfältige Konzerttätigkeit ergeben hat. Die Sängerin überrascht uns stets aufs Neue nicht nur mit Bach und Händel, Mozart und Wagner, Verdi oder Saint-Saens, sondern auch mit italienischen Kanzonen oder einer exquisiten Auswahl an Tiroler Volksliedern, mit denen sie dem Publikum urige Unterhaltung bietet.
In „Merker“-Kreisen ist sie längst ein Geheimtipp. Wenn es uns gelingt, sie zu einem Auftritt in unserem „Kunstsalon“ oder bei irgendeinem privaten Fest zu gewinnen, stehen wir immer primär vor dem Problem: Was lässt man die Besitzerin einer solchen Riesenstimme, die mühelos jeden Raum sprengt, singen?
Gute Meister
Dass „unsere“ Marisa dann trotzdem zu einer kultivierten Gesangslinie findet, geht auf „gute Meister“ zurück. Wolfgang Brendel, Walter Berry, Kurt Widmer hießen sie. Und bei der Meisterin aller Meisterinnen – Birgit Nilsson, besuchte Marisa Altmann-Althausen auf Schloss Bückeburg bei Hannover zwei jeweils 10-tätige Meisterklassen. (U. a. war da auch Evelyn Herlitzius mit dabei.)
Dort durfte sie nicht nur zuhören, sondern eifrig mitsingen. Aber nicht etwa Ortrud oder Kundry, wie es dem offenbar ererbten Stimmvolumen entsprochen hätte, sondern – Mozart. „Die 2. Arie der Dorabella, È amore un ladroncello…“ ließ sie mich singen, rauf und runter, immer wieder…Sie packte mich hart an, bis die Töne ganz geschmeidig, wie von selber kamen und mit dem Text in eins verschmolzen.“ Erst beim Schlusskonzert durfte die so geschulte Mezzosopranistin dann die große Szene der Fricka (ohne Wotan) aus der „Walküre“ singen. „Für die Bühnenaufführungen in Kassel habe ich mich dann immer mit der Dorabella eingesungen!“
Wagner
Ich habe Marisa Altmann-Althausen zum ersten Mal im Wiener Wagner-Verband, zusammen mit dem erfahrenen Wotan- und Alberich-Darsteller Oscar Hillebrandt, die Wagner-Göttinnen singen hören, Erda sowohl wie Fricka. Nicht die mindesten Probleme schienen ihr diese anspruchsvollen Rollen zu bereiten. Die Partie der weihlich weisesten Wala entströmte der Kehle der jungen Sängerin mit ebenmäßigem Alt- und Mezzo-Register, als Fricka bot sie ihrem Göttergatten mit perfekt artikulierten und ganz auf Linie gesungenen Argumenten Paroli.
Im recht originell inszenierten Kasseler „Ring“ (Regie: Michael Leinert) spielte der 2. Akt „Walküre“ in einem großen Bibliothekssaal. Zu Beginn der großen Dialogszene bot Wotan (Manfred Volz) seiner Angetrauten, die ihm im stattlichen pelzverbrämten Hausmantel entgegentrat, ein Glas Champagner. So elegant, wie sich das Gespräch anließ – „Das ist Butterlage für mich!“ – führte Frau Fricka es auch ganz bewusst weiter, immer wieder lächelnd und mit butterweichem, aber auch mit imposanten Metalltönen in der Höhe gewürztem Gesang den Gatten dorthin zu lenken, wo sie ihn haben wollte. Imponierend, wie sie nach ihrem finalen Sieg noch einmal das Glas erhob und dem besiegten Gott zuprostete. Kurz: Eine Göttin – auch vom Auftreten her – mit Haltung! „Paternostro war als Sängerbegleiter aber auch absolute Spitze!“ fügt sie hinzu. Und wir wissen, dass da alles, Orchester, Gesang und Regie zusammenpassen muss, um solche Wirkung zu erzielen. Übrigens sang Christian Franz in jenem „Ring“ alle 4 großen Tenorrollen zum ersten Mal, wie das eben in der sog. „Provinz“ üblich und ratsam ist. „Ich habe in der Walküre“ fast immer sowohl die Fricka als dann im 3. Akt die Waltraute gesungen.“ Die sang sie dann auch in der Kupfer-Inszenierung unter Bertrand de Billy in Barcelona sowie bei den Tiroler Festspielen unter Gustav Kuhn die Erda und – den Prinzen Orlofsky in der „Fledermaus“ – „als japanischer Transvestit im Kimono mit japanischen Holzschuhen.“
Aber auch…
Marisa Altmann-Althausen ist wandlungsfähig. In die konträrsten Rollen zu schlüpfen macht ihr Riesenspaß. Im privaten Kreis bezeichnen wir sie gern als „Düse“, wenn sie allein mit ihrem schallenden Gelächter alle Anwesenden ansteckt und zu ähnlich vergnügten Kundgebungen mitreißt. Das schließt absolute Seriosität in ernsten Rollen natürlich nicht aus.
In Kassel habe ich sie z.B. in der Uraufführung einer amerikanischen Oper „Valentino“ von Dominik Argento erlebt, in deren Mittelpunkt der berühmte Schauspielstar der Stummfilmzeit der 20erjahre des 20. Jhs. stand. „Ich musste als Alla Nazimova, geigenspielend, ganz gegen meinen Typ, eine Hollywood Diva spielen, die den jungen Valentino protegiert hat und – natürlich etwas mehr erwartet...“
Das gelang ihr absolut glaubwürdig.
Von ihrer ersten großen Bühnenrolle, der Amneris in Hagen, wo damals Michael Halász musikalischer Chef war, erzählt die Künstlerin, dass sie mit stehenden Ovationen gefeiert wurde. Selbstverständlich sang sie als Ensemblemitglied alles, was sich eben für ihre Stimmlage ergab: Die Alisa in „Norma“, die Mary im „Holländer“, die Larina in „Eugen Onegin“, die Alte in Schrekers „Fernem Klang“ oder die Mutter in „Hänsel und Gretel“, daneben als Gast in Pilsen die alte Azucena, ein weiterer Bombenerfolg.
Und noch früher, noch während ihres Studiums, ging sie gar auf Tournee als Heilige Elisabeth von Thüringen. „Wie bitte?“ frage ich unwillkürlich, und werde aufgeklärt:
“Beim Weltkirchentag in München war die Premiere und dann sind wir, begleitet vom ‚Gesangsorchester’, d.i. ein fahrendes Orchester, zwei Jahre durch ganz Deutschland gefahren, oft mit täglichen Vorstellungen. Es war eine Art Opern-Musical von Peter Janssens über das Leben der jungen Landgräfin von Thüringen. Es gab einen Erzähler, der als Minnesänger auftrat und alle wichtigen Ereignisse berichtete. Alles tonal komponiert, sehr schön zu singen, Motto: Eine Frau sucht einen Weg, einen ganz eigenen Weg…“
Ob sich mit diesem Thema, dessen Vertonung die Sängerin so verlockend schildert, nicht neuerdings Geschäfte machen ließen???
Hoffnungsvoll begann ihr einjähriges Engagement als Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper. Zubin Mehta bot ihr in den „Trojanern“ in der vollständigen Berlioz-Fassung (6 Stunden mit 2 Pausen) neben Deborah Polaski als Cassandra und Waltraud Meier als Dido die Hecuba an. Unter Peter Schneider sang sie in der Konwitschny-Inszenierung von „Parsifal“ ein Blumenmädchen. Ich entsinne mich, wie ich sie damals fragte, ob das nicht enttäuschend für sie sei, mit dieser kleinen Rolle abgefertigt zu werden: „Oh, die soll man ja nicht unterschätzen!“ meinte sie, denn sich in dieses Ensemble einzufügen, sei nicht nur schwierig, sondern auch eine für die stimmliche Flexibilität äußerst lohnende Aufgabe. „Danach bin ich als Gast nach Barcelona engagiert worden. Der neuen Münchner Direktion habe ich erst viel später vorgesungen, mit einer anderen Agentur, und da scheint es Differenzen gegeben zu haben.“
Wenn ich Marisa in der Oper treffe und es sich um eine Aufführung handelt, wo eine Kollegin ihres Fachs besonderen Erfolg hat, drängt sich die Frage auf, wie sie dazu steht: „Wenn jemand wirklich gut ist, habe ich keine Probleme damit. Nur wenn jemand an führender Stelle agiert, der schlechter ist als ich, dann ärgere ich mich.“ Verständlich.
Wunschrollen?
Natürlich Ortrud und Kundry. Die hat sie fast zur Gänze studiert. Venus. Die Brangäne hat sie schon einmal für Lioba Braun in Oviedo ge-covered, die ist also abrufbereit. Ebenso die Venus. Dalila, Eboli, die Fürstin in „Adriana Lecouvreur“ verstehen sich als Objekte ihres Begehrs ebenfalls von selber. Arien aus diesen Opern, auch z.B. die Carmen, hat sie schon bei den Gesangswettbewerben in ihrer Anfängerzeit gesungen.
Konzerttätigkeit
Zwischenzeitlich nimmt sie mit Begeisterung diverse Konzertangebote an. So gab es eine Einladung ins Österreichische Kulturinstitut (Austrian Cultural Forum) New York, wo sie die Ehre hatte, eine Abend mit Schreker-Liedern zu gestalten und Wagners Wesendonck-Lieder zu singen. „Daraufhin wurde ich zum Vorsingen an die Metropolitan Opera in New York eingeladen.“
Als Vertreterin Österreichs trat sie, auf Empfehlung der japanischen Pianistin Mami Teraoka, die an der Wiener Musikuniversität unterrichtet und sie begleitete, beim Internationalen EU-Japan-Fest u.a. in Tokyo, Kyoto und Kagoshima mit italienischen Arien und den Wesendonck-Liedern) auf. Als Ergänzung durfte sie in Japan einen Meisterkurs für japanische Kinder halten und ganze Chöre instruieren.
“In Paris habe ich an der Opéra de Bastille und Eva Wagner vorgesungen.“
Durch ihre vielen Kontakte zu diversen Juristen (von denen einige auch in ihrer Familie vertreten sind) kam es mehrfach zu ganz „unorthodoxen“ Einladungen. So hörte ich z.B. von Marisa Altmann-Althausen im großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Wien einen Soloabend, betitelt „Italienische Nacht im Grauen Haus“, wo sie, als talentierte Stimmungsmacherin, mit großem Vergnügen, das sie auch dem Publikum bereitete, exklusiv italienische Arien und Kanzonen sang, Ernstes und Heiteres, Lyrisches und Dramatisches bunt gemischt.
Von der Händel-Gesellschaft wurde sie in die Wiener Hofburgkapelle zu einem Duo-Abend mit dem Countertenor Arno Raunig eingeladen, wo uns das gemischte Programm überraschte, auch was die Aufteilung der diversen Gesänge zwischen einem Sopranisten und einer Altistin anbelangte, d.h. wo die Frau eine tiefere Lage singt als der Mann. Besondere Delikatessen wie z.B. das Duett zwischen Sesto und Annio aus Mozarts „Titus“ blieben uns da besonders in Erinnerung.
Die Tirolerin
Marisas jüngste Passion: Tiroler Volkslieder nicht nur zu singen, sondern auch zu entdecken. Einiges haben wir schon rund um unseren Kunstsalon zu hören bekommen.
Sie durchstöbert Bibliotheken, um in Vergessenheit geratenes Liedgut aufzustöbern. Voriges Jahr gab es da Weihnachtslieder im deftigsten Tiroler Dialekt zu hören, sehr plastisch vorgetragen, sodass man sich die geschilderten sakralen Ereignisse mit den sich sehr volkstümlich artikulierenden Figuren lebhaft vorstellen konnte. Zusammen mit dem Tiroler Harfenisten Wolfgang Schafferer plant sie da bereits die nächsten Folkloreabende, die u.a. in sehr guten Tiroler Hotels, vor allem bei den ausländischen Gästen, sehr beliebt sind. Ihr nächster Auftritt erfolgt am 30.12. im Hotel Superior in Neustift im Stubaital.
Seit ich in unserem Vorbereitungsgespräch für dieses Porträt erfahren habe, woher die gern als „Wagner-Sängern“ etikettierte Künstlerin diese Vielseitigkeit hat, wundere ich mich nicht mehr so sehr darüber.
Ihre Großmutter mütterlicherseits ist als Nichte eines Münchner Philharmonikers, des Cellisten Hans Ritter, sozusagen in der Bayerischen Staatsoper aufgewachsen und hat sich gewünscht, dass ihre Enkelin Sängerin wird. Der mütterlichen Verwandtschaft gehörte sogar die berühmte Schauspielerin Marlene Dietrich (Maria Magdalena von Lösch) an. Väterlicherseits gab es da in der Verwandtschaft eine Dichterin namens Schönwald, die einmal den deutschen Dichterpreis erhielt, und ein Abt Altmann war Gründer des Augustiner Chorherrenstifts Göttweig. Die Familie des Vaters gehörte der Donaumonarchie an. Aufgewachsen in Bukarest, kehrte der Vater nach dem Krieg nach Österreich zurück und wurde Gründer der Tiroler Glashütte (Glasdynastie, heute Riedel Glas). Künstlerische Interessen und viel Initiative hatten sie alle.
Wir dürfen also gespannt sein, was diese so angenehm unprätentiöse, für alle Anregungen offene Künstlerin uns noch alles zu bieten haben wird.
Sieglinde Pfabigan