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Marie-Theres Arnbom: DIE VILLEN VOM WIENER COTTAGE

Auf den Spuren der Vergessenen

12.02.2025 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Marie-Theres Arnbom
DIE VILLEN VOM WIENER COTTAGE
Wenn Häuser Geschichten erzählen
272 Seiten, Amalthea Signum Verlag, 2024

 

 

 

 

Auf den Spuren der Vergessenen

Es scheint unter den Verlagen einen Wettbewerb zu geben, Bücher über „Schauplätze“ vorzulegen – ob Hotels, Villen, bekannte Gebäude, man setzt sich auf die Spuren von Adressen und deren Bewohnern. Marie-Theres Arnbom hat sich in diesem Genre schon als Meisterin erwiesen – sie suchte und fand Villen ebenso in Pötzleinsdorf oder Baden bei Wien wie in der Sommerregion der Wiener, im Salzkammergut – Bad Ischl, dem Ausseer Land oder dem Traunsee. Und nun hat sie sich in den 18. und 19. Bezirk Wiens begeben, in das so genannte „Cottage“.

Man sagt „Cottääääsch“ und jeder weiß, was gemeint ist – Wien, dort, wo es abseits vom Zentrum teilweise am elegantesten ist. Dort, wo man sich ab 1872, als der Cottage-Verein etabliert wurde, in der „Gründerzeit“ Villen fast im Grünen bauen ließ, am Rande des Wienerwalds. Dort wohnten die echten „Promis“, Arthur Schnitzler oder Ferdinand Schmutzer, die Familie Thimig oder Josef Kainz, Erich Wolfgang Korngold oder Emmerich Kalman.

Aber Marie-Theres Arnbom begibt sich nicht auf die Spuren der großen Namen, sondern sie sucht unter den mehreren Hundert Villen eher jene Menschen, die in Vergessenheit geraten sind – wobei es sich dann oft um Familien handelt, die in die Konzentrationslager oder die Emigration getrieben wurden. Die Heimkehrer hatten die oft beschriebene Mühe, das einstige Eigentum der Familie – in diesem Fall die Häuser – zurück zu erhalten.

Viele Häuser sind baulich bemerkenswert und stammen von berühmten Architekten, aber der Autorin ging es in erster Linie um die Bewohner. Manche hinterließen der Welt große Leistungen und sind dennoch vergessen – wer weiß noch, dass ein gewisser Guido Adler 1924 ein Standardwerk schuf, nämlich das  dreibändige Handbuch der Musikgeschichte? Dass Elise Richter eine bedeutende Rolle in der „Frauen-Geschichte“ Wiens spielte, war sie doch die erste Frau, die sich (für das Fach Romanistik) an der Wiener Universität habilitierte? Dass es in der Familie Gärtner einen Erfinder, eine Schriftstellerin und eine Bildhauerin (Hanna Gärtner) gab? Wer weiß noch etwas über die Kinder von Felix Salten? Wer hat je davon gehört, dass das Geschäft Schwarz & Steiner die „Tiffany from Vienna“ waren und die Villa des Ehepaars Schwarz wie ein Märchenschloß aussah? Wer kennt noch den Namen des einstigen Tabakkönigs Kiazim Emin Bey? Viele Fotos laden in die Häuser ein, zeigen die Menschen, um die es hier geht. Ein Buch gegen das Vergessen.

Übrigens kommt Arthur Schnitzler doch noch in dem Buch vor, wenn auch nur als Schwiegervater. Das letzte Kapitel gilt der Familie Strakosch, die in der Sternwartestraße 56, vis a vis von Schnitzlers Haus, wohnte. Siegfried Strakosch war nicht nur ein reicher Zuckerfabrikant, sondern auch ein bedeutender Agrarpolitiker. Seine Tochter Lilly heiratete Schnitzlers Sohn Heinrich. Die musikalische Begabung war in beiden Familien groß, so war es kein Wunder, dass Michael, der jüngere Sohn der beiden, ein bedeutender Geiger wurde, Konzertmeister bei den Wiener Symphonikern, weltweit als Kammermusiker unterwegs. Marie-Theres Arnbom hat Lilly Schnitzler nach deren Rückkehr aus der Emigration noch gekannt und manchmal aus der an sich so schweigsamen Frau Erinnerungen hervor geholt…

Renate Wagner  

 

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