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Margret Greiner: MÄDA & MÄDA

Renate Wagner (11. April 2023)

11.04.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

buch greiner mäda v

Margret Greiner:
MÄDA & MÄDA
Gustav Klimt, die Wiener Werkstätte und die Familie Primavesi
300 Seiten, ‎ Verlag Kremayr & Scheriau, 2023

„Mäda“ ist kein üblicher Kosename – eher würde man in Wien „Mädi“ oder „Mäderl“ sagen, was allerdings herablassend klänge. Doch zwei Frauen, Mutter und Tochter aus der berühmten Familie Primavesi, wurden beide so genannt, und sie sind nun die Heldinnen einer Romanbiographie aus der Feder von Margret Greiner, die auch schon über Klimts Gefährtin Emilie Flöge und andere kunst-affine Damen geschrieben hat.

Gustav Klimt ist übrigens auch hier ein wichtiger Protagonist. Schließlich hat er die beiden „Mädas“ der Primavesis gemalt, wobei vor allem das Bild der jüngeren, der damals neunjährigen Gertrude Primavesi (1903–2000) ein hinreißendes Meisterstück ist. Die Mutter Eugenie Primavesi (1874-1962) reiht sich wunderbar in die „floralen“ Damenbildnisse, die Klimt von den reifen Frauen der Gesellschaft gemalt hat – was nicht zuletzt von der finanziellen Potenz der Ehemänner zeugte, denn „einen Klimt“ zu beauftragen, kostete nach damaligen (und erst recht nach heutigen) Verhältnissen ein Vermögen…

Aber die Autorin beginnt ihre Geschichte viel früher. Damals, als Eugenia Butschek, Tochter eines wohl bestellten k.u.k. Staatsbahnen-Beamten in Langenzersdorf, ihre Eltern mit dem Wunsch überfiel, unbedingt Schauspielerin werden zu wollen. Man gestattete es schließlich, das bildhübsche Mädchen besuchte das Konservatorium und bekam gleich ein Engagement in der berühmten mährischen Provinz,  im  königlichen Stadttheater von Olmütz. Dass der Beruf damals kein Honigschlecken war, macht die Autorin klar: 39 verschiedene Rollen (darunter auch die großen Brocken wie Gretchen  und Klärchen, Julia und Ophelia) in einer siebenmonatigen Saison, das würde man heute niemandem mehr abverlangen können.

Eugenia ging zwar noch für eine Saison nach Breslau, aber schon in Olmütz hatte sie erreicht, was damals angeblich das Ziel der jungen Schauspielerinnen war: sich einen reichen Mann zu angeln. Und Otto Primavesi (1868–1926) war sogar sehr reich. Er und sein Cousin Robert Primavesi (für den Josef Hoffmann die Villa Primavesi in der Hietzinger Gloriettegasse baute) verwalteten das enorme Vermögen der ursprünglich aus der Lombardei stammenden Familie, das sich in einer Bank in Olmütz, Großgrundbesitz und Industrien manifestierte.

1894 wurde geheiratet, und es wurde anfangs eine sehr glückliche Ehe, Eugenia, die ihren Beruf an den Nagel gehängt hatte, gebar innerhalb von zehn Jahren vier Kinder, den Sohn Otto jr., die Töchter Lola, Gertrude (Mäda) und Melitta. Eugenia scheute die rund 200 Kilometer zwischen Ölmütz und Wien nicht und hielt sich immer wieder in der Hauptstadt auf.

Kunst war ihre Leidenschaft – ihre erste Entdeckung war der Bildhauer Anton Hanak, der in Langenzersdort (wo sich heute sein Museum befindet) in der Nähe ihrer Eltern lebte. Als die Primavesis sich von Josef Hoffmann in Olmütz eine Villa und im nordmährischen Winkelsdorf im Altvatergebirge ein großes Landhaus bauen ließen, sorgte Hanak für einen Teil der Innenausstattung – und die Wiener Werkstätte, für die sich Eugenia Primavesi begeisterte, seit diese 1903 ihre Pforten geöffnet hatte und Kunsthandwerk im Secessions-Stil zur höchst eleganten Zeit-Kunst entwickelt hatte.

Wer so reich war wie die Primavesis, ließ sich auch von Gustav Klimt malen – „Mäda“, die Tochter, bekam ihr Gemälde zu ihrem 10. Geburtstag von ihrem Vater geschenkt, und in der  Folge musste sich natürlich auch die Mutter malen lassen. Man war dann mit allen Künstlern so eng befreundet, dass diese den weiten Weg nach Winkelsdorf nicht scheuten, um dort mit den Primavesis Feste zu feiern – zumal im Weltkrieg, wo man in Wien hungerte, gab es dort, im mährischen Hinterland, noch jede Menge (u.a. Schweinefleisch) zu essen.

Als die Wiener Werkstätte sich trotz ihres Ruhmes in finanziellen Schwierigkeiten befand, entschloß sich Otto Primavesi, viel Geld zu investieren und die Leitung zu übernehmen, was er von 1915 bis 1925 tat. Nach dem Ersten Weltkrieg allerdings häuften sich die Katastrophen, 1920 brannte das Landhaus in Winkelsdorf aus ungeklärten Gründen ab, das Geld der Familie schmolz, das Ehepaar überwarf sich , Otto überließ seiner Gattin die Führung der Wiener Werkstätte, trennte sich von ihr und starb bald darauf.

Von da an ist die Geschichte, die davor gar nicht genug vom Glanz der späten Ringstraßen-Zeit und des Fin de Siècle verbreiten konnte, eine weitgehend traurige. Das Schicksal Eugenias, die immerhin noch bis 1962 erlebte, war tragisch, und von ihrer „Mäda“-Tochter (von ihr gibt es ein Foto der alten Frau vor ihrem Klimt-Mädchen-Bildnis) erfährt man am Ende dann vor allem, dass sie in Kanada ein neues Leben suchte, das weniger der Kunst als der Kinderbetreuung gewidmet war.

Eugenia musste ihre Sammlung von Klimt-Werken verkaufen, die neue jüdische Besitzerin hatte nach dem Krieg Schwierigkeiten, die Werke wieder zu bekommen, erhielt sie aber – und sie wurden in die Welt zerstreut. Mutter-Mäda von Klimt hängt heute in Tokio, Tochter-Mäda im New Yorker Metropolitan Museum…

Obwohl Margret Greiner ihr Buch durchaus romanhaft hält (mit vielen erfundenen Dialogen), geht sie doch getreu mit den Fakten um, die ein bemerkenswertes Kapitel der Wiener Kunstgeschichte beleuchten. Viele Fotos illustrieren das Geschehen nachhaltig und machen klar, dass man es mit einer „wahren Geschichte“ zu tun hat.

Renate Wagner

 

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