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Margret Greiner: „ICH WILL UNSTERBLICH WERDEN!“

30.10.2019 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

Margret Greiner:
„ICH WILL UNSTERBLICH WERDEN!“
Friederike Beer-Monti und ihre Maler
304 Seiten, Verlag Kremayr & Scheriau, 2019

Unter den Damen, die im Rahmen der Wiener Moderne immer wieder genannt werden, war sie kein erster Name, aber allein die Tatsache, dass sowohl Egon Schiele wie Gustav Klimt sie gemalt haben, macht Friederike Beer zu etwas Besonderem. Und ihr Schicksal lässt es an Farbigkeit nicht fehlen. Margret Greiner stellt es in einer Art Fakten-Roman dar, was ein heikles Genre ist: Es ist dem Biographien-Leser, der es sachlich möchte, unheimlich, und es bietet dem Romanleser zu viele Fakten. Ein Serpentinenweg, den die Autorin allerdings gut meistert.

Sie wollte „unsterblich“ werden und wusste, dass es ein sehr guter Weg war, sich von Klimt malen zu lassen – als ob sie geahnt hätte, dass seine Porträts der Wiener Damen der Gesellschaft über die Zeitenläufte hinweg ihre begeisterten Betrachter finden würden. Und dann die Frage aufkäme – und wer war Sonja Knips? Wer war Adele Bloch-Bauer? Nun, wer Friederike Beer-Monti war, erfährt man nun in aller Ausführlichkeit.

Schon das Schicksal ihrer Mutter war interessant – dass ein elfjähriges (!) Salzburger Bauernmädel wie Isabella Geissler entschlossen zu Fuß nach Wien geht, „um sein Glück zu suchen“, passierte auch nicht alle Tage. Es sah dann aus wie der junge jüdische Unternehmer Emil Beer, was sowohl den Herrn Bischof in Salzburg wie auch die reiche Familie Beer schier in den Wahnsinn trieb. Was soll’s, schon damals gab es liberale Geister, die beiden setzten ihre Beziehung durch, Friederike war das erste Kind, es folgten Charlotte, Rudolf und Bella. Die Weinhandlung Beer florierte, das angeschlossene Restaurant auch, und als Emil Beer unerwartet jung starb, wandelte seine Frau das Etablissement in der Krugerstraße 3 in die „Kaiserbar“ um, die jahrzehntelang zum Treffpunkt der Prominenz wurde.

Aber es ist die Geschichte von Tochter Friederike, „Fritzi“, die von frühester Jugend eine Leidenschaft für Kunst hegte. Sie wurde die Geliebte des Malers Hans Böhler, der sie nackt malte, und die Beziehung hielt bis zu seinem Lebensende, auch wenn sie nach einigen Jahren in eine Freundschaft überging. Das Buch hat im Mittelteil vier Farbbilder – Friederike nackt, bemalt von Böhler, Friederike in einer Art Clownsgewand, gemalt 1914 von Egon Schiele, und Friederike in üppiger Robe, gemalt vor bunt wirbelndem Hintergrund 1916 von Egon Schiele. Sie hatte es geschafft, war Modell der wichtigsten Maler ihrer Zeit geworden. Dass die Vereinbarung mit Kokoschka, sie zu malen, aus Termingründen platzte, war stets ein wunder Punkt in ihrem Leben. (Darum ist das vierte Farbbild nicht Friederike, sondern Max Oppenheimers Philharmoniker-Gemälde…)

Friederike, deren exotisch-rassiges Aussehen die in den Text eingefügten Fotos bezeugen, war eine Tochter aus reichem Haus, führte ein Leben der Vergnügungen und großen Reisen (ob sie in Südamerika, aus Heimweh, wirklich gesagt hat „Es langt ma, I wü ham“, wie die Autorin vorschlägt?), und erst nach Ende des Ersten Weltkriegs kam sie auf die Idee, dass man auch etwas arbeiten könnte. Galerist Gustav Nebehay konnte ihr zwar nichts anderes anbieten, als auf die Zeichnungen, die der eben verstorbene Klimt hinterlassen hatte und die nun registriert wurden, die Stempel zu setzen – aber es war der Anfang im Galerien-Geschäft, das künftig das Schicksal von Friederike Beer sein sollte.

Dazwischen gab es noch die Episode, die ihr den Doppelnamen mit „Monti“ einbringen würde: Ein schöner italienischer Marineoffizier, Emanuele Monti, der auf Procida lebte (wer diese Mini-Insel bei Neapel kennt, versteht wirklich nicht, wieso sich Friederike Beer auf Hochzeit und ein Leben hier einlassen konnte) – aber das Eheglück dauerte nicht lange. Fritzi war dann eher enttäuscht, dass er so leicht in die Scheidung einwilligte, aber sie hatte seiner Mutter nie gefallen…

Wieder in Wien, verliebte sich ein Amerikaner namens Hugh Stix nachdrücklich in Fritzi, holte sie nach New York, richtete ihr eine Galerie ein. Sie ging nie wieder weg. Ihre erste Ausstellung 1936 galt natürlich Hans Böhler. Die „Artist’s Gallery“ wurde zur Institution, Fritzi in New Yorker Kunstkreisen auch. Während des Krieges leistete sie jede Hilfe für Emigranten, die ihr möglich war, holte auch die Schwestern nach Amerika, rettete den Maler Max Oppenheimer. Federica Beer-Monti, wie sie in New York hieß, war gewissermaßen ein neuer Mensch geworden.

Nach 26 erfolgreichen Jahren verließ sie die Galerie und widmete sich dem Nachlaß von Hans Böhler, der ihr nach seinem Tod sein Werk hinterlassen hatte. In ein Altersheim zog sie nach Hawaii. Als ihr 90jährig das Dasein zu beschwerlich wurde, nahm sie sich am 12. Jul 1980 das Leben.

Renate Wagner

 

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