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MANNHEIM: LA DAMNATION DE FAUST von Hector Berlioz. Premiere

19.04.2015 | Allgemein, Oper

Mannheim: LA DAMNATION DE FAUST (  17.4.2015)


Karsten Mewes, Marie-Belle Sandis. Foto: Jörg Michel

 Am Nationaltheater hatte jetzt Fausts Verdammnis, die dramatische Legende nach Goethe, Premiere. Während schon Komponist H.Berlioz sein Libretto, für das er französische Mitarbeiter hatte, mit Fausts Ende stark verändert hat, hat nun Regisseur Vasily Barkhatov seine eigene besondere Sichtweise auf den Handlungsverlauf gelegt und eine dabei eine genuin theatralische Handschrift erkennen lassen. Die Idee ist, die enge Verbindung Faust – Mefistofeles auch auf Fausts Kindheit zu projizieren. In der Tat ist hier Mefisto Fausts Vater, und zwar ein sehr strenger und dominanter, was in einem Spiel auf der hinteren Bühne immer wieder in kurzen Episoden gezeigt wird. Und so spaltet sich die Faust-Figur in in den jetzigen tatterig Alten, in ein Kind und einen Jugendlichen, der dann beim Militär („Ungarischer Marsch“ bei Berlioz)) eine weitere strenge ‚Sozialisation‘ erhält. Nach der Rückkehr des Sohnes ist der Vater aber gestorben und kehrt erst in seiner Imagination später als realer Mefisto wieder. Er wird ihm jetzt aber mehr zum Mentor/Lehrer, was sich auch darin ausdrückt, daß er auf der Hinterbühne eine Schulklasse leitet,  da nimmt sich Bekhatov auch die die Vater-Sohn-Beziehung eines Franz Kafka zum Vorbild und verlegt somit gleich die Handlung ins frühe 20.Jahrhundert.- Der alte Faust lebt in einem gediegenem Appartement mit links und rechts abgeteilten (Bett)kammern (Bb.: Zinovy Margolin). Auf der leeren Fläche befindet sich  nur ein Esstisch, wo Faust, später auch Mefisto von einer Pflege- und Zugehfrau, die später zum Gretchen mutiert, aufgedeckt wird. Dahinter große Schiebetüren, die sich selbstätig für Szenen aus seinem früheren Leben und für Mefistos Klassenraum öffnen. Faust lebt hier ‚eingeschlossen‘ seine letzten Tage quasi in Selbstzerstörung, wobei Mefisto auch wie eine Art Sterbehelfer fungiert. Faust kann für sich und  für Gretchen,mit der ihn nur eine platonische Liebe entwickelt und die selber einen Liebhaber hat, keine Verantwortung mehr übernehmen. Deshalb zündet er mit Mefisto das Appartement zum Schluß an und stirbt. Die gediegenen Kostüme sind auch an der fiktiv ausgewählten Handlungszeit inspiriert, auch für Statisterie und den einwandfrei singenden Chor (E.:Anton Tremmel), sie stammen von Maria Danilova und Eleni Chava.

 In der musikalischen Interpretation (Dir.: Alos Seidlmeier) hätte man noch mehr Wert auf Tempo-Differenzierung legen können. Klangprächtig kommt sie allemal daher. Eindrücklich erklingt, neben den filigranen Chorpassagen der finale Höllenritt, der auch im Orchester angemessen bombastisch aufbereitet wird. Ein Schulmädchen gibt Sabrina Herzog, die als ganz junges Gretchen heftig mit Mefisto auf den Bänken flirtet und auch sinnbildlich mit einer Menge Tabletten hantiert (Andeutung Muttermord?) Den jungen und den jugendlichen Faust mimen Feodor Nawrath und L.Schneider-Strehl. Das Sopransolo, das in der Höllenfahrt Gretchens Rettung verheißt, übernimmt schönstimmig Estelle Kruger. Den Brander singt mit großem Organ Sung Ha. Karsten Mewes ist als Mefisto von eindrücklicher Präsenz in seinem markant gezeichneten Anzug. Seine Stimme hat den geforderten Umfang, und enorme Stimmpotenz geht einher damit. Die Marguerite der Marie-Belle Sandis kann mit ihrem hellen warmen bis mütterlichem Mezzo-Sopranton überzeugen, wobei sie aber auch die zerrissene Person gut mimt. Der alte Faust wird einzigartig auch in der Regieintention von Martin Muehle verkörpert. Stimmlich hat er einen voluminösen wohlklingenden, nie grellen Tenor aufzubieten, der bis in höchste Lage gut durchgebildet erscheint, und der auch von einem sehr originellen eigenen Timbre kündigt.                                                              

Friedeon Rosen

 

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