Mannheim: „GÖTTERDÄMMERUNG“ 22.03.2013
Es ist vollbracht – ich habe genug! Achim Freyer hat sein Ring-Panoptikum am Nationaltheater vollendet und alles blieb beim Alten: Siegfried der Clown, Waltraute die Horror-Alte mit dem Wagen aus dem Supermarkt, die unermüdlich rotierende Drehbühne bestückt mit allen Figuren der Vorabende. Doch nein, es kommt noch schlimmer: alles spiegelt sich in der 45.ooo € teuren Spezialfolien-Bühnenwand, die Gibichungen ein seltsames Volk zum Fürchten, Gutrune und Gunter in hellen Roben, die Mannen teils im Frack, teils in Glitzerabendkleidern und alle mit bemalten Jutesäcken auf dem Kopf, Hagen als Zirkusdirektor, man trinkt Blutsbrüderschaft aus einer Zinkwanne, mein Gott ist das alles so sinnig – blödsinnig! Die Bilderfluten ermüden das Auge, nie zuvor erschien mir das Ringfinale so langweilig, zähflüssig – mit Sicherheit opfere ich für dieses Kasperl-Theater keine weiteren, kostbare Lebensstunden, singe künftig wer will! Wie bereits mehrfach resümiert setzte die Leitung des NT lediglich auf die fragwürdige, szenische Sensation und vernachlässigte dafür sträflich die musikalische Komponente. Jürgen Müller (Siegfried) ließ sich als erkältet ankündigen, seine Stimme wirkte zunächst unermüdlich, erklang in dynamischer Variierung und Strahlkraft, doch verließen ihn im dritten Akt die Reserven und sein Heldentenor mutierte nur noch zum Markieren und Sprechgesang. Eva Johansson hatte wie mir schien, ihr Blütezenit längst hinter sich, ihr jungendlich wirkender Sopran klang im Dauerforte eintönig, in meinen Ohren keineswegs schön. Beachtlich wie die Dame die kräftezehrende Partie der Brünnhilde bewältigte, mächtig mit Strahlhöhen auftrumpft, doch waren ihre seltsame Intonation und kaschierte Textbehandlung nicht nach meinem Geschmack. Tromptenhafte Töne verlieh Cornelia Ptassek der Gutrune, Thomas Berau charakterisierte den Gunter mit wohldosierten, baritonalen Mitteln. Leider ging dem Hagen darstellerisch bedingt durch das lächerlich wirkende Erscheinungsbild, das Finstere, die gefährliche Hinterhältigkeit völlig ab, doch trumpfte Christoph Stephinger mit nachtschwarzem Bass vokal mächtig auf, leider klang sein kerniges Material im Mittelbereich merkwürdig hohl und unstet. Vortrefflich gestaltete Thomas Jesatko den mahnenden Alberich, musikalisch sehr differenziert mit wohlklingendem Bassbariton. In freier Tonproduktion konzentrierte sich Edna Prochnik auf die farbenreiche Interpretation der Waltraute, formte bestens die emotionellen Details der Erzählung und überzeugte zudem in bester Diktion und Manier als 1. Norn, eindrucksvoll spannen zudem die beiden Schwestern Andrea Szántó (2. Norn) und Iris Kupke (3. Norn) das vokale Seil. Unspektakulär erprobten die Rheintöchter Marina Ivanova (Woglinde), Viola Zimmermann (Wellgunde), Andrea Szántó (Floßhilde) ihre vergeblichen Verführungskünste. Ungeachtet des seltsamen Outfits entfaltete sich der Chor und Extrachor des NT (Tilman Michael) in gewohnt prächtiger Qualität.
Nach einem vielversprechenden, orchestralen Ring-Konzert im Jahre 2011 weckte GMD Dan Ettinger Hoffnungen auf eine musikalisch-interessante Tetralogie, enttäuschte allerdings mit den soliden, umstrittenen Umsetzungen von Rheingold und Walküre, ließ erst beim Siegfried aufhorchen und fand nun vollends beim Finale zu formeller Größe. Die Musik wogte wie die Wellen des Rheins unter Ettingers umsichtiger Stabführung, der GMD schien wie ausgewechselt, lotete die emotionalen Tiefen der Partitur bestens aus, neigte zwar zu teils breiten Tempi, doch musizierte das Orchester des NT hochkonzentriert in bester Disposition. Ettinger entlockte dem akkuraten Instrumentarium immer wieder vielfältige Klangschattierungen, mächtige orchestrale Wucht, interessante Nuancen und viel Transparenz. Zehn Minuten feierte man alle Mitwirkenden im künstlich gedehnten Schlussapplaus bis Freyer „herein tanzte“ und mit wohldosierten Mischung aus Buh´s und Bravos bedacht wurde.
Fazit: Viele Mannheimer Opernfreunde sowie meine Wenigkeit betrachten den Besuch dieses Ring-Spektakels als einmalige Angelegenheit und weichen lieber auf interessantere sowie musikalisch gehaltvollere Produktionen in Darmstadt, Frankfurt, Karlsruhe aus und nehmen selbst weitere Entfernungen nach München, Berlin oder Wien in Kauf.
Gerhard Hoffmann