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MAINZ: MEFISTOFELE. Premiere

07.09.2013 | KRITIKEN, Oper

Mainz: MEFISTOFELE.  Premiere am  6.9.2013

 ‚Mefistofele‘ ist eine der wichtigen Vertonungen des Faust-Stoffs, die Goethes Faust I und Faust II zum Vorwurf hat, und welche beide von Arrigo Boito, dem späten Verdi-Librettisten, mit genialischem Blick in ein italienisches Libretto zusammengezogen und komponiert wurden. Dass dieser Wurf erst beim 2.Anlauf gelang, schmälert das Unterfangen in keiner Weise. Es ist auch insofern unerheblich, auf die ausufernde Urfassung zu rekurrieren, da die Musik dazu offensichtlich verloren gegangen ist.

 Die Inszenierung von Lorenzo Fioroni spielt in einem Filmstudio, das von Paul Zoller beim Prolog im Himmel in einem Zelt eingerichtet ist und in dem große Holzkästen für Filmmaterial herumstehen, im Hintergrund ein großer analoger ebenfalls hölzerner Abspielapparat, der von Gottvater in Lederhose und mit langen Haaren selbst zum Laufen gebracht wird. Zu einer bombastisch knallenden Weltsphärenmusik sehen wir Mefistofeles auftreten, der mit Gott die Wette über Faust abschließt, flankiert von den Erzengeln Rafaella, Gabriella und Michaela, die als großgewachsene Schicksen die Hüften dazu schwingen.

Die sich chromatisch bis zu einem bombastischen Höhepunkt steigernden Engelchöre kommen hier aus dem Off.

Dann führt sich Mefisto in der festlichen Ausflugsgesellschaft als Zauberer mit dem Trick der zersägten Jungfrau ein. Es hat auch ein eher verstörter Wagner (Augustin Sanchez Arrellano mit etwas brustigem Tenor) einen Kurzauftritt. Wieder zuhause singt Faust bereits entkleidet bis auf die Unterthose seine Feld-Auen-Arie, und der bei Boito als Mönch eingeführte Mefistofele hat leichtes Spiel, den frustierten Faust für den Pakt zu gewinnen.Dazu zieht dieser sich seine gediegen sportliche Kleidung (Kostüme: Annette Braun) wieder an.

Dann geht es wieder in den Abstellraum des Filmstudios mit hochgezogenen Stapelwänden für die Filmrollenbehälter in der die vielleicht am eindrüchklichsten gezeichnete Szene des Abschieds Fausts von Gretchen strattfindet. Zuvor hatte Faust sie als ein sich puppenhaft bewegendes Girlie mit schwarzem Bubikopf aus einem Behälter gezogen, während Mephisto sich mit der derb-blonden Marthe in die die Holzkiste gelegt hatte. Jetzt besingt Faust mit Margherita, sozusagen das durch Schmerzen gereifte 2.Gretchen, in der ‚Kerkerszene‘ das Ende ihrer Beziehung, bzw. ob sie nicht doch noch weitergeführt werden könnte („Weit, weit weg auf einer Insel“) Das spielt sich vor einem Kindersarg ab, und Gretchen ist (sic) in Reisekleidung. Dann wird sie von Gottvater und den Erzengelinnen ‚abgeführt‘.

 Die nächste Szene der 1.Walpurgisnacht tobt sich in der Musik ganz orgiastisch aus, bei Fioroni agiert das Chorpersonal in Clownskostümen, die von Faust gesichtete verkohlte Leiche des (ersten) Gretchens wird hinausgetragen. Im 4.Akt der klassischen Walpurgisnacht spielt Fioroni eine beliebte Variante des Regietheaters aus. Eine ‚Horde‘ von gutbürgerlich vorwiegend braunfarben gekleideten Touristen, Seniorinnen unbd Senioren, tatterig, aber sonst in Hochform, besichtigen das alte Filmstudio. Auch Helena tritt hier gealtert weißhaarig auf. Im Epilog wird noch einmal kurz auch musikalisch der Anfang angerissen, die Engel weißhemdig nun links und rechts in den Borden, und Faust kann gerettet werden. Wieso? Da er so ein sympathischer Akteur und Liebhaber ist, so scheint es. Weitere Erlösungsriten und Goethesche Verwandlungen werden ihm erspart, sie hätten für die Oper auch sicher nichts mehr gebracht.

Katja Ladentin und Dietrich Greve singen am Ende Pantalis und Neréo. Aiste Miknyte unterstreicht mit „klassischem “ Wohllaut-Gesang ihre Elena im Hosenanzug. Katja Ladentin kommt auch als Marthe ganz flott herüber Margherita /Gretchen verkörpert Tatjana Charalgina sehr kindlich, um nicht zu sagen kindisch und setzt dazu auch etwas stilisierten Kindergesang ein. Dagegen wirkt die 2. Margherta erwachsen bis todernst. Vida Mikneviciute singt sie zuerst mit leicht flackerndem Sopran, kommt dann aber mit ihrem ansprechend herben Timbre richtig dramatisch auf Touren. und versteht es später im Duett mit Gaston Rivera, die Stimme schön abzutönen und einen sinnlichen Teint beizumischen. Ihr Partner Rivera ist ein begnadeter Tenor, der mit viel lyrischem Wohlklang aufwartet. Mefistofele Hans-Otto Weiß hat jederzeit alles im Griff und prunkt mit einem gut focussiertem Bariton in allen Lagen.

Das Orchester unter der präzisen Leitung von Hermann Bäumer spielt die Partitur immer wieder gleißend auf und kann auch in den Soli spannende Akzente setzen.

Friedeon Rosén

 

 

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