MAINZHans Werner Henze gegen restaurativen Kurfürsten. Sein „Prinz von Homburg“ hatte Premiere am Mainzer Staatstheater (12.1.1013)
Sonja Anastasia, Christian Miedl, Vida Mikneviciute, Ensemble. Foto: Martina Pipprich
Als erstes deutsches Theater nach Hans Werner Henzes Tod im Herbst letzten Jahres spielt das Staatstheater Mainz nun dessen Oper ‚Der Prinz von Homburg‘. Nach dem Schauspiel von Heinrich von Kleist, stellt sie eine der ersten künstlerischen Zusammenarbeiten zwischen Henze und der österreichischen Dichterin Ingeborg Bachmann dar und wurde 1959 in Hamburg uraufgeführt. Henze, der nach seinen frühen Ballett- und Opernerfolgen nach Italien gezogen war, um den restaurativen Klima in der BRD zu entfliehen, wurde auf Kleists Schauspiel von dem Filmregisseur Luchino Visconti aufmerksam gemacht, und es kam seiner damaligen Gefühlslage, einem Gemisch aus Träumereien, denen sich auch der Prinz v.Homburg hingibt, und dem Getriebensein durch die preußische -, jetzt BRD-Staatsräson, sehr entgegen. Ingeborg Bachmann gelang es , ihm ein Libretto nach seinem Gusto einzurichten, in dem sie die militärischen Auseinandersetzungen der Schlacht gegen die Schweden stark kürzte, und für die Sphäre des Prinzen und Natalie auch auf andere Werke Kleists zugriff. Henze hätte sich Luchino Visconti als Uraufführungsregisseur gewünscht, es kam aber ein damaliger Hamburger B-Filme-Regisseur zum Zug, über dessen unzureichende Arbeit Henze noch in seiner Autobiographie lästerte.
An der Oper Mainz wird der Dreiakter in einer ganz gedrungenen Aufführung pausenlos gegeben. Besonders die Musik Henzes zieht durchgehend in ihren Bann. Der Komponist wollte die Sphäre des Prinzen durch eher tonal aufgehellte Musik kennzeichnen und das Akten- Gerichts- und Bürokratiewesen des brandenburgischen Kurfürstentums durch atonale bzw. Zwölftonrmusik, wie sie damals en vogue war, wiedergeben. Es entsteht aber eher der Eindruck einer ganz homogenen, immer durch höchste Inspiration vorangetriebenen musikalischen Gestaltung, die dem traditionellen Satz aber nicht abhold ist.
In einer bewunderungswürdig konzentrierten Leistung arbeiten die Mainzer Philharmoniker unter der präzisen Leitung von Hermann Bäumer das Düstere und manche hellen Momente dieser Partitur heraus und geben sich in den ingeniösen Zwischenspielen flexibel und aufgelockert. Die übereinandergeschichteten kurzen Blechbläsersätze gegen Ende erscheinen ganz innovativ und werden satt gezogen und stark dosiert von den Mainzer Bläsern ausgeführt.
Christof Nel hat die Regie übernommen und es könnte sein, dass seine Herangehensweise Henze eher überzeugt hätte, geht sie doch ein wenig in Richtung Neorealismus eines Visconti. Roland Aeschlimann hat eine Einheitsbühne kreiert, ein etwas monströse aber auch wieder elegantes geometrisches Gebilde in Grüntönen, das die die Mainzer Operndirektorin zu der Charakterisierung hinriss, sie wirke wie der Kopf von Kleist, in dem die Gewehrkugel implodierte, die er bei seinem Selbstmord abschoss. Sie ist in der Tat mit vielen völlig asymetrischen Eingängen, Luken und Gräben bestückt und erscheint trotzdem für ein Kammerensemble gut bespielbar. Der Prinz ist immer anwesend, seine Soldaten um ihn oder „eingegraben“, der Kurfürst und sein Gefolge ist auch meist interagierend zugegen. Gediegene, an die Zeit der Kurfürsten angepasste Kostüme gibt es von Barbara Aigner.
Saem You, Anna Cho und Judith Christ singen klangstarke Hofdamen. Es gibt keinen Chor, aber die Offiziere, Haiducken und Hofdamen treten öfter auch chorisch auf. Den Graf Hohenzollern, Vertrauter des Prinzen, gestaltet Thomas Büttner mit schönfließendem Tenor. Heikki Kilpeläinen gibt als Feldmarschall abgehackte Befehle. Sanja Anastasia hat als Kurfürstin und Vermittlerin warme Mezzotöne zu bieten. Als Kurfürst Friedrich Wilhelm gibt Alexander Spemann mit sehr hohen schneidenden Exaltationen seiner aalglatt unsensiblen Bürokratennatur Ausdruck. Mit einem fast weitschweifig voluminösen, teils träumerisch schwebenden lyrischen Bariton gestaltet Christian Miedl die Titelrolle. Bei seiner vermeintlichen Hinrichtung wird er auf seinem ‚Todesweg‘ aber mit verbundenen Augen der Braut Natalie v.Oranien in der Gestalt von Vida Mikneviciute zugeführt, die mit einem manchmal druckhaften Spinto-Sopran fast etwas über die Stränge schlägt. Ein utopisch anmutender Schluß.
Die Aufführung lässt hoffen, das Hans Werner Henze mit seinem vielgestaltigen Opernschaffen jetzt wieder verstärkt auf die Opernbühnen zurückkehrt
Friedeon Rosén