Mainz: Ein Herzschlag ist keine Massenbewegung 26.1.2014
Einem etwas schematischem Unterfangen glich es, Gustav Mahlers ‘Das Lied von der Erde’ mit Arnold Schönbergs Monodram ‘Erwartung’ für ein Musiktheater zusammenzuspannen. Natürlich haben beide kurz vor dem 2.Weltkrieg entstandenen Werke “offene” Schlüsse, wenig Handlung und sind einem zeitbedingten Jugendstilgeist verhaftet. Als nützlich erweist sich eine Reduktion auf Kammermusikbesetzung (Fassungen von Glen Cortese und Faradsch Karaew), die die Hauptlinien beider komplexen Werke sinn- und hörgemäß adäquat wiedergibt und zu einer praktikableren Handhabung als Musiktheater im Kleinen Haus des Mainzer Theaters beiträgt; so passen im letzten Teil des ‘Lied von der Erde’ alle Musiker locker auf die Bühne, wo sie zu einem Teil der Szene verschmilzen.
Eine gute Idee des Regisseurs Georg Schütkys ist es, das Monodram Erwartung als Herzstück in Mahlers‘ Lied‘ zu interpolieren, es ist ja auch immens theatralisch im Vergleich zur diesbezüglich etwas spröden Symphonie für Stimmen und Orchester. In I ‘Das ‚Trinklied vom Jammer’ bis V ‘Der Trunkene im Frühling’ hat Yassu Yabara um einen kleinen Wassertümpel herum einen Wall aus Sandsäcken aufgebaut, eine Männergruppe stochert teils darin herum, mit Laternen in der etwas gespenstisch fahlen Szene bestückt und fischen zuletzt ein verfranstes Leintuch hervor, das dann in ‘Erwartung’ als Leinwand für Projektionen dient. Der Tenor Alexander Spemann singt schöntimbriert den Mann 1, während Mann 2 von Richard Morrison mt edlem Bariton vorgetragen wird.
Im Monodram wird die erwartet flirrende Atmosphäre heraufbeschworen.
Patricia Roach steht unruhig an einem elegantem Holz-Schreibpult und sieht sich Fotos von ihrem getöteten Mann an und flippt im langen Rüschlederkleid (die sonst eher härenen Männerkostüme: Vivien Waneck) unruhig hin und her. Das Bild des ‘Majors’ auf der Leinwand wird von ihren Händen ‘bearbeitet’ bis zur Unkenntlichkeit von dessen Gesicht, wobei sie sich auch zwanghaft einen Finger verletzt. Zuletzt verbrennt sie alle Bilder und wirft sie in das Tümpelloch. Sie singt ihre nervösen Phrasen ganz spintohaft und setzt dabei aufregende Akzente mit ihrem teils verhalten dunklem, teils metallischem Mezzo. In Mahlers VI Abschied zieht die Männergemeinschaft noch einmal zwischen den Orchestermusikern über die Bühne und legt sich zu dem endlosen ‘Ewig’ Morrisons auf die zu einem Berg aufgetürmten Sandsäcke. Stephan Zilias dirigiert die Mitglieder der Mainzer Philharmoniker mit samtenem Sound punktgenau.
Friedeon Rosén
Friedeon Rosén