Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

LYON/ Théâtre de la Croix-Rousse: „MESDAMES DE LA HALLE“ von Jaques Offenbach

22.12.2015 | Allgemein, Operette/Musical

Lyon: „MESDAMES DE LA HALLE“ –   Théâtre de la Croix-Rousse, 19.12.2015

Anne-Marine Sudre als Ciboulette.jpg
Anne-Marine Sudre als Ciboulette Copyright: Jaime Roque de la Cruz

Parallel zu den Aufführungen von „Le Roi Carotte“ hat die Opéra de Lyon Reprisen von Offenbachs „Mesdames de la Halle“ in einer Produktion des Opernstudios aus dem Jahr 2012 im Théâtre de la Croix-Rousse angesetzt. Liegt der Grund dafür vielleicht darin, dass es in dieser 1858 im Théâtre des Bouffes-Parisiens in Paris uraufgeführten Operette auch um Gemüse geht? Auf gut Wienerisch würde man den Titel dieses Operetteneinakters wohl als „Die Marktweiber“ oder „Die Damen vom Naschmarkt“ frei übersetzen.

Das Stück spielt in den Markthallen von Paris. Die bereits älteren Gemüsehändlerinnen Beurrefondu und Madou werden vom Soldaten Raflafla umworben, der nach einer vermögenden Partie Ausschau hält. Diese zeigen jedoch an ihm kein Interesse und schmachten beide lieber den jungen Koch Croûte-au-Pot an, der wiederum in die hübsche Obsthändlerin Ciboulette verliebt ist. Auch die Fischverkäuferin Poiretapée ist in den feschen Koch verliebt. Es kommt zu vielen Verwicklungen, aber am Ende stellt sich heraus, dass die vermeintliche Waise Ciboulette in Wahrheit die uneheliche Tochter von Raflafla und Poiretapée ist. Einer Hochzeit von Croûte-au-Pot und Ciboulette steht nun nichts mehr im Weg und auch die leiblichen Eltern der Braut finden schließlich zusammen.

Diese in Frankreich sehr beliebte Operette fand bereits drei Jahre nach ihrer Uraufführung ihren Weg nach Wien und wurde 1861 auf Französisch im Treumanntheater und 1862 auf Deutsch im Carltheater aufgeführt. Diese Version war eine für das Wiener Vorstadttheater so typisch „eingewienerte“ Version in einer plumpen Übersetzung, in der Johann Nestroy, der eine der Marktweiber spielte, als Darsteller völlig verrissen wurde („… am wenigsten genügte Johann Nestroy, der nichts weiter als die Hausmeisterin in anderer Toilette zum Besten gab …“). Der Coup dieser Operette ist nämlich, dass die Marktweiber von Männern dargestellt werden. Die Tradition komische Frauenrollen mit Männern zu besetzen zieht sich durch die ganze Musikgeschichte, von Monteverdi (Nutrice und Arnalta in „L’Incoronazione di Poppea“) über Prokofjew (Köchin in „Die Liebe zu den drei Orangen“) bis zu Ermanno Wolf-Ferrari (die beiden Witwen in „Il Campiello“).

Das Studio der Opéra de Lyon wurde 2003 gegründet. Vorläufer waren das Atelier d’Interprétationvocale et dramatique (1982-1991) unter der Leitung von Eric Tappy und das Atelier lyrique (1991-1998) unter der Leitung von Claire Gibault. Seit 2011 ist der auch international bekannte Tenor Jean-Paul Fouchécourt künstlerischer Leiter des Studios. Zielsetzung des Studios ist es, die Eignung von jungen Sängern zur beruflichen Eingliederung in die Opéra de Lyon abzuklären, vor allem durch einen szenischen und dramaturgischen Ansatz, der auf öffentliche Aufführungen ausgerichtet ist. Die jungen Künstler wirken in kleinen Rollen an der Opéra de Lyon mit und erarbeiten an Nebenschauplätzen (wie hier dem Théâtre de la Croix-Rousse) Eigenproduktionen, bei denen sie dann in Hauptrollen auftreten können. Das System erinnert stark an das Junge Ensemble im Theater an der Wien.

Leider hat man es verabsäumt diese köstliche einstündige Operette mit einem anderen Operetteneinakter von Offenbach zu kombinieren. Stattdessen hatte der Regisseur Jean Lacornerie die wenig geglückte Idee dem Stück einen Prolog voranzustellen mit Chansons nach Texten von Émila Zola, Maxime Du Camp, Henri Boutet und Clément Jannequin, interpretiert von Anne Girouard und Thierry Gondet. Die Beiden fungierten dann im Laufe der Handlung auch noch als Erzähler und ersetzten die Dialoge bzw. sprachen die Dialoge für die Sänger, was wenig witzig war. Außerdem hat man dadurch den jungen Sängern keinen Gefallen getan, denn diese müssen ja auch lernen nicht nur Gesang sondern auch Dialoge glaubhaft über die Rampe zu bringen (was für viele Sänger sehr schwer ist). Auf der linken Seite der Bühne saß das Orchester der Opéra de Lyon, das unter der musikalischen Leitung von Nicholas Jenkins Offenbachs Melodien schwungvoll erklingen ließ. Auf der rechten Seite befand sich die Spielebene. Das einfache Bühnenbild von Bruno de Lavenère bestand aus einer Unzahl von über- und nebeneinander gestapelten Gemüse- und Obstkisten, die Kostüme von Robin Cheminwaren sehr witzig und phantasievoll, zum Teil mit Obst- und Gemüsedrapierungen.

Von den jungen Sängern gefielen vor allem Anne-Marine Sudre mit leichtem, aber schön timbriertem Sopran als Ciboulette und YeteQueiroz mit apartem Mezzosopran alsvielbegehrter Koch Croûte-au-Pot. Jérémie Schützwar ein fescher Schürzenjäger Raflafla, allerdings ist seine Tenorstimme eher rau und trocken. Von den drei Travestierollen konnte vor allem der Tenor Florian Cafiero als wirklich witzige Mme. Poiretapée überzeugen. Die Baritone Pierre Héritier als Mme.Madou und Mathieu Gardon als Melle. Beurrefondu spielten leider keine Marktweiber, sondern Drag Queens, die Marktweiber spielen, und waren dadurch weder witzig noch glaubhaft. Schade, da hätte der Regisseur wirklich helfend eingreifen müssen. Stattdessen hat der Regisseur noch einige völlig unnötige Zauberkunststücke eingebaut.

Irgendwie hat die Aufführung in mir den Eindruck erweckt, als wollte der Regisseur den Schwerpunkt weg von Offenbach und hin zu einer billigen Varieté-Vorstellung verlagern. Schade, denn Offenbachs Musik ist großartig.

Walter Nowotny

 

 

Diese Seite drucken