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LUZERN/Theater: ROMÉO ET JULIETTE (Gounod). Premiere

Ein selten so authentisches Liebespaar!

03.11.2018 | Allgemein, Oper


Ein authentisches Liebespaar: Regula Mühlemann, Diego Silva. Copyright: Ingo Höhn

Theater Luzern: ROMÉO ET JULIETTE (Charles Gounod)

Premiere 2.11.2018 – Ein selten so authentisches Liebespaar!     

Das Theater Luzern macht immer mehr durch hoch professionelle Produktionen (letzte Saison: Schumanns „Faust“, Donizettis „Maria Stuarda“) den sogenannten Leuchttürmen unter den Opernhäusern mächtig Konkurrenz.

Diesmal hat sich Luzern der Mitwirkung der jungen Sopranistin Regula Mühlemann versichert, die soeben mit ihrer Cleopatra-CD den OPUS-KLASSIK-Preis als Nachwuchskünstlerin geholt hat. Den Kennern nicht mehr unbekannt, überzeugt die gebürtige Luzernerin durch erstaunliche Perfektion in diesem Alter. Und als Bild einer Julia wirbelt sie nun über die Bühne und erobert nicht nur das Herz von Roméo, sondern auch die Herzen des Publikums im Sturm. Ihre klar intonierende Stimme, die sichere Technik in der Koloratur, im Legato und überhaupt, machen es einem nicht schwer, von ihr begeistert zu sein. In der Regie von Vivent Huguet (einen ehemaligen Assistenten von Patrice Chéreau) ist sie weniger das verträumte Kind, sondern eher die rebellische Tochter Capulets, die sich auch gern mal über die gesellschaftlichen Normen hinwegsetzt und gleich im 1. Akt ihren Roméo vor allen Augen und gegen alle Konvention auf den Mund küsst. So baut der Regisseur (Dramaturgie: Rebecca Meyer) die nachfolgende Balkons-Szene gleich zur ersten Liebesszene um, was hier auch überzeugt. Man fragt sich nur: wo ist die Balkonszene geblieben? Der Regisseur hat mit dem Liebespaar – und dazu gehört natürlich auch der junge ebenfalls authentisch überzeugende Diego Silva – eine Körpersprache entwickelt, die einem so jungen Paar besser ansteht, als das, was man so in einem Opernduett von gestandenen Sängern gewohnt ist. Diese eigentlich aus vier Liebesszenen bestehende Oper – wie der Regisseur im Programmheft im Gespräch mit der Dramaturgin erläutert – ist der Kern der ganzen Oper. Die in der Tat versteinerte Gesellschaft (gut der Chor, Einstudierung Mark Daver) wird im Bühnenraum (Bühnenbild: Aurélie Maestre), der durch Steinquader klaustrophobisch verengt erscheint, zudem noch durch die Gips-Büsten der Ahnen versinnbildlicht. Die Kostümierung (Kostüme: Clémence Pernoud) könnte etwa in der Mussolini-Zeit angesiedelt sein, während Juliette im wehend-weissen langen Seidenkleid und Roméo im üblichen Wams wie aus der Zeit gefallen in ihrer eigenen Welt leben. Diego Silva als Roméo verfügt nicht nur wie Regula Mühlemann über die „Physique“ der Rolle, sondern auch über eine wunderbar lyrisch gefärbte Stimme, die sich nur in den höchsten Tönen etwas verengt (das dürfte zu beheben sein), aber sonst ein Glücksfall für dies Besetzung ist. Diesem Liebespaar glaubt man auch in jeder Phase ihres Bühnenlebens und -todes und Shakespeare höchst persönlich könnte wohl sehr glücklich mit dieser Besetzung gewesen sein, hätte er die Oper Gounods gekannt…


Ein authentisches Liebespaar: Diego Silva, Regula Mühlemann. Foto: Ingo Höhn

Als wendiger Mercutio war Bernt Ola Volungholen auch stimmlich eine Persönlichkeit. Als Stephano war die Mezzosopranistin Abigail Levis ihm ebenbürtig, wozu sich auch Sarah Alexandra Hudarev als recht jugendliche Amme Gertrude mit samtenem Mezzo gesellte.  Capulet, der Vater Juliettes, war vielleicht allzu stimmgewaltig Jason Cox. Paris (Flurin Caduff) war leider von der Regie zur Lächerlichkeit degradiert, war aber gesanglich wie Tybalt (Robert Maszl), Grégorio (Martin Roth) und Benvolio (Kihun Koh) in weiteren Rollen mehr als zufriedenstellend. Sehr schön gestaltete Vuyani Mlinde den Frère Laurent, der die Liebenden traut und Juliette den vermeintlichen Todestrank übergibt. Wir wissen auch, welche Folgen das hatte…

Im tiefgelegenen, fast Bayreuth-artigen Orchestergraben wirkte Clemens Heil souverän und hielt die Fäden der oft im Stil auseinanderdriftenden Musik Gounods gut zusammen. Anfänglich spielte das Luzerner Sinfonieorchester etwas undifferenziert, aber im Laufe des Abends stellte sich ein wirklich französisch wirkender Klang ein.

Eine wirklich grandiose Leistung des Luzerner Musiktheaters, das nicht nur wegen der überragenden sängerischen Leistungen von Regula Mühlemann und Diego Silva als Roméo et Juliette auf ein grosses Publikums-Echo rechnen darf. Bravi a tutti!

John H. Mueller    

 

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