Johann Strauss: Die Fledermaus • Luzerner Theater • Premiere: 23.11.2024
«Bananentraum im Maschinenraum»
Im Vorfeld der Abstimmung über das neue Luzerner Theater (geplant für Februar 2025) zeigt das Luzerner Theater eine Inszenierung der Mutter aller Operetten, der es gelingt die Zeitgebundenheit und Modernität des Werkes gleichermassen zu wahren. Der Abend hat Kult-Potential.
Foto © Ingo Hoehn
Markus Bothe (Regie) lässt seine Inszenierung der Fledermaus auf der Titanic, in dem Moment, als der Eisberg das Schiff gerammt hat und die Kapelle weiterspielt und die Ersteklassepassagiere ihre Cocktails mit dem auf das Deck gefallene Eis kühlen, spielen. So gelingt es ihm die Zeitgebundenheit zu wahren und zugleich das Stück etwas ins Heute zu holen. Die Wirklichkeitsnegation auf der Titanic ist ähnlich wie nach dem Wiener Börsencrash (Zeitgebundenheit), erinnert aber, ohne Einsatz des Zeigefingers, auch ans heute (Modernität; wenn im dritten Akt Frosch mit einem Eisbären Quartett spielt). Die Schauplätze sind entsprechend im ersten Akt die Kabine der Eisensteins, in die man durch das vom Eisberg gerissene Loch in der Bordwand blickt, im zweiten Akt der Maschinenraum (ungewöhnlich für ein Fest, aber durchaus passend, denn das Feiern treibt als Motor die gezeigte Gesellschaft an) und im dritten Akt, am Morgen danach, im Meer treibende Eisschollen. Frosch, die einzige der Figuren, die keine Realitätsverleugnung betreibt, ist als Kapitän das ganze Stück über mit bissigen Kommentaren präsent, die von der wiederholten Versicherung der Unsinkbarkeit bis zur Beschreibung von Orlofskys Fest als «Bananentraum im Maschinenraum». Die Kostüme von Anna Brandstätter lassen sich von zeitgenössischer Lithographie oder Meeresbewohnern inspirieren. So erklärt Frosch, der Prinz Orlofsky leide, ein sanfter Bezug zur Gegenwart, an Korallenbleiche. Robert Schweer hat gekonnt die Bühne gestaltet und David Hedinger-Wohnlich setzt sie ins rechte Licht.
Foto © Ingo Hoehn
Das Luzerner Sinfonieorchester unter musikalischer Leitung von Jonathan Bloxham interpretiert die Partitur mit stupender Leichtigkeit, perlendem Schwung und purem Wohlklang. Selten hört man die Partitur so klar und deutlich und trotzdem beschwingt. Grosses Kompliment!
Luca Signoretti choreographiert den Opernchor Luzerner Theater (perfekt einstudiert von Manuel Bethe) und die Tänzer Musical Factory Luzern (Alisha Honold, Louise Newson, Alina Mettler, Ellen Schnyder, Nina Walker und Lejla Ziberi).
Das ganze Ensemble begeistert mit grosser Spielfreude und guter Textverständlichkeit. Robert Maszl gibt den Gabriel von Eisenstein mit gepflegtem, sauber geführten Tenor. Eyrún Unnarsdóttir lässt als dessen Gattin einen höhensicheren, leicht dramatischen Sopran erklingen und legt die Rolle der Rosalinde als erfahrene Ehefrau an. Christian Tschelebiew bleibt als Gefängnisdirektor Frank an diesem Abend unauffällig. Die Entdeckung des Abends ist der Prinz von Orlofsky von Valentina Stadler: Hier ist ein bestens gepflegter Mezzo reich an verführerischen Farben zu erleben. Luca Bernard ist mit seinem strahlenden, perfekt disponierten Tenor als Alfred ein Traumbesetzung. Vladyslav Tlushch gibt den Dr. Falke mit agilem, sauber geführtem Charakterbariton. Tania Lorenzo Castro gibt die Adele quicklebendig mit traumhaften Koloraturen und schlafwandlerischer Höhensicherheit. Ayla Holdener überzeugt als ihre Schwester Ida, Michael Temporal Darell in der Rolle des Notars Dr. Blind. Klaus Brömmelmeier setzt als Frosch herrliche Pointen.
Ein besonderes Kränzchen ist der Dramaturgin Pia-Rabea Vornholt zu winden: sie hält ihre kurze, aber sehr informative Einführung frei gesprochen. An grösseren Häusern ist das schon lang nicht mehr zu erleben…
Der Abend hat Kult-Potential!
Weitere Aufführungen:
Fr 29.11.2024, 18.00; So 08.12.2024, 15.00; Mo 16.12.2024, 19.30; Do 19.12.2024, 19.30;
Di 31.12.2024, 19.00; Mi 08.01.2025, 19.30; Fr 10.01.2025, 19.30; Fr 17.01.2025, 19.30;
So 26.01.2025, 19.00; So 16.02.2025, 15.00; Sa 22.02.2025, 19.30; Mi 26.02.2025, 19.30;
Mo 21.04.2025, 17.00; Do 01.05.2025, 19.30; Sa 31.05.2025, 19.30; Do 05.06.2025, 19.30.
24.11.2024, Jan Krobot/Zürich