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LUZERN/ Lucerne Festival/ KKL: LA CLEMENZA DI TITO. «Ridotta a vera opera»

Wolfgang Amadeus Mozart: La clemenza di Tito • Lucerne Festival, KKL Luzern • Konzert:
20.08.2022
«Ridotta a vera opera»

Die erstmalige Gesamtaufführung von Mozarts letzter Oper war einer der Höhepunkte des diesjährigen Lucerne Festivals. Zu erleben war eine konzertante Aufführung allererster Güte, mit der Bartoli auf Europa‐Tournee gehen wird.

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Pressebild © Peter Fischli/Lucerne Festival

Textdichter Caterino Tommaso Mazzolà hat, so Mozart in seinem eigenhändigen Werkverzeichnis, das Libretto Metastasios, das der Auftrag als, wenn kein neues Libretto geschrieben werde, verpflichtend festlegte, «ridotta a vera opera», «in eine wahre Oper verwandelt». Mozarts Äusserung lässt sich einerseits als Zufriedenheit mit Mazzolàs Arbeit, andrerseits im Sinne einer Aktualisierung verstehen, denn Metastasio originales Libretto wäre für Mozart, so Uwe Schweikert in seinem Artikel fürs Programmheft, keine richtige Oper, veraltet gewesen. So ist das Werk keine klassische Krönungsoper mehr, sondern ein hochmodernes Charakterdrama im Gewand einer klassische Krönungsoper. Die
Hauptfiguren, die die Handlung vorantreiben, sind Vitellia, Sesto und Tito: Sesto steht zwischen Vitellia, die er liebt, und seinem engen Freund Tito. Für diese beiden aber ist jede Liebe nur ein Mittel zum Zweck. Während die Zeichnung des Kaisers Titus etwas blass bleibt, sind die Hosenrolle des Sesto und Vitellia intensiv gezeichnet. Ihre Arien folgen dem neuen, zweiteiligen Rondo‐Schema und nicht mehr dem barocken Da capo‐Modell.

Dirigent Gianluca Capuano wählt für die Aufführung ausgesprochen kantable, also sängerfreundliche Tempi, die es ihm zudem ermöglichen Mozarts Musik als «melodie lunghe lunghe» geradezu auszukosten oder auskosten zu lassen. Les Musiciens du Prince – Monaco setzen diese «kulinarische» Interpretation ganz im Sinne ihres Dirigenten – und wohl auch Cecilia Bartolis als spiritus rector der Produktion – um. Die Streicher klingen samtig wie aus einem Guss, die Holzbläser mit sattem, aber nie dominantem Klang und das Blech hat genau den Klang, den man sich für eine Krönungsoper vorstellt.
Die tiefe Verbundenheit von Orchester und Dirigent ist mit jedem Ton spürbar. Ein besonderes Lob gilt dem schlicht perfekten (im Programmheft leider nicht namentlich erwähnten) Continuo wie auch dem leider ebenfalls nicht namentlich genannten, wunderbar virtuosen Spieler der Bassett‐Klarinette. Die zwanzig Sänger von Il canto di Orfeo (Einstudierung: Jacopo Facchini) fügen sich nahtlos in den Interpretationsansatz ein.

Die Solisten des Abends sind alle schon mehrfach mit Cecilia Bartoli auf der Bühne gestanden und haben mit den von Bartoli gegründeten Les Musiciens du Prince – Monaco zusammengearbeitet. Diese Vertrautheit ermöglicht eine Aufführung von ganz selten zu erlebendem Gesamtniveau. Charles Workman gibt den Tito Vespasiano mit einem sehr helle, kräftigen Tenor. Seine virtuos geführte Stimme lässt immer wieder eine Ahnung von Metall hören, die ganz wunderbar zur Rolle passt. Malin Hartelius ist für die erkrankte Anna Prohaska als Vitellia eingesprungen und hat so den Abend gerettet.
Die Emotionen der Rolle verkörpert sie mit sauber geführtem Sopran. Die immer wieder hörbare Lebenserfahrung passt in einer konzertanten Aufführung, gerade wenn Tito auch schon Silber trägt,  durchaus zur Vitellia. Melissa Petit singt eine unauffällige Servilia und fügt sich mustergültig in die Ensembles ein. Ihr Geständnis gegenüber dem Kaiser, Annio und nicht ihn zu lieben gerät doch recht kühl, fast frostig. Cecilia Bartoli ist immer noch ein Ereignis und das ganz besonders, wenn sie das Umfeld bestimmt. So kann sie die Vorzüge ihrer Stimme betonen und hat das Publikum natürlich sofort auf ihrer Seite. Und ihre Stimme funktioniert an diesem Abend perfekt: ihr Sesto hat all die Farben, all
die Virtuosität, all die Emotion, die das Publikum von Bartoli kennt und so sehr schätzt. Lea Desandre konnte als Annio einen grossen Erfolg feiern. Sie begeistert mit einem klaren, jugendlich frischem Mezzo und Virtuosität wie enormer Natürlichkeit im Vortrag. Péter Kálmán komplettierte mit wohlklingendem bestens geführtem Bassbariton das Ensemble als Publio.
Die Ausführenden bedanken sich beim hörbar begeisterten Publikum mit der Wiederholung des
finalen Sextetts.

21.08.2022, Jan Krobot/Zürich

 

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