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LÜTTICH: LA VERA CONSTANZA von J. Haydn

30.01.2012 | KRITIKEN, Oper

Musikalisches Meisterwerk in Lüttich: „La vera costanza“ von Joseph Haydn (Vorstellung: 29. 1. 2012)


Ensembleszene aus dem dritten Akt (Foto: Jacques Croisier)

 Im Palais Opéra de Liège, der Ausweichspielstätte der Opéra Royal de Wallonie während der Renovierung des Opernhauses in Lüttich, kam „La vera costanza“ (Die wahre Standhaftigkeit) von Joseph Haydn in italienischer Sprache (mit französischen, niederländischen und deutschen Übertiteln!) zur Aufführung. Ein musikalisches Meisterwerk, das aus mir unverständlichen Gründen nur selten gespielt wird. Das dreiaktige Dramma giocoso per musica, dessen Libretto von Francesco Puttini stammt, wurde 1779 auf Schloss Eszterháza uraufgeführt. Es spielt an der Riviera von Genua im 18. Jahrhundert.

 Die Handlung der Oper, die schon im Jahr 1791 in Paris unter dem Namen Laurette gespielt wurde, zeigt den Liebes- und Standeskonflikt zwischen Bürgerlichen und Adeligen auf. Die Baronin Irene und der Marquis Ernesto, der die reiche Grundbesitzerin zu heiraten hofft, stranden nach einem Sturm gemeinsam mit der Zofe Lisetta und dem reichen, aber einfältigen Bauern Villotto in der Nähe eines Fischerdorfes. Die Baronin, beunruhigt durch Gerüchte, dass ihr Neffe, Graf Errico, einem Fischermädchen namens Rosina nachstelle, will das Mädchen aufsuchen, um es mit Villotto zu vermählen. Rosina weist dessen Antrag zurück, ist sie doch bereits mit dem Grafen, von dem sie einen Sohn hat, verheiratet. In der Folge kommt es zu fatalen Verwicklungen. Der Marquis drängt Rosinas Bruder Masino, in den die Zofe Lisetta verliebt ist, seine Schwester zur Heirat mit Villotto zu überreden, da ihm die Baronin angedeutet hat, ihn erst zu heiraten, wenn die Affäre ihres Neffen bereinigt ist. Der Graf wiederum bedroht Villotto, weil er Rosina einen Antrag machte, danach will er Rosina auf die Probe stellen und teilt ihr mit, in den Krieg zu ziehen, versöhnt sich aber bald wieder, als ihm seine Tante das Bildnis der für ihn bestimmten Braut zeigt. Da er sofort für die ihm Unbekannte entflammt ist, glaubt Rosina, ihn endgültig verloren zu haben. – Auf dem Schloss der Baronin drängt der Marquis Rosina, Villotto zu heiraten, damit er endlich die Baronin ehelichen könne. Die Szene wird von der Baronin und dem Grafen sowie von Lisetta und Villotto belauscht, die allesamt falsche Schlüsse ziehen und sich von der scheinbar treulosen Rosina abwenden. Rosina beschließt, mit ihrem Sohn zu fliehen. Der Graf schickt ihr Villotto nach, um sie zu ergreifen und zu töten. Als Lisetta, die inzwischen ihren Irrtum erkannt hat, dem Grafen von Rosinas Treue erzählt, macht er sich auch auf die Suche nach seiner Frau. – Als Villotto Rosina mit ihrem Bruder in einem Turm aufgespürt hat und zum tödlichen Schlag mit dem Schwert ausholt, wird er von der ihm nachgeeilten Lisetta zurückgehalten. Graf Errico findet Rosina und erblickt zum ersten Mal seinen Sohn, worauf er sich zu seiner Frau bekennt. – Mit zwei gefälschten Briefen versucht die Baronin nochmals, Rosina und Errico auseinanderzubringen, doch die beiden durchschauen die Intrige. Irene muss Rosinas Treue und Standhaftigkeit anerkennen und will nun ihrerseits das Ernesto gegebene Versprechen einlösen. Schließlich bekommt auch Lisetta ihren Masino.

 Elio De Capitani inszenierte die Oper als Commedia dell’arte, wodurch die etwas verworrene Handlung durch viele komödiantische Szenen aufgelockert wurde und die Darsteller die Gelegenheit bekamen, ihre tänzerischen Begabungen zu zeigen. Eine pfiffige Idee war, die zwei gefälschten Briefe im dritten Akt auf bodenlangen Seidentransparenten von der Spitze des Zelts herabzulassen. Die einfache, aber leicht verwandelbare Bühne gestaltete Carlo Sala, die schmucken Kostüme entwarf Ferdinando Bruni, für die Lichteffekte zeichnete Nando Frigerio verantwortlich.

 Die stimmungsvolle, ins Ohr gehende Partitur Haydns, bei der die Empfindungen aller Personen sehr ausdrucksstark zur Geltung gebracht werden, lag bei Jesús López-Cobos, der das Orchestre de l’Opéra Royal de Wallonie mit auffallender Behutsamkeit dirigierte, in besten Händen.  Da überdies das gesamte Ensemble mit hoher Qualität ihre Rollen sangen, kann man von einer erstklassigen Vorstellung sprechen.

 Das Fischermädchen Rosina wurde von der hübschen spanischen Sopranistin Sandra Ferrández gesungen, die ihre Gefühle stimmlich wunderbar ausdrückte. Man gönnte ihr das Happyend! Ihren flatterhaften Ehemann, den Grafen Errico, sang der weißrussische Tenor Yuri Gorodetzki gleichfalls sehr ausdrucksstark, manchmal sogar „martialisch“. Die Rolle der  intriganten Baronin Irene gestaltete die ungarische Sopranistin Andrea Puja äußerst temperamentvoll, wofür sie auch verdienten Szenenapplaus erhielt. An ihrer Seite blieb der spanische Tenor Pablo García López als Marquis Ernesto ein wenig farblos.

 Brillant hingegen der italienische Bassbariton Gianluca Margheri als Bauerntölpel Villotto, der sowohl stimmlich wie darstellerisch mit seiner enormen komödiantischen Begabung und seinen tänzerischen Qualitäten für Furore sorgte. Ihm ebenbürtig die quirlige italienische Sopranistin Arianna Donadelli als Kammerzofe Lisetta. Auch sie fegte leichtfüßig über die Bühne und bewies, dass sie eine ideale Commedia dell’arte-Darstellerin ist. Köstlich ihre Versuche, Masino, den Bruder Rosinas, zu verführen, der vom kubanischen Bariton Elier Muñoz dargestellt wurde. Auch ihnen gönnte man am Schluss das Happyend.

 Das Publikum in Lüttich war von den exzellenten Leistungen des gesamten Ensembles  begeistert, bejubelte die Sängerinnen und Sänger – auch einige Bravorufe waren darunter – und applaudierte besonders frenetisch dem Orchester und seinem Dirigenten für die hohe musikalische Qualität.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

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