Lübeck umjubelt Berlioz-Oper. Premiere am 16. Januar 2015
Von Horst Schinzel
Foto: Jochen Quast
Vielen Musikfreunden ist die „Legende-dramatique“ „La damnation de Faust“ – Faust’ Verdammnis – von Hector Berlioz (1803 – 1869) kaum bekannt. Zu Lebzeiten des Komponisten ist das Werk nie szenisch aufgeführt worden – erst fast ein Vierteljahrhundert nach dessen Tode. Und wo es heute überhaupt auf die Bühne kommt, meist immer konzertant. Anders in Lübeck, wo dieses Musikwerk – das mehr ein Oratorium denn eine Oper ist – an diesem Freitag in der Einstudierung des hier wohl bekannten Anthony Pilavachi seine umjubelte Premiere hatte. Pilavachi hat dem Haus an der Beckergrube achtzehn Regiearbeiten geliefert. Dies soll seine letzte gewesen sein. Naheliegend die Vermutung, dass sich das Theater diesen renommierten Gast nicht mehr leisten kann.
An diesem Abend ging eine überaus atemberaubende Szenenfolge über die Bühne, in der klar wurde, dass dem Komponisten bei aller Goethe-Verehrung es nicht so sehr darum gegangen ist, den Teufelspakt des mittelalterlichen Gelehrten zu dramatisieren als eine Charakterstudie in Musik zu setzen. Sein Faust folgt nicht immer Goethe. Er ist von Zweifeln und Lebensüberdruss geplagt. Dem Méphistophélès aber verschreibt er sich erst, als der von ihm verführten Marguerite die Todesstrafe droht, weil sie mit einem Übermaß von Faust gelieferten Schlaftränklein versehentlich ihre Mutter umgebracht hat. Bei Berlioz fährt diese Frau als Heilige in den Himmel, Faust aber dann doch zur Hölle.
Pilavachi setzt diesen bunten Bilderbogen vor allem mit dem zu Höchstleistungen aufsteigenden Chor und Extrachor (Einstudierung Joseph Feigl), einer umfangreichen Statisterie und einer kleinen Tanzgruppe (Choreografie David Winder-Mozes, der auch stummer Teufel im Hintergrund agiert) um. Er fügt die stumme Rolle des Kind-Faust (Jöran Rohlf) als Alter Ego des Gelehrten ein und hat mit Violetta Hebrowska als Marguerite, dem Franzosen Jean-Noel Briend als Faust und Taras Konoshchenko als Méphistophélès ein Solistenterzett zur Verfügung, das durch sein Spiel wie dem Gesang gefällt. Stefan Heinrichs hat das naturalistische Bühnenbild mit einem unordentlichen Studierzimmer des Faust im Vordergrund und einer Hintergrundszene, in der die Videos von Franziska Funke beeindrucken, geschaffen. Auf dieser treten die Studenten, Soldaten, Bauern und Städter auf. Constanze Schuster hat gegenwartsnahe Kostüme geschaffen.
Generalmusikdirektor Ryusuke Numajiri lässt das Spiel des Philharmonischen Orchesters zu einem eindrucksvollen Erlebnis werden. Vor allem die viel beschäftigten Bläser gefallen durch ihre saubere Intonation. Das Premierenpublikum im nicht ganz ausverkauften Haus mit jedoch erfreulich viel jüngeren Zuschauern umjubelte diese schwierige Produktion
Weitere Vorstellungen
20. Januar und 24. Februar, 19.30 Uhr, 12. Februar , 18 Uhr
Fotos Jochen Quast