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LUDWIGSBURG / Schloßpark; STRAWINSKY IN PARIS

„Strawinsky in Paris“
bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen
im Forum am Schlosspark Ludwigsburg
Festspiel-Finale

BILDER DER HEKTISCHEN STADT

 

In der rasanten Choreografie von Jeroen Verbruggen zur Musik „An American in Paris“ von George Gershwin sowie zu Aaron Coplands Musik mit Auszügen aus der „Billy the Kid“-Suite gewinnen die Straßen von Paris mit ihren unzähligen Fahrzeugen und Cafes hier eine ungeahnte Präsenz. Der bestrickende Zauber des Jazz überträgt sich dabei auf die filigran agierenden Tänzerinnen und Tänzer des Balletts des Staatstheaters am Gärtnerplatz München. Schwermut und Gefühl der Melodien sowie Raffinement und Ursprünglichkeit und Einfallsfrische gehen bei dieser rasanten Choreografie eine glückliche Verbindung ein. Gerade die elegante Mondänität wird aber nicht zu aufdringlich gezeigt. Die Bühne von Natalia Kitamikado und die Kostüme von Emmanuel Maria streifen gekonnt den schmalen Grat zwischen Freude und Trauer. Die Faszination des Pariser Neuklassizismus schimmert gerade auch bei Aaron Copland durch. „Farewell in Paris“ zeigt nicht nur die sich auflösende Silhouette des ikonischen Brunnens. Das Chaos des Lebens und das unbeständige Wetter in Paris gehen dabei nahtlos ineinander über. Das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz unter der Leitung von Michael Brandstätter musiziert dabei aus einem Guss. In Choreografie und Bühne von Marco Goecke mit den schwarzen Kostümen von Marvin Ott gewinnt die eruptive Musik von Igor Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ in der reduzierten Fassung von Jonathan McPhee eine starke und elektrisierende Präsenz. Marco Goecke zeigt hier wie in einer Totalaufnahme, wie die Körper in eine bestimmte Situation eintreten und dann an der Szenerie unmittelbar teilnehmen. Energie, Ausdruckskraft und Vielschichtigkeit kennzeichnen diese sehr gelungene Arbeit, die die Beziehungen der einzelnen Personen wie in einem mathematischen Mosaik offenlegt. Die Urgewalt eines grandiosen Naturerlebnisses tritt dadurch grell in den Mittelpunkt. Es ist die beängstigende und beseligende Wiedergeburt des Frühlings, die sich hier offenbart. Und die heilig-grausame Opferzeremonie steht im Mittelpunkt der mystisch-symbolischen Handlung. Vor allem die ungeheure Elementarkraft des Rhythmus beherrscht auch die Interpretation des Dirigenten Michael Brandstätter mit dem famos musizierenden Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Die scheinbar mechanische Gleichförmigkeit der stampfenden motorischen Energien wird bei Marco Goecke immer wieder durchbrochen! Die Harmonik verbindet sich mit dem Tanz zwischen dem D-Dur und Es-Dur-Akkord zum  Schock. Das Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz unterstreicht diesen Aspekt. Bi- und Polytonalität werden tänzerisch in überaus einfallsreicher Weise umgesetzt. Das Spannungs- und Kontrastverhältnis nimmt so immer weiter zu, reisst den Zuschauer ganz unmittelbar mit. Die schröffen Reibungen der Harmonik treten im Tanz der Kompanie grell zutage. Der schattenhafte Tanz der Mädchen im zweiten Teil besitzt etwas Gespenstisches. Und das unerbittliche Kopfmotiv des Ritualtanzes beschwört den Kreislauf der Kräfte mit ekstatischer Entfesselung. Diese starr-majestätische Anrufung der Urväter besitzt tatsächlich etwas Animalisches, das dem dahinstürmenden Prestissimo des „Tanzes der Erde“ verwandt ist.  Jubel des Publikums. 

ALEXANDER WALTHER  

 

 

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