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LUDWIGSBURG/ Karlskaserne: Clowns 2 1/2 von Roberto Ciulli

12.03.2015 | Allgemein, Theater

LACHEN DER ERKENNTNIS. Roberto Ciullis Inzenierung von „Clowns 2 1/2“ mit dem Theater Mülheim an der Ruhr am 13. März 2015 in der Karlskaserne/LUDWIGSBURG

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Copyright: Andreas Koering

In der subtilen Inszenierung von Roberto Ciulli (Bühne: Gralf-Edzard Habben) konnten sich die „Clowns“ auch in Ludwigsburg bestens entfalten. Dazu trug auch die Musik von Matthias Flake bei, zu der sich noch Johann Sebastian Bachs „Ave Maria“, Claude Debussys „Clair de lune“ sowie Musik von Nino Rota gesellte. Einmal wird sogar Richard Wagners „Tristan und Isolde“ zitiert. Die Inszenierung stellt laut Ciulli eine Hommage an den berühmten Filmregissuer Federico Fellini dar. Der Blick ins Altersheim wird hier konsequent gewagt – befreiend und hochmusikalisch. Würde und Erfahrungsreichtum des Alters werden hier gleichsam persifliert. Der demografische Wandel der Gesellschaft hat den Blick auf die späten Lebensjahre ja auch stark verändert. Das Ordnungssystem soll wie in der Schule genau befolgt werden. So versuchten die Schauspieler auch in der Karlskaserne, das vermutete Chaos so gut als möglich zu verhindern. Es wird gegessen, geschlafen, Gymnastik getrieben und Besuch empfangen. Ein Rollstuhl macht sich selbstständig. Und das bestehende System soll unbedingt erhalten bleiben. Aber das darf natürlich nicht gelingen. „Il Maestro“ (brillant: Matthias Flake) betritt als Harlekin das Podium und interpretiert alle möglichen Werke, bis er dann plötzlich erschossen wird. Rotnasige Clowns stellen sich dabei gegen Weißclowns (wohlmeinende Angehörige, Pfleger, Ärzte). Da kommt es dann bei Roberto Ciullis Inszenierung immer wieder zu rasanten und grotesken Szenen. Es entwickelt sich ein geradezu anarchistischer Eigensinn: Man revoltiert mit aller Macht gegen das System. Die roten Clowns sind dabei sehr schlecht gekleidet und gelten als Versager, während die weißen Clowns die Macht verkörpern. Poetisch und burlesk geht es hier in jedem Fall zu, die Schauspieler können sich austoben. Während die Darsteller Zeitungen lesen, entwickelt sich daraus ein spezifischer Rhythmus, der sich später bei den Gläsern fortsetzt. Das Lachen der Erkenntnis wird suggestiv von Metronomschlägen begleitet. Ein Liebespaar tanzt schließlich eng umschlungen miteinander. Da kommt sogar so etwas wie erotische Spannung auf. Durch die halboffene Tür treten immer wieder neue Figuren – allesamt chaotische „Clowns“, die ihren Lebenssinn verloren haben. Zuletzt baut man sogar einen Schrank zusammen, in dem sich alle verstecken. Selbst der für tot gehaltene Harlekin entspringt plötzlich diesem „Versteck“ in letzter Minute lebendig.

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Copyright: Andreas Koering

In weiteren Rollen überzeugen Rupert J. Seidl als Il Gigante Buono, Petra von der Beek als Bebe, Simone Thoma als Chou Chou, Dagmar Geppert als Marlene, Albert Bork als Bono, Klaus Herzog als Eric sowie Fabian Menendez als Alessandro Moreschi. Ferner gefallen noch Peter Kapusta als Umberto D. und Volker Roos als Sepp mit beweglichem Mienenspiel. In den einfallsreichen Kostümen von Elisabeth Strauß fühlen sich alle sichtlich wohl. Sie mimen hier diesen grandiosen Aufstand der Alten glänzend.

 Der mittlerweile 80jährige Regisseur Ciulli möchte diese Clowns in ihrer ganzen Hilflosigkeit zeigen, weil sie in einer verkehrten Welt leben und sich nicht daraus befreien können. Dies gelingt ihm in bezwingend-beeindruckenden Bildern. Aber auch das Entsetzen und Grauen über unheimliche Situationen ist auf diesen Gesichtern im grellen Lichtschein deutlich zu sehen. Selbst an den berühmten Clown Grock wird in einer Szene mit Geigenspiel einfühlsam erinnert. Wie schwierig der Übergang von der unbeschwerten Jugend zum Alter ist, macht diese Inszenierung mit viel Humor und satirischem Hintersinn ausgezeichnet deutlich. Die Form ist dabei die Bestimmung der Clownsfigur. Je mehr der Clown seine Figur findet, desto mehr hat Elisabeth Strauß das Kostüm überzeichnet. Die Clownskunst ist bei dieser gelungenen Inszenierung eindeutig ein Protest gegen alle Ordnungsprinzipien – ein verdecktes politisches Spiel in allen möglichen Variationen. Dies betont Roberto Ciulli auch bei seiner hintersinnigen Einführung in dieses „komisch-musikalische Unternehmen“. Erinnert wird immer wieder an die große Clownskunst der Commedia dell’arte sowie der Satyrspiele der Antike. Ciulli erwähnt außerdem die Parodie des Clowns Foottit auf die große Sarah Bernhardt, was einen enormen Skandal auslöste. Im Stück selbst erinnert man ganz entfernt an diese seltsame Situation. Und: Lehrer und Polizisten seien die weißen, Kinder und normale Bürger die roten Clowns. So werde alles ad absurdum geführt. Das Publikum war von der Vorstellung begeistert.

 
Alexander Walther

 

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