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LUDWIGSBURG/ Forum Schlosspark: SUNSET BOULEVARD von Andrew Lloyd-Webber. „Niemand verlässt einen Star“

30.11.2014 | Allgemein, Operette/Musical

LUDWIGSBURG/ Forum Schlosspark – NIEMAND VERLÄSST EINEN STAR

Andrew Lloyd Webbers Musical „Sunset Boulevard“ am 29. November mit dem Stadtheater FürthEuro-Studio im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

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Cornelia Drese. Foto: Berd Böhner

Das Ungeheuer Hollywood wird in Andrew Lloyd Webbers Erfolgsmusical „Sunset Boulevard“ gegeisselt. Es mutiert hier zur unerquicklichen Brutstätte und zum Totengräber von Starkulten und Allüren. „Sunset Boulevard“ war 1950 ein berühmter Film von Billy Wilder, der mit Gloria Swanson als alternder Diva und Stummfilmstar Norma Desmond die passende Besetzung hatte. Der Regisseur Gil Mehmert bietet jetzt in seiner durchaus opulenten Inszenierung einen ironischen Seitenblick auf das kaputte Hollywood. In der subtilen Ausstattung von Heike Meixner können sich die Broadway-Sequenzen gut entfalten. Eine große Orgel, auf der Charles-Marie Widor gespielt wird, erinnert sogar an das „Phantom der Oper“. Zum Gelingen der Aufführung trägt außerdem die rasante Choreografie von Melissa King bei.

20141129_Sunset_Boulevard_2_Oliver Arno, Cornelia Drese © Bernd Böhner
Copyright: Bernd Böhner

Das Anwesen der Stummfilmdiva Norma Desmond am Sunset Boulevard gleicht einer heruntergekommenen Kaschemme. Damit wird das chaotische Seelenleben des Stars wiedergespiegelt – Norma Desmond ist nämlich in Vergessenheit geraten. Cornelia Drese gelingt es als Norma, die schillernden Facetten dieser Frau leuchtkräftig auf die Bühne zu bringen, ihre Zusammenbrüche und Selbstmordversuche nimmt man ihr ab. Robert D. Marx mimt gekonnt den jungen, erfolg- und mittellosen Drehbuchautor Joe Gillis, der sich auf der Flucht vor seinen Gläubigern befindet. Norma engagiert Joe: Er soll das Manuskript zum berühmten Stummfilm „Salome“ überarbeiten. und obwohl er zunächst ablehnt, lässt er sich bald von ihr aushalten und führt den Auftrag aus. Die junge Produktionsassistentin Betty Schaefer (stimmlich voluminös dargestellt von Julia Lissel) sorgt dann für eine Katastrophe, weil sich Joe bei der Drehbucharbeit in sie verliebt. Norma kann ihre Eifersucht immer weniger zügeln – und schließlich tötet sie Joe mit Pistolenschüssen: „Niemand verlässt einen Star!“ Hier erreicht die Inszenierung von Gil Mehmert trotz mancher Durchhänger ihren atemlosen Höhepunkt. Zum letzten Mal führt dann ihr ehemaliger Mann Max von Mayerling (nuancenreich: Hardy Rudolz) Regie, denn er ist eigentlich nur noch Normas Butler. Als schreckliche Salome zeigt sich die Mörderin der gierigen Presse, während im Hintergrund Polizisten (Claus Dam, Arne David, Johannes Kiesler, Adrian Hochstrasser, Marco Herse Foti, Christian Stadlhofer) agieren, die die „Paramount Pictures“ unsicher machen. Diese Szene wirkt zuletzt allerdings unfreiwillg komisch und aufgesetzt. Die tragische Lovestory kann man jedoch streckenweise glaubhaft nachvollziehen.

Heiko Lippmann dirigiert die Musiker des Sinfonieorchesters des Nationalen Akademischen Bolschoi Opern- und Ballett-Theaters der Republik Belarus mit Leidenschaft und Herzblut, wobei nicht alle Themen und Motive gleich plastisch und überzeugend zur Geltung kommen. Die äusserst dichte Atmsphäre des Films von Billy Wilder ist von Andrew Lloyd Webber jedoch in eine adäquate musikalische Sprache umgesetzt worden. Das schwülstige Filmmusk-Pathos von Songs wie „Nur ein Blick“, „Als hätten wir uns nie Goodbye gesagt“ oder „Ein gutes Jahr“ wird von Cornelia Drese glücklicherweise nicht übertrieben dargestellt. Stark jazzige Bigband-Klänge begleiteten bei der Aufführung des Stadttheaters Fürth die Szenen mit Joe und seinen Freunden. Selbst lateinamerikanische Rhythmen waren bei Nummern wie „Dann bis bald“ sowie „Nur noch ein Jahr“ herauszuhören. Musikalisch am besten gelang den beiden Solisten Robert D. Marx und Julia Lissel die gemeinsame Liebeserklärung „Viel zu sehr“. In großen dynamischen melodischen Bögen entfaltete die Harmonik Andrew Lloyd Webbers starken Ausdrucksreichtum. Witzige Produktionsnummern wie „Die Rechnung zahlt die Dame“ sorgten für knisternde Spannungseffekte. Joes sarkastische Abrechnung mit der Verlogenheit Hollywoods gipfelte im stimmgewaltig interpretierten Titelsong „Sunset Boulevard“. Weitere Effekte wie das seltsame und groteske Feuerwerk vor den riesigen Fenstern oder das zerlegte Riesenauto geben dieser Inszenierung einen fast schon satirischen Stempel.

In weiteren Rollen waren in Ludwigsburg unter anderem Manuel Mairhofer (Artie Green), Claus Dam (Manfred), Mandy-Marie Mahrenholz (Lisa, Heather), Alice Susan Hanimyan (Jean, Harem Girl), Nadja Weise (Katherine), Ulrike Figgener (Mary), Anna Preckeler (Joanna), Antonia Welke (Ursula, Harem Girl) sowie Andreas Gräbe als Schuldeneintreiber und Verkäufer zu sehen. Die stimmgewaltige Cornelia Drese war übrigens schon in Produktionen wie „Cats“, „Die drei Musiketiere“ oder „Die Schöne und das Biest“ erfolgreich. Alles in allem: Eine sehenswerte Produktion, deren Handlungsdichte aber noch etwas gestrafft werden könnte. 

 Alexander Walther     

 

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