ESPRIT UND ELEGANZ- GASTSPIEL UTE LEMPER IM FORUM SCHLOSSPARK/LUDWIGSBURG. 5. Dezember 2013
Eindrucksvolles Gastspiel von Ute Lemper am 5. Dezember 2013 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG Das goldene Zeitalter des Tango beschwor die in Münster geborene und jetzt in New York als Bühnenperformerin, Schauspielerin und Sängerin lebende Ute Lemper, die vor ihrer Weltkarriere zunächst auch im Staatstheater Stuttgart in Fassbinders „Katzelmacher“ auftrat. Wie wandlungsfähig ist ihre Stimme!
Dies offenbarte der emotional berührende Abend im Forum vor allem bei Liedern und Texten von Kurt Weill und Bertolt Brecht. Durchkomponierte Partien wie „Und der Haifisch, der hat Zähne“ gewannen dank ihrer Interpretation ein ganz neues Gewicht, denn sie betonte minuziös die Jazz-Elemente. Mit epigrammatischer Kürze und Schlagkraft schienen die harmonischen Verbindungen zu explodieren. Sie verbreiteten eine geradezu elektrisierende Aura. Das „Dreigroschenfieber“ konnte man so sehr gut nachvollziehen. Bei berührenden Chansons von Edith Piaf („Milord“), Jacques Brel und Leo Ferre ging „La Lemper“ dann ganz aus sich heraus, imitierte Instrumente wie die Trompete mit geradezu furioser Geschmeidigkeit und traf auch bei Auszügen aus dem Musical „Cabaret“ jeden Ton. Tangos von Astor Piazzolla machten mit Walzer, Polka und Mazurka ebenso atemlos bekannt wie mit dem afrikanischen Milonga, der sich immer wieder facettenreich meldete. Der Tango Nuevo verbreitete hier glitzernden Zauber. „Der letzte Tango“ beschwor eine ungeheuer romantische Poesie, die alle berührte. Auch bei Ausschnitten aus dem berühmten Film „Der blaue Engel“ nach dem Roman „Professor Unrat“ von Heinrich Mann war Ute Lemper mit zahlreichen gesanglichen Verzierungen ganz in ihrem Element. „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ erinnerte aber nur entfernt an die legendäre Marlene Dietrich. Beim Song von der „feschen Lola“ aus dem gleichen Streifen überraschte sie das Publikum mit zahlreichen stimmlichen Verzierungen und nuancenreichen Variationen. Ihre Wiedergabe dieser Lieder besaß eine ganz eigene Note. Die Nummer „Ich hab‘ noch einen Koffer in Berlin“ überraschte mit einem überaus wandlungsfähigen gesanglichen Timbre. Ein akustischer Höhepunkt waren ferner die von Ute Lemper selbst komponierten Lieder zu Gedichten des chilenischen Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda. Titel wie „Tus Manos“, „Siempre“, „Ausencia“, „Alianza/Sonata“, „If You Forget Me“ und „Always“ gingen unmittelbar unter die Haut und berührten die Zuhörer aufgrund der großen klanglichen Präsenz. Hier zeigte Ute Lemper auch ihr kompositorisches Talent. Sie besitzt eine unerschöpfliche Erfindungsgabe für reizvolle chromatische Figurationen, Kaskaden und Arabesken, die sich in einem strömenden Fluss ständig fortsetzen.
Spaß am Spiel und Sex-Appeal erfüllten diese Geschichten von Liebe, Verlust und Leidenschaft – und die versierten Musiker Victor Villena (Bandoneon), Romain Lecuyer (Bass), Cyrit Garac (Violine) und Vana Gierig (Piano) begleiteten Ute Lemper einfühlsam und rasant-atemlos zugleich. Frenetischer Applaus belohnte auch die Zugabe – ein trauriges Liebeslied von Jacques Brel.
ALEXANDER WALTHER