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LUDWIGSBURG/ Forum Schlosspark: ATERBALLETTO – ein beunruhigendes Sinnbild des Künstlers

EIN BEUNRUHIGENDES SINNBILD DES KÜNSTLERS: Formation „Aterballetto“ im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG am 13.2.2014

 Eine grandiose Leistung bot wieder einmal die italienische Kompanie Aterballetto. Gleich zu Beginn brillierte sie bei Igor Strawinskys Tanzkantate „Les Noces„, entstanden zwischen 1914 und 1917. Es geht um russische Hochzeitsgedichte. Mauro Bigonzetti inszenierte hier kein fröhliches Dorffest, sondern ein überaus faszinierendes Ritual mit strengen Regeln. Dunkle Mächte wurden von den Tänzern durchaus beschworen. Mit präzisen Gesten und einer kühlen Ästhetik demonstrierten sie den ewigen Kampf der Geschlechter. Männer und Frauen gruppierten sich in feinen Geometrien entlang von Metallstühlen und um einen zentralen Tisch. Rhythmische Prozesse und die Melodie standen im Mittelpunkt. Auch der Einfluss auf Prokofieff, Egk und Orff war herauszuhören. Für vier Paare schuf Bigonzetti ferner die Choreographie „Intermezzo“ zur „Suite italienne“ von Igor Strawinsky. Hier wurde höchst virtuos mit solistischen Einheiten gespielt, die atmeten, sich entwickelten und veränderten, sich aber auch gegenseitig effektvoll durchdrangen. So entstand ein faszinierendes harmonisches Geflecht. Die Schwerkraft wurde gleichsam aufgehoben. Formvollendete Tanztechnik war die Folge.

Ein weiterer Höhepunkt war dann „Don Quixote de lan Mancha“ mit klassischer spanischer Musik. Der junge Italiener Eugenio Scigliano sieht „Don Q.“ als Träumer und machte dabei Bewegungen zur facettenreichen Metapher für einen vielschichtigen Seelenzustand. Der Tanz war hierbei das zuweilen bizarre Abbild einer inneren Welt aus Träumen und Idealen. Mitgefühl und Inspiration spielten eine große Rolle bei dieser emotional starken tänzerischen Darbietung. Cervantes Antilheld wurde dabei zum beunruhigenden Sinnbild des Künstlers in einem labilen Gleichgewicht zwischen Realität und der Fantasiewelt. Dies kam bei der  gelungenen Choreographie vor allem visuell zum Vorschein: Eine wilde Fahrt durch den Wald und der Kampf mit den riesigen Windmühlen schufen eine elektrisierende Atmosphäre. Alte spanische Musik erklang dabei im reizvollen Wechsel mit Kimmo Pohjonens Klangexperimenten. Die Wirklichkeit hatte sich hier gegen die Ideale des Don Quixote verschworen und drohte sie zu ersticken. Durch das Sinnbild der Bewegung entstand aber auch ein neuer Zustand. Ein unerschöpflicher Quell der Inspiration war hierbei der Tanz. Der Edle kämpfte in einem Spanien ohne Regeln und Werte gegen die Angst und Unsicherheiten der Zeiten. Auch Don Quixotes Alter Ego Sancho Pansa vermochte als einfaches Geschöpf die Schönheit der Lebenserfahrungen zu genießen, um die Mühsal der Existenz zu überstehen. Der rhythmische Taumel der Kompanie war nicht mehr zu bremsen. Mit dieser Produktion über den „Ritter von der traurigen Gestalt“ feierte „Aterballetto“ seine vom Publikum bejubelte Deutschlandpremiere.

 Alexander Walther

 

 

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