LUDWIGSBURG/ Forum: DIE WALKÜRE -konzertant – am 1.3.2019
Phänomenale konzertante Walküre
Legendär die grandiose RING-Inszenierung von Michael Heinecke an der Oper Chemnitz der Spielzeit 1999/2000 und in Kreisen der Wagnerianer von Berlin bis Wien immer wieder eine Reise wert. Ebenso die traumhaften Produktionen des genialen Regisseurs vom Tristan, Holländer, Tannhäuser welche mir persönlich noch immer unauslöschlich im Gedächtnis haften. Wolfgang Wagner meinte dereinst: „Chemnitz ist das Bayreuth des Ostens“. Nun produzierte das renommierte Opernhaus bereits seinen neuen Ring in drei zyklischen Aufführungen nun zu Ostern und Pfingsten 2019. Meinerseits bereits in Planung besuchte ich vorweg als Entree und der Nähe wegen „Die Walküre“ in konzertanter Fassung im Forum Ludwigsburg. Völlig unverständlich die freien Plätze, das Management setzte wohl mehr auf Gottvertrauen?
Selbst nach schier hundertfacher Sicht mancher sehenswerten Inszenierung liebe ich nach wie vor (und verhehle es nicht!) konzertante Aufführungen und kam heute natürlich voll auf meine Kosten zudem eine elitäre Sänger-Riege den absoluten Genuss komplettierte.
Um keinen Künstler zu benachteiligen gebe den Damen galanterweise den Vorzug: Ich darf mich glücklich schätzen Catherine Foster in diversen Rollen dutzendfach erlebt zu haben, umso mehr war ich über die Wiederbegegnung sehr erfreut, betrachte ich die Künstlerin persönlich als größte und bedeutendste Wagner-Strauss-Interpretin unserer Zeit und wiederum schenkte mir die unvergleichliche Künstlerin kulinarische akustische Wonnen der besonderen Art.
Ohne Zweifel avancierte ihre Brünnhilde zum vokal-solitären Höhepunkt des Abends. In Bravour verkörperte Catherine Foster Wotans Lieblingskind mit Charisma, Temperament und Sensibilität, alles Charakterzüge, welche in den unglaublich vielschichtigen stimmlichen Möglichkeiten der Sängerin bedeutungsvolle Prädikation fanden. Weich strömend floss ihr farbenreicher Sopran dahin, nuanciert entfaltete sich das Goldtimbre in vokaler Natürlichkeit, mühelos aufblühend in leuchtender Pracht. In faszinierender Flexibilität und Intuition demonstrierte Frau Foster die hohe Kunst des Gesangs, da blieb nichts dem Zufall überlassen jede Note erhielt ihre aussagekräftige Bedeutung, ob zu den jungendlich-frisch, stahlenden Hojotohos, den prächtigen Höhenaufschwüngen oder den innigen Piani. Erschütternde Momente wie zur Todesverkündigung, zur Rechtfertigung war es so schmählich, was ich verbrach oder während des bewegenden Dialogs mit dem Vater erschütterten ungemein und trieben selbst einem alten Hasen wie mir die Tränen in die Augen. Bewundernswert ohnedies mit welch unvergleichlicher Souveränität und Noblesse Catherine Foster der wohl anspruchsvollsten und schwierigsten aller Brünnhilden begegnete und im Gegensatz der restlichen Sänger ohne „Blatt“ sang. Chapeau bas!
Mit gesundem jungendlich-dramatischen Sopran interpretierte Astrid Kessler die Sieglinde, berührte mit lyrischen Phrasen, ließ das herrlich timbrierte Material strahlend leuchtend aufblühen und schenkte während ihrer Erzählung Der Männer Sippe… bedeutungsvoll warme Grundierungen der sehr modulierten Mittelage. Farbenreich, ausdrucksstark, klangschön steigerte sich Kessler in den finalen Jubel des ersten Aktfinales, nuancierte vortrefflich Nicht zehre dich Sorge um mich und triumphierte zudem mit dem strahlenden O hehrstes Wunder. Bar dieser positiven Attribute avancierte Kesslers Sieglinde zu einem sinnlich intensiven Erlebnis. Nach der wunderbaren Tannhäuser-Elisabeth bezauberte die vielseitige Sängerin wieder mit einem gelungenen Rollen-Portrait. Nun freue ich mich auf die Abigaille in einer Woche – ob man gar auf die „Salome“ im Sommer hoffen darf?
Die Dritte im Bunde der vorzüglichen Damen war Monika Bohenic, mir noch aus ihrer viel zu kurzen Zeit am Mannheimer Nationaltheater in allerbester Erinnerung. Mit einer so attraktiven Fricka an der Seite kann man Wotans Eskapaden… aber lassen wir das leidliche Thema! Geradezu phänomenal die vehemente Ausstrahlung ihrer Fricka zu expressiven aber auch in dunklen herrlichen Couleurs schimmernden, glutvollen Mezzosopran-Nuancen, entschied sie den Ehezwist für sich und lies dem Göttergatten trotz einleuchtender Argumentationen keinerlei Chancen.
Mit ebenso gewaltiger und vortrefflicher Präsenz boten die Herren des Abends so viel Frauen-Power durchaus maskuline Vokal-Paroli. Großartig in jungendlich-frischem Elan sang Klaus-Florian Vogt den strahlenden Gegenpol zur Zwillingsschwester und verkörperte einen ausgezeichneten Siegmund. Gleichwohl zu den lyrischen Phrasen wie den kraftvollen metallisch-auftrumpfenden tenoralen Glanzpunkten schenkte Vogt Sieglindes Bruder höchste Präsenz und beide vereinten sich vorzüglich zum nicht nur optisch idealen Geschwisterpaar.
Mit Spannung sah ich natürlich dem Wotan von Aris Argiris entgegen, erlebte ich den hervorragenden Sänger bisher nur in vielen italienischen Bariton-Partien und war über dessen vokale Entwicklung sehr positiv überrascht. Wann darf man einem Göttervater begegnen mit derart jungendlich-frischem Timbre, markant, sicher und autoritär intonierter Vokalise? Unglaublich in welch prächtiger Formation sich diese resonanzreiche, bruchlos geführte Stimme evolvierte, ohne jeglichen Druck gestaltete Argiris die langen Phasen der Dialoge und zog im Forte und Höhenbereich glanzvolle Extraregister ohne jegliche Ermüdung des Potenzials. Bravo!
Zu individuellen Zeichnungen charakterisierte Magnus Piontek den männlichen und durchaus konkurrenzfähigen Hunding und brachte dabei attraktive, klangvolle und imposante Bassfülle ins Spiel.
Überwältigend der Aufmarsch von Wotans Amazonenstreitmacht, die acht Damen Daniela Köhler, Caroline Wenborne, Magdalena Hinterdobler, Sylvia Rena Ziegler, Franziska Krötenheerdt, Diana Selma Krauss, Nathalie Senf, Sophia Maeno alle in roten Roben imponierten nicht nur mit optischer Aura sondern überzeugten durchaus mit klangvollen Vorzügen.
Zum vokalen Gourmet-Menü servierte Guillermo Garcia Calvo am Pult der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz par excellence orchestrale Delikatessen. In bester Manier geleitete der temperamentvolle Maestro den hervorragend disponierten Klangkörper durch Wagners grandiose motivische Partitur, formte ausgezeichnete musikalische Perspektiven voll Wärme und Sentiment. Bereits zur Gewitter-Einleitung, im spannungsvoll elektrisierenden Knistern des ersten Aufzugs wurde instrumental gewahr, was diese geniale Komposition so reizvoll und auf besondere Weise fasziniert. Aufgelichtete Klänge intimeren Charakters durchwebten die Monologe, prächtig instrumentierte Calvo Details der zugespitzten Formationen, kontrastierte orchestrale Eruptionen der exzellenten Bläserformationen zu herrlich innigen Passagen der warmgetönten Streicherklänge und erwies sich zudem als kongenialer Sängerbegleiter.
Gerhard Hoffmann