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Ludwig Steinbach: WEINBERGS PASSAGIERIN

08.01.2016 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

BuchCover Steinbach, Passagierin   jpg

Ludwig Steinbach:
WEINBERGS PASSAGIERIN
Eine Analyse der Auschwitz-Oper
237 Seiten, Verlagshaus Schlosser, 2015

Was hier vorliegt, ist ein Buch der Begeisterung, die noch über die Bewunderung hinausgeht: Ludwig Steinbach, Redakteur u.a. des „Opernfreundes“, hat sich in ein Werk verliebt, ungeachtet dessen, dass es spröde und tragisch ist und dem Rezipienten keinerlei „kulinarische“ Genüsse vermittelt. Aber wenn Steinbach meint, „Die Passagierin“ des polnischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg sei ein singuläres Werk zeitgenössischen Musikschaffens, dann belässt er es nicht mit der Behauptung, sondern tritt auf 237 Seiten den Beweis an.

Ein wenig Hintergrund, wie es der Autor auch im Vorwort liefert, da man nicht davon ausgehen kann, dass Mieczysław Weinberg (1919-1996) trotz des späten – für ihn posthumen – Sensationserfolgs seiner Oper nun fest im Bewusstsein der Opernfreunde der Welt ruht: Weinberg, geboren in Warschau, floh 1939 vor den Deutschen in die Sowjetunion und überlebte, während die meisten seiner jüdischen Verwandten in den Konzentrationslagern ermordet wurden. Man zählt ihn zu dem „sowjetischen“ Komponisten, gefördert und letztlich geschützt von Schostakowitsch, als er in seiner absolut auch nicht judenfreundlichen zweiten Heimat Gefahr lief, nun dem stalinistischen Terror zum Opfer zu fallen. Erst nach Stalins Tod kam er aus dem Gefängnis, und 1968 stellte er seine Oper „Die Passagierin“ fertig, die zu Recht als sein Hauptwerk gilt. Dennoch war die Stimmung in der Sowjetunion und auch dann in Russland nicht von der Art, eine Oper wie die „Passagierin“ aufzuführen – erst 2006, zehn Jahre nach Weinbergs Tod 1996 in Moskau, kam es dort zu einer konzertanten Aufführung.

Und es war dem Konzept und der Energie von David Pountney zu danken, der während seiner Ära als Intendant der Bregenzer Festspiele im Kornmarktheater immer auf Raritäten setzte, dass „Die Passagierin“ hier 2010 in einer exzellenten (heute als DVD zugänglichen) Aufführung endlich das Licht der Bühne erblickte. Karlsruhe (2013) und Frankfurt (2015) zogen nach, und nun ist – zusammen mit Autor Ludwig Steinbach – zu hoffen, dass dieses Werk sich sowohl in die Repertoires der großen Häuser begeben wird wie auch in Zukunft ein fester Bestandteil jener modernen Opern ist, auf die man immer wieder zurückgreift. Da die „erweiterte Tonalität“ von Weinbergs Musiksprache das Publikum nicht verschreckt, sondern fesselt, sind die Möglichkeiten gegeben.

Im Vergleich zur kurzen Einleitung gibt der Autor nun sowohl dem Inhalt wie in diesem Zusammenhang vor allem der „Musiksprache“ breitesten Raum, und da wird das Buch sehr speziell. Genau nachzulesen, was die Geschichte bietet (auf einem Schiff in Richtung Brasilien treffen 1950 eine ehemalige KZ-Insassin und ihre einstige Quälerin zusammen, was quälende Erinnerungen hervorruft), ist eines. Die 147 Notenbeispiele zu würdigen, die in die (verbale) musikalische Analyse eingefügt sind, ist Leuten vorbehalten, die entweder sehr gut Klavier spielen und sich hier durch das Werk arbeiten, oder Musikern, die allein beim Notlesen Musik „hören“.

Für die anderen mag es sinnvoll sein, sich die DVD einzulegen und mit dem Buch in der Hand dann das Werk ganz anders, gewissermaßen erweitert zu rezipieren als es beim bloßen Hören / Sehen allein möglich wäre.

Renate Wagner

Das Buch kann direkt beim Verlag (Support@Verlagshaus-Schlosser.de) bezogen werden.

 

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